Initiative #OutInChurch fordert Änderung der Sexualmoral

"Wir werden nicht nachlassen"

2022 hat #OutInChurch für einen Ruck in Deutschlands Kirche gesorgt. Im Interview begrüßt Mitinitiator Pfarrer Bernd Mönkebüscher die Änderung des Arbeitsrechts. Dennoch gebe es viel "Herumgeeiere" in der Lehre, es bleibe viel zu tun.

Kreuz auf Regenbogenfahne / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kreuz auf Regenbogenfahne / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie groß war vor einem Jahr die Angst oder die Sorge von den Teilnehmenden, dass sie anschließend erheblich Ärger bekommen?

Pfarrer Bernd Mönkebüscher (Pfarrer in Hamm, einer der Initiatoren von #OutInChurch): Die Angst war sehr groß. Das kann man daran erkennen, dass in den vorbereitenden Onlinekonferenzen ein Drittel ohne Klarnamen und verpixelt teilnahmen, dass auf der Seite #OutInChurch ein Teil von den 125 Teilnehmenden zunächst verpixelt aufgetaucht sind.

Bernd Mönkebüscher ist Pfarrer und einer der Initiatoren und Unterzeichner der Iniative OutInChurch, die sich für eine Erneuerung der Sexualmoral in der katholischen Kirche einsetzt. / © Bernd Thissen (dpa)
Bernd Mönkebüscher ist Pfarrer und einer der Initiatoren und Unterzeichner der Iniative OutInChurch, die sich für eine Erneuerung der Sexualmoral in der katholischen Kirche einsetzt. / © Bernd Thissen ( dpa )

Also die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, war groß und auch nicht unberechtigt, denn das Arbeitsrecht sah es ja bis dahin vor. Und Menschen haben ja tatsächlich ihren Arbeitsplatz verloren – sei es, dass sie gekündigt wurden oder soweit bearbeitet wurden, dass sie Auflösungsverträge unterschrieben haben.

Pfarrer Bernd Mönkebüscher, Pfarrer in Hamm, einer der Initatoren von "OutInChurch"

"Die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, war groß und auch nicht unberechtigt, denn das Arbeitsrecht sah es ja bis dahin vor."

#OutInChurch

Es ist eine große konzertierte Aktion: Auf einer Internetseite und im Rahmen einer Fernsehdokumentation haben sich 125 Menschen in der katholischen Kirche geoutet. Sie alle sind haupt- oder ehrenamtlich in der Kirche tätig und zugleich Teil der queeren Community, wie die Initiative "#OutInChurch - für eine Kirche ohne Angst" mitteilte. Die Initiative fordert unter anderem, das kirchliche Arbeitsrecht so zu ändern, "dass ein Leben entsprechend der eigenen sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität" nicht zur Kündigung führe. (KNA, 24.1.2022)

 © Julia Steinbrecht (KNA)
© Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: #OutInChurch ist von vielen Menschen außerhalb sowie innerhalb der Kirche sehr positiv aufgenommen worden. Auch Bischöfe haben sich entsprechend geäußert. Wie haben Sie denn damals die Reaktionen auf die Aktion und den damit verbundenen Dokumentarfilm erlebt?

Mönkebüscher: Der ARD-Dokumentarfilm "Wie Gott uns schuf", der ja begleitend war, hat – glaube ich – viele Menschen bewegt, auch Teilnehmende selbst an dem Tag, weil ihnen noch einmal bewusst wurde, was sie teilweise die Jahre über erlitten haben. In dem Film war ja von Suizidgedanken die Rede.

Und wenn sich dann einen Tag später die Generalvikare hinstellen und sagen "Ja, Vielfalt ist uns willkommen und wir setzen das Arbeitsrecht aus" ist das zwar erfreulich, aber irgendwie lässt es die Frage aufkommen: Warum bedarf es so einer Aktion, so eines Aufwandes und so eines öffentlich wirksamen Filmes? Ist das Einsicht oder ist das Druck von außen, Öffentlichkeit?

Und wenn man jetzt sieht, das neue Arbeitsrecht ist zwar in den meisten Bistümern umgesetzt worden, aber die Begründungen sind unterschiedlich. Es gibt die, die es aus Überzeugung tun, und es gibt die, die sagen: Wir können ja gar nicht anders, sonst regelt das die Politik. Es ist keine Überzeugung, sondern es ist Druck von außen.

Pfarrer Bernd Mönkebüscher (Initiative #OutInChurch)

"Warum bedarf es so einer Aktion, so eines Aufwandes und so eines öffentlich wirksamen Filmes? Ist das Einsicht oder ist das Druck von außen, Öffentlichkeit?"

DOMRADIO.DE: Mittlerweile gibt es eine überarbeitete kirchliche Grundordnung, die nach und nach von den Bistümern umgesetzt wird und sich weitgehend aus dem Privatleben der Beschäftigten raushält. Wie viel Anteil an diesen Veränderungen hat #OutInChurch?

Mönkebüscher: Das kann man schlecht sagen. Die Neufassung des Arbeitsrechts war ja unabhängig von #OutInChurch geplant. Ich glaube, dass #OutInChurch insgesamt atmosphärisch etwas bewirkt hat, dass es verdeutlicht hat: Wir müssen daran. Es hat den Druck seitens der Bischöfe sicherlich erhöht. Das hat auch die Beratungen auf dem Synodalen Weg beeinflusst. Und die Initiative ist ja auch noch nicht am Ziel. Von unseren sieben Forderungen ist die Forderung nach dem Arbeitsrecht weitgehend umgesetzt. Die Berufsgruppe der Priester kommt im Arbeitsrecht sowieso nicht vor, da hat sich gar nichts getan.

Pfarrer Bernd Mönkebüscher (Initiative #OutInChurch)

"Ich glaube, dass #OutInChurch insgesamt atmosphärisch etwas bewirkt hat (...). Es hat den Druck seitens der Bischöfe sicherlich erhöht."

Es hat sich in der Forderung der Änderung der Sexualmoral nichts getan. Im Gegenteil. Beim Synodalen Weg ist in der vierten Versammlung ja das Grundlagenpapier vom Forum 4 an der Sperrminorität der Bischöfe gescheitert. Von daher ist für uns eine Menge zu tun und wir werden auch nicht nachlassen.

DOMRADIO.DE: Jetzt haben Sie mir eine Steilvorlage gegeben: Die offizielle Lehre ist ja immer noch unverändert. Das Ausleben von Homosexualität gilt als schwere Sünde. Auch Transsexualität wird kaum akzeptiert. Befürchten Sie, dass sich in der Weltkirche in den nächsten Jahren kaum etwas bewegen wird in diesen Themen?

Mönkebüscher: Ich finde, man muss noch ein Stück früher ansetzen. Der Katechismus setzt eine ganze Reihe von schweren Sünden, sogar von Todsünden, nebeneinander. Das ist Ausleben von Homosexualität, das ist aber genauso gut außerehelicher Geschlechtsverkehr, das ist Masturbation. Alle diese Dinge werden in einem Atemzug genannt. Homosexualität bekommt noch einen eigenen Passus.

Den Menschen soll man mit Takt und Respekt begegnen. Dann steht da aber auch Mitleid. Es ist ein Herumgeeiere. Und wenn diese Themen weltkirchlich nicht behandelt werden, werden das die Ortskirchen lösen müssen. Das geht gar nicht anders. Das Bistum Limburg hat jetzt – finde ich – eine hervorragende Broschüre herausgegeben, wo es um Sexualpädagogik, aber auch um Sexualität generell geht. Dann werden das die Bistümer regeln. Ich meine, die werden die Lehre nicht ändern können, aber sie werden schon eine andere Atmosphäre schaffen können.

Pfarrer Bernd Mönkebüscher (Initiative #OutInChurch)

"Es ist ein Herumgeeiere. Und wenn diese Themen weltkirchlich nicht behandelt werden, werden das die Ortskirchen lösen müssen."

DOMRADIO.DE: Nun ist der genaue Stichtag von der Initiative #OutInChurch der 24. Januar. Ist Ihnen an diesem Wochenende eher zum Feiern zumute oder sind Sie unzufrieden, dass noch nicht mehr von dem erreicht wurde, was Sie sich gewünscht haben?

Mönkebüscher: Wir werden tatsächlich feiern. Es gibt ein wirklich erstes Präsenztreffen am kommenden Wochenende, wo sich Menschen der Initiative in Köln treffen. Es sind um die 100 Leute. Mittlerweile haben sich über 300 Menschen auf der Homepage #OutInChurch geoutet. Da werden wir schon feiern, wohl wissend darum, dass das Meiste noch vor uns liegt. Aber man muss auch realistisch sein.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Initiative #OutInChurch in der ARD-Dokumentation Wie Gott uns schuf / © EyeOpeningMedia/rbb (dpa)
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Initiative #OutInChurch in der ARD-Dokumentation Wie Gott uns schuf / © EyeOpeningMedia/rbb ( dpa )

Es war ja nicht zu erwarten, dass in diesem einen Jahr die kirchliche Sexualmoral in Rom geändert wird. Das ist ja eigentlich Dreh-, und Angelpunkt, dass eben der Blick auf queere Menschen, transidente Menschen in der Kirche nicht mehr nur vom binären Menschenbild geleitet ist, sondern eine Ergänzung, eine Bereicherung erfährt und dass auch die Schuldgeschichte queeren Menschen gegenüber Aufarbeitung erfährt. Dass das in einem Jahr nicht zu bewältigen ist, ist mir klar. Die Synodalversammlung im Herbst, das Ablehnen des Grundlagentextes war schon ein herber Schlag. Das trübt auch die ganze Geschichte.

Das Interview führte Moritz Dege. 

Text zu Sexualethik bei Synodalversammlung durchgefallen

Das Grundsatzpapier des Synodalen Wegs für eine Liberalisierung der katholischen Sexuallehre ist an der Sperrminorität der Bischöfe gescheitert. Bei der finalen Abstimmung in Zweiter Lesung votierten in Frankfurt 82,8 Prozent der anwesenden Delegierten des Reformdialogs für den Text, die ebenfalls notwendige Zweidrittel-Mehrheit der Bischöfe wurde jedoch knapp verfehlt: 61,1 Prozent der anwesenden Bischöfe stimmten dafür, 38,9 Prozent dagegen.

Ein Gerät für die digitale Abstimmung bei der Synodalversammlung / © Julia Steinbrecht (KNA)
Ein Gerät für die digitale Abstimmung bei der Synodalversammlung / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR