Indische Katholiken fordern Maßnahmen gegen "Ehrenmorde"

"Jemanden zu lieben ist unser Grundrecht"

Die Opfer sind meist Frauen, die Täter oft Brüder, Väter oder Cousins. Das macht die Aufarbeitung und Strafverfolgung sogenannter Ehrenmorde kompliziert. In Indien werden sie ohnehin so gut wie nie angezeigt.

Mumbai / © Oscar Espinosa (shutterstock)

Katholische Menschenrechtsaktivisten in Indien werfen der Regierung Versagen beim Stopp sogenannter Ehrenmorde vor. Im jüngsten Fall wurden im nördlichen Bundesstaat Haryana ein frisch verheiratetes Paar erschossen. "Sie wurden getötet, weil sie verliebt waren; jemanden zu lieben ist unser Grundrecht", sagte die Ordensfrau Mary Scaria, Anwältin am Obersten Gerichtshofs, am Dienstag dem asiatischen Pressedienst Ucanews.

"Wenn wir uns damit brüsten, dass Indien das größte demokratische Land ist, in dem alle vor dem Gesetz gleich sind, warum sind dann die meisten Opfer von Ehrenmorden Frauen?", so die Ordensschwester.

Solange die Gesellschaft ihre Einstellung nicht ändere und Frauen respektiere, würden die Gräueltaten an Frauen nicht aufhören. Die Soziologin Indira Mishra sagte zu Ucanews, die Ehrenmorde hingen mit verschiedenen Aspekten wie Kaste, Glaubensbekenntnis, Religion und der sozioökonomischen Lage der Menschen zusammen.

Angehörige als Mörder

Der Begriff Ehrenmord bezeichnet die Ermordung einer Person durch ihre Familienmitglieder, weil diese die Familie durch eine vermeintlich inakzeptable Handlung gedemütigt hat, etwa eine Heirat einer Person aus einer niedrigeren Kaste oder ohne die Zustimmung der Familie. Frauenrechtlerinnen lehnen den Begriff ab, weil er ein Fehlverhalten des Opfers suggeriere.

Im aktuellen Fall waren die Opfer zwar Hindus, doch die Familie der Braut war laut Medienberichten gegen die Beziehung; die Ermordeten waren entfernt miteinander verwandt. Zwei unbekannte Angreifer auf Motorrädern erschossen Berichten zufolge das Paar. Die Polizei hat elf Familienmitglieder der Frau - darunter ihren Vater, Onkel und Bruder - wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung an dem Verbrechen angeklagt.

Laut Angaben der indischen Justizbehörden betrug die Zahl der gemeldeten Ehrenmorde 2019/20 jeweils 25 sowie 33 im Jahr 2021.

Menschenrechtsaktivisten gehen davon aus, dass die meisten Fälle nicht gemeldet werden. Die tatsächlichen Zahlen müssten daher höher sein.

Katholische Kirche in Indien

Unter den rund 1,38 Milliarden Indern sind die Katholiken mit etwa 18 Millionen nur eine kleine Minderheit. Im Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil von unter zwei Prozent ist ihr Einfluss im Land jedoch viel größer. Die Kirche stellt ein Fünftel der schulischen Leistungen, dazu ein Viertel aller Unterstützungsprogramme für Witwen und Waisen und knapp ein Drittel der Versorgung von Lepra- und Aidskranken. Indien ist auch das Land mit den meisten Priesterberufungen weltweit.

Christen in Indien  / © Jaipal Singh (dpa)
Christen in Indien / © Jaipal Singh ( dpa )
Quelle:
KNA