Im Naumburger Welterbe-Streit stehen die Zeichen auf Dialog

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse

Überraschende Wendung im Konflikt über den Welterbe-Status des Naumburger Doms. Bei einer Tagung über das Thema zogen die Veranstalter eine vorbereitete Abschlusserklärung ihrer Positionen zurück und setzen verstärkt auf Dialog.

Autor/in:
Gregor Krumpholz
Naumburger Dom / © tilialucida (shutterstock)

Im Streit um den wieder errichteten Marienaltar im Naumburger Dom suchen die Eigentümer den Dialog mit Kritikern. Die Vereinigten Domstifter wollen mit dem Internationalen Rat für Denkmalpflege (ICOMOS) über neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Baugeschichte des Doms ins Gespräch kommen, wie Stiftungsdirektor Holger Kunde am Donnerstagabend in Naumburg ankündigte.

Kunde äußerte sich zum Abschluss einer Fachtagung über den Konflikt, in dessen Folge dem gotischen Dom der Welterbe-Status aberkannt werden könnte. ICOMOS berät die 21 Mitglieder des Welterbekomitees der Weltkulturorganisation Unesco bei der Auszeichnung eines Architekturdenkmals als Weltkulturerbe.

Blick zu stark beeinträchtigt

Bei dem Konflikt geht es um einen im Juli im Westchor des Doms eingeweihten Altar, der in Teilen von Lucas Cranach dem Älteren aus dem Jahr 1519 stammt und dessen 1541 zerstörter Mittelteil nun vom Leipziger Maler Michael Triegel im Stil des 16. Jahrhunderts ergänzt wurde.

Zur Begründung seiner Kritik führt ICOMOS an, dass der Flügelaltar den Blick auf die zwölf weltberühmten mittelalterlichen Stifterfiguren des Doms, unter ihnen Uta von Naumburg, zu stark beeinträchtige, und fordert eine Entfernung vom gegenwärtigen Standort. Die Skulpturen waren ein wesentliches Kriterium dafür, dass der Dom 2018 den Welterbe-Status erhielt.

Kein Eingriff in die Bausubstanz

Bei der Tagung betonte Kunde, dass der Altar für den Westchor geschaffen worden sei und sich damit nun an seinem angestammten Standort befinde. Die Aufstellung an dieser Stelle greife nicht in die Bausubstanz ein, überdies könne der Altar auch zeitweise entfernt werden. Dies ist ab 5. Dezember der Fall, wenn der Altar zeitweise ins Diözesanmuseum Paderborn gebracht und dort noch vor Weihnachten für mehrere Monate ausgestellt werden soll.

Im MDR-Fernsehen hatte der Regensburger Denkmalpfleger Achim Hubel, der dem deutschen ICOMOS-Nationalkomitee angehört, am Mittwoch dagegen bestritten, dass der Altar ursprünglich im Westchor stand. Daher gebe es keinen Grund, über einen Verbleib an dieser Stelle zu diskutieren.

Kunst und Denkmalpflege

Vertreterinnen und Vertreter des deutschen ICOMOS-Nationalkomitees nahmen an der Tagung nicht als Vortragende teil. Nach Angaben der Dechantin der Vereinigten Domstifter, Karin von Welck, waren sie jedoch im Publikum durch ein Mitglied vertreten, das nun dem Nationalkomitee über den Verlauf der Tagung berichten wolle.

Eine von den Vereinigten Domstiftern vorbereitete Erklärung, die zentrale Argumente für den dauerhaften Verbleib des Altars am bisherigen Standort zusammenfasste, wurde nicht zur Abstimmung gestellt. Als Grund nannte von Welck neue Erkenntnisse und kritische Anmerkungen zu dem vorformulierten Text von Seiten der Tagungsteilnehmenden, die eine größere Dialogbereitschaft der Vereinigten Domstifter anmahnten. Nach den Worten von Welcks gehört die Aufstellung des Altars zu den Projekten der Vereinbarkeit von Kunst und Denkmalpflege, die derzeit bundesweit am meisten diskutiert werden.

Quelle:
KNA