Das "Ich bitte um Entschuldigung" sowie das "Mea culpa" finden sich in vielen Überschriften und wurden hauptsächlich positiv aufgenommen. Es sei bemerkenswert, wenn ein emeritierter Papst von fast 95 Jahren über den Ausdruck "größte Schuld" nachdenkt, wie ihn die Gläubigen zu Beginn der Messe bekennen, schreibt der "Corriere della Sera" aus Mailand.
Auch das Betroffenennetzwerk "Rete Abuso" meldete sich über die Zeitung zu Wort. Dessen Präsident Francesco Zanardi zeigte sich enttäuscht von dem Brief. Er hinterlasse bei ihm ein schlechtes Gefühl und den "Beigeschmack einer gelenkten Sache".
Von deutschen Kirchenvertretern und internationaler Presse "diktiert"
Auch "La Repubblica" nimmt "Ratzingers Schuldbekenntnis" auf, sieht "Benedikts Wende" in einem Kommentar vor allem von deutschen Kirchenvertretern und der internationalen Presse "diktiert". Die gewählte "Verteidigungsstrategie" mit Allgemeinplätzen statt Einzelheiten hingegen sei auch Ergebnis des Einflusses jener Personen, die Benedikt umgeben, so der Kommentator.
Die Zeitung widmet dem Thema eine Doppelseite, unter anderem mit einem Interview mit dem deutschen Betroffenen Wilfried Fesselmann, der als Elfjähriger von dem im Missbrauchsgutachten zitierten Priester H. missbraucht wurde. Er spricht von einer "Lüge", wenn Ratzinger angebe, den Grund für die Versetzung des Priesters nicht gewusst zu haben.
Brief letzter Akt eines langen Kampfes
In "La Stampa" spricht der Franziskaner Enzo Fortunato, bis vor kurzem Pressesprecher der Ordensmänner in Assisi, von "Mut Benedikts" und einer "eindeutigen Stellungnahme". Der Brief vom 8. Februar sei nur der letzte Akt eines langen Kampfes, den Benedikt XVI. mit all seinen spärlichen Kräften und mit bewundernswerter Gelassenheit geführt habe und führe, so der Ordensmann in der Turiner Tageszeitung.
Die Nachrichten über den Brief Benedikts XVI. erhöhen zudem den Druck auf die Bischöfe in Italien, eine eigene Untersuchungskommission einzurichten. Betroffenenverbände melden sich zu Wort und bekräftigen entsprechende Forderungen. Die Bischöfe meinten, "dass Italien dank der katholischen Identität des Landes, die in Wahrheit nur noch eine Fassade ist, und der Angst vor den möglichen Folgen der Aufdeckung von Missständen vor dem Problem sicher ist", zitiert die "Repubblica" Paola Lazzarini, Vorsitzende eines italienischen Frauennetzwerks.
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Gualtiero Bassetti, erklärte in den vergangenen Wochen, dass die italienische Kirche über eine Untersuchung nachdenke. Eingeleitet wurde sie bislang nicht.