Wer in diesen Wochen in der Jerusalemer Altstadt die Grabeskirche besucht, ist oft allein. Bis zum 7. Oktober 2023 zwängten sich hier täglich viele tausende Besucher durch den verwinkelten Bau über den Stätten, an denen Jesus nach christlicher Tradition gekreuzigt wurde, gestorben und auferstanden ist. Seit dem Krieg im Gazastreifen ist der Tourismus im Heiligen Land jedoch eingebrochen. Das wiederum erleichtert den drei Eignern der wichtigsten Kirche der Christenheit, den Griechisch-Orthodoxen, den Katholiken und den Armeniern, die notwendigen Bau- und Stabilisierungsarbeiten. Zudem haben die Archäologen so mehr Muße, den Grund unter dem Gotteshaus zu erforschen und den Geheimnissen seiner bewegten Vorgeschichte nachzugehen.
Der Schock ist fast zehn Jahre her: Im Februar 2015 erschienen israelische Inspektoren unangemeldet in der Grabeskirche, schlossen die Grabkapelle wegen Baufälligkeit und verpflichteten die Kirchen zu einer zeitnahen Sanierung. Die aufwendigen Arbeiten bieten die Möglichkeit, den versiegelten Untergrund zu erforschen, auf dem Kaiser Konstantin vor 1.700 Jahren seine Kirche errichtete. In den kommenden Wochen soll dieser Fußboden endgültig stabilisiert, die Dauerbaustelle in der Hoffnung der Kirchen bis zur Jahresmitte abgeschlossen werden.
Baulärm begleitet den Besucheralltag
Baulärm und eine beängstigende Staubwolke empfangen derzeit die wenigen Besucher des Gotteshauses. In einem Nebenraum werden große Steinplatten vorbereitet, die den gefährlich labilen Boden ersetzen sollen. Der Staub der Schnitt- und Polierarbeiten legt sich in einer ständigen Schicht auf Altäre und Oberflächen. Nur ein Teil der alten Platten kann weiterbenutzt werden. Andere, vor allem im Eingangsbereich und rund um den Salbungsstein, sind zu dünn, zu beschädigt oder ganz zerbrochen und müssen erneuert werden.
Mit zweieinhalb Monaten Verspätung inzwischen weitgehend abgeschlossen sind die Arbeiten im Bereich der Armenier, links vom Kircheneingang. Archäologen der römischen Sapienza-Universität hatten hier alte römische Spuren entdeckten und dokumentieren. Details sind freilich noch nicht bekannt.
Eigner bringen eigene Experten mit
Die Co-Eignerschaft des Gotteshauses durch verschiedene Konfessionen kommt auch in der Renovierung zum Ausdruck. Erforschten in der ersten, von den Griechisch-Orthodoxen geleiteten Renovierungsphase, Experten aus Athen die Grabrotunde, gaben die italienisch dominierten Franziskaner seitens der Katholiken den Auftrag an die römische Sapienza-Universität. Ob aus Athen oder Rom: Über ihre Erkenntnisse lassen die Archäologen nur sehr sporadisch etwas nach außen dringen.
Phase Zwei gilt nach der Grabkapelle seit 2019 nun besagtem Fußboden. Seine Untersuchung ergab, dass die Kirche auf einem unterschiedlich abgetragenen Steinbruch steht. Manche Bereiche liegen direkt auf dem gewachsenen Felsen auf, bei anderen sind dazwischen eine bis zu sechs Meter dicke Erd- und Schuttschicht - und eben Hohlräume und Verwerfungen, derentwegen die Israelis die Restaurierung anordneten.
Venus-Grotte und Jupitermonument auf Grabstätte Jesu
Schon frühere Grabungen hatten belegt, dass Kaiser Hadrian um das Jahr 135 den heutigen Golgotha-Felsen, die traditionelle Kreuzigungsstätte, mit einem Venus-Heiligtum samt einer Venus-Grotte überbaute, und die Grabstätte Jesu mit einem Jupiter-Monument.
Schwerpunkt der italienischen Forschungen sind frühchristliche Elemente im Bereich der Grabrotunde. Unter der heutigen Ädikula entdeckten sie einen kreisförmigen Marmorsockel aus wiederverwendeten römischen Steinen, mit sechs Meter Durchmesser, der auf ein erstes Monument über dem verehrten Grab hindeutet. Bis heute ist der Boden unter dem Eingang zum Heiligen Grab noch nicht aufgefüllt, sondern provisorisch mit schweren Platten gesichert.
Ein Wasserablauf entlang des gesamten Marmorsockels lasse darauf schließen, dass das Dach der im vierten Jahrhundert erbauten Rotunde ursprünglich offen war. Um Abhilfe zu schaffen, wurden ein Drainage-System installiert; aber ohne einen größeren Tunnel, wie zunächst vermutet.
Römische Spuren offenbar beseitigt
Zu den Überraschungen der Arbeiten und Forschungen gehört dem Vernehmen nach, dass in den Hohlräumen unter der Basilika hingegen wenig Römisches gefunden wurde. Zwar hatten die italienischen Forscher nahe am orthodoxen «Katholikon» eine alte römische Straße mit einem Gehweg gefunden, die von Konstantin für die Basilika zerstört und überbaut wurden. Aber offenbar haben die damaligen Bauherren die Spuren der heidnischen Überbauungen gründlich beseitigt.
Was bleibt, ist das Geheimnis um die Venus-Grotte unter dem gleichnamigen Tempel: Umfassendere Grabungen hätten die Stabilität des darüberstehenden Golgotha-Felsens gefährdet, war zu vernehmen.