Jerusalemer Abtei fordert stärkere Polizeipräsenz

"Ein rechtsfreier Raum"

Nach einem erneuten Anschlag auf die Benediktinerabtei Dormitio am Wochenende fordern die deutschen Mönche nun Konsequenzen. Es dürfe nicht sein, dass das Areal rund um das Kloster einmal die Woche zum rechtsfreien Raum werde.

Blick auf die Türme der Dormitio-Abtei am 23. September 2021 in Jerusalem / © Andrea Krogmann (KNA)
Blick auf die Türme der Dormitio-Abtei am 23. September 2021 in Jerusalem / © Andrea Krogmann ( KNA )

DOMRADIO.DE: Man spricht davon, dass Bauschutt auf das Klosterareal geworfen wurde. Bauschutt klingt natürlich für die Außenstehenden nach einer Bagatelle, aber das war es definitiv nicht, oder?

Nikodemus Schnabel OSB (Dormitio-Abtei Jerusalem): Nein, definitiv nicht. Es geht um einen riesigen Sack von Bauschutt und der ist 10 Meter tief gefallen. Man sieht, er hat einen Plastikstuhl wirklich komplett zerstört. Man will sich nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn der Stuhl nicht leer gewesen wäre, sondern jemand darauf gesessen hätte. Man muss wissen, die Ecke, wo dieser Sack gelandet ist, ist eigentlich die Ecke, wo gerne unsere Angestellten sitzen, unsere Studierenden, wir Mönche. Man kann wirklich Gott nur dankbar sein, dass zu dem Zeitpunkt niemand dort saß.

DOMRADIO.DE: Der jüngste Anschlag ist nur einer von vielen. Sie haben ja schon so einiges mitmachen müssen.

Schnabel: Das ist richtig. Leider sind wir da etwas erprobt in solchen Attacken. Sowohl unser Kloster in Jerusalem, das es jetzt wieder getroffen hat, wie aber vielleicht sogar noch prominenter unser zweites Kloster Tabgha am See Genezareth. Also, beide Klöster können da viel von erzählen – seien es Brandanschläge, seien es Schmierereien, zerbrochene Fensterscheiben, aufgeschlitzte Autoreifen. Wie gesagt, wir kennen leider auch, sage ich mal, das Grundrauschen und das war jetzt nicht überraschend, dass es ein Samstag Abend war.

Wir haben in unserer Nachbarschaft das sogenannte Davidsgrab. Am Samstagabend treffen sich dort verschiedenste jüdische Gruppierungen, die ausgelassen feiern, was mich auch erst mal nicht stört. Ich freue mich über jeden, der Freude am Leben hat. Aber unter diese Gruppen mischt sich regelmäßig auch die sogenannte Hügeljugend. Das sind wirklich ganz radikale nationalreligiöse Extremisten und wir sind das leider schon gewohnt, dass an jedem Samstag Abend bei uns Müll im Garten landet, das kleinere Dinge zerbrechen oder beschädigt werden.

Wie gesagt, das ist kein Grund zur Aufregung. Es ist halt einfach unangenehm, wenn wir quasi immer am Tag des Herrn, am Sonntag erst mal den Müll wegräumen müssen. Aber wie gesagt, jetzt reden wir von einer neuen Dimension. Ich sage mal: Müll ist ärgerlich – ein Sack Bauschutt zehn Meter tief, wo eine Sitzecke ist – das ist eine andere Dimension. Deswegen haben wir diesmal auch ganz klar den Weg zur Polizei gesucht und auch in die Medien. Das ist jetzt eine Eskalationsstufe, die wünsche ich mir nicht. Jetzt geht es darum, dass man mit Menschenleben spielt. Und wenn Hass so Dimensionen bekommt, dann hört für mich auch irgendwo eine Frustrationstoleranzgrenze auf.

DOMRADIO.DE: Persönlich werden Sie auf der Straße auch Ziel von Attacken, oder?

Schnabel: Ja, meine Mitbrüder kennen das auch. Wie gesagt, man muss da erst mal einordnen, dass ich jetzt nicht missverstanden werde. Am nächsten Sonntag wird eine Gruppe Juden kommen, die uns schon freundschaftlich verbunden sind, die immer kommen, wenn wir Ziel von Attacken sind an der Spitze ein Rabbiner, mittlerweile wirklich ein guter enger Freund von mir. Also, das ist ja auch eine Realität. Ich möchte jetzt nicht verstanden werden nach dem Motto: Die Juden greifen uns als Christen an, wir reden hier wirklich von einer ganz, ganz kleinen Gruppe. Aber wie gesagt, es reichen ja einige voller Hass.

Was mich diesmal am meisten geschockt hat: Gar nicht, dass wir wieder mal Opfer waren, sondern der Umgang mit der Polizei. Ich habe die Polizei gerufen, es kamen acht Polizisten und ich war schockiert, wie diese Polizisten verbal angegangen wurden, wirklich bedrängt wurden. Da haben auch die Polizisten Probleme mit. Und da muss ich sagen, da hört für mich das Verständnis auf. Wenn Menschen so radikalisiert sind, dass sie nicht nur uns hassen als Nicht-Juden, sondern sogar ihre eigene Staatsgewalt nicht ernst nehmen. Da würde ich einfach auch mal sagen: Israel, bitte guck da genauer hin, auch zum Wohle von dir selbst.

DOMRADIO.DE: Fühlen Sie sich denn eigentlich ausreichend geschützt von den israelischen Behörden? Wie sehr ist die Polizei jetzt zum Beispiel an der Aufklärung interessiert?

Schnabel: Sie haben natürlich auch erkannt was da los war. Ich meine, der Fall hat für sich gesprochen. Polizisten waren natürlich auch schockiert. Es waren Ermittler da. Ich habe eine Anzeige erstattet, das wird schon ernst genommen. Der Fall liegt ja auch glasklar da. Der Fall ist nicht schwierig aufzuschlüsseln, was an dem Fall so schwierig ist - und deswegen erwarte ich, dass es zu keinen echten Konsequenzen kommt: Es war so eine große Gruppe. Also ich bin ja dann, nachdem ich das entdeckt habe, aufs Dach gestiegen von unserem Studienhaus, konnte dort fünf Menschen fotografisch festhalten. Als die Polizei kam, haben diese fünf sich schon unter eine Gruppe von zwanzig gemischt. Natürlich ist genau die Frage: Wer hat jetzt diesen Sack geworfen? Die sind alle ähnlich gekleidet. Wenn man eine Gegenüberstellung machen würde, ich wüsste es halt nicht. Die haben auch ihre Art Uniform. Ich glaube, daran wird es scheitern, das ist ein bisschen mein Verdacht, dass man letztendlich nicht ausfindig machen kann, wer es genau war.

Ich habe der Polizei gesagt: Ich habe einen Wunsch. Der Plastikstuhl und die Regenrinne und was sonst kaputt gegangen ist, ist mir relativ egal. Ich ahne auch, dass sie den Fall nicht auflösen können. Aber bitte zeigt doch Präsenz am Samstagabend. Das kann doch nicht sein, dass es quasi einmal in der Woche einen rechtsfreien Raum um unser Kloster rum gibt.

Das Interview führte Michelle Olion.

Dormitio-Abtei

Dormitio-Abtei in Jerusalem / © Renardo Schlegelmilch (DR)
Dormitio-Abtei in Jerusalem / © Renardo Schlegelmilch ( DR )

Die deutschsprachige Benediktinerabtei der Dormitio gehört als Blickfang zur Silhouette Jerusalems. Der Bau des Klosters auf dem Zionsberg am Rande der Altstadt begann im März 1906. Es befindet sich dort, wo nach kirchlicher Überlieferung das Letzte Abendmahl Jesu und die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel stattfanden. Abt ist seit 2023 Pater Nikodemus Schnabel.

Quelle:
DR