Wer in den kommenden Tagen durch Tel Aviv oder Jerusalem schlendert, wird eine besondere Stimmung bemerken, die sich über das kriegsgebeutelte Land ausbreiten wird: Ein Duft von süßem Gebäck wird in der Luft liegen, während an Straßen, in Fenstern und auf Plätzen tausende Lichter die Wintertristesse erhellen und unzählige Menschen von A nach B reisen, um Verwandte zu treffen: Während die Christen Weihnachten feiern, steht in der ganzen jüdischen Welt Chanukka vor der Tür.
Dieses friedliche Fest der Familie und der Hoffnung hat einen bemerkenswert martialischen Ursprung: Im 2. Jahrhundert vor Christus hatten die Seleukiden über das Land geherrscht, griechische Könige, die sich aus dem Reich Alexanders des Großen ein großes Stück herausgeschnitten hatten. Für die Juden brachte diese Zeit der Fremdherrschaft eine Unterdrückung ihrer Religion mit sich. Insbesondere wurden im großen Tempel in Jerusalem nun heidnische Götzenbilder aufgestellt und dem Gott Zeus Opfer dargebracht: für die Juden ein unerträglicher Affront. So regte sich bald Widerstand unter der Führung des Judas Makkabäus, den wir aus den beiden Makkabäerbüchern kennen. In Jerusalem gelang es den Aufständischen schließlich, den Tempelberg zurückzuerobern und so ging man daran, den Tempel von griechischen Einflüssen zu reinigen.
"Chanukka" bedeutet "Einweihung"
In diesem bedeutendsten Heiligtum des Judentums war es damals Sitte, dass ein siebenarmiger Leuchter – die berühmte ‚Menora‘, die wir heute im Staatswappen Israels finden – als Ewiges Licht stets zu leuchten hatte. Man fand jedoch nur noch eine unzureichende Menge Öls im Tempel: Es hätte eigentlich nur für einen einzigen Tag gereicht, doch als man die Menora entzündete, leuchtete sie auf wundersame Weise ganze acht Tage lang, also gerade lange genug, um neues geweihtes Öl in den Tempel zu bringen. Dieses Wunder begleitete die Neueinweihung des Tempels und "Chanukka" bedeutet genau dies: "Einweihung".
Auch wenn die Makkabäerbücher nicht Teil der Tora sind, betrachten Juden in aller Welt dieses Ereignis bis heute als göttliches Zeichen, als Symbol der Erneuerung des Tempels und der Widerstandsfähigkeit ihres Volkes. In den Jahrhunderten der Zerstreuung im Exil bewahrte man sich so die Tradition dieses Festes, zu dem man an einem neunarmigen Leuchter an jedem Tag eine Kerze entfacht: acht für die Tage, an denen das Heilige Öl brannte und eine neunte, mit der die übrigen Kerzen des Chanukkaleuchters entfacht werden. Chanukka dauert so acht Tage.
Spezielle Chanukka-Lieder, besondere Chanukka-Speisen
Daneben haben sich aber auch weitere Chanukka-Traditionen nach und nach etabliert: So kennt jedes jüdische Kind das Spiel mit dem "Dreidl", einem viereckigen Kreisel, an dessen Seiten die vier hebräischen Buchstaben "Nun", "Gimel", "Hei" und "Shin" geschrieben sind. Sie stehen für den Ausspruch: "Nes Gadol Hayah Sham", zu Deutsch: "Ein großes Wunder geschah dort". Es gibt aber auch spezielle Chanukka-Lieder, besondere Chanukka-Speisen, die wie etwa "Latkes" (eine Art Kartoffelpuffer) und gefüllte Krapfen. Zu Chanukka gehört aber auch Wohltätigkeit, weshalb zu dieser Jahreszeit viele Spenden getätigt werden.
Auch in Deutschland feiern Juden seit Jahrhunderten dieses Fest. Gerade in großen Städten hat es ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Gegenwart von Chanukka gegeben, das erst durch die Shoah ausgelöscht wurden. In bürgerlichen jüdischen Familien verschmolzen oftmals Weihnachts- und Chanukkatraditionen miteinander, so dass in der Presse bisweilen "Weihnukka" zu lesen war. So traten zu den traditionellen Festpraktiken die Sitte, Geschenke zu machen sowie der manchmal halb-ironisch gemeinte "Chanukka-Busch" als Pendent zum Weihnachtsbaum. Andernorts ging die Tradition des Chanukka-Festes bruchlos weiter und so ist mittlerweile ist auch in den USA eine gewisse Angleichung an die Sitten des Weihnachtsfestes zu beobachten, insbesondere, wenn Familien gemischt-religiös sind. Zugleich ist die Entscheidung, jemandem "Frohe Weihnachten" oder "Frohe Feiertage" zu wünschen, unlängst zu einem Kulturkampf ausgeartet.
Zurück zum Ursprung, zurück ins Heilige Land: Chanukka beginnt immer am 25. des jüdischen Monats Kislew, der in diesem Jahr mit dem 25. Dezember zusammenfällt, weshalb im multireligiös geprägten Israel an diesem Tag nicht nur die Juden, sondern auch die Christen einen besonderen Tag feiern. Während die einen die erste Kerze des Leuchters entzünden, begehen die anderen unter den Lichtern von Weihnachtsbäumen die Geburt ihres Herrn. Im Dunkeln, so kann man aus diesem Grunde hoffnungsvoll schließen, strebt alles ans Licht: eine verbindende Konstante zwischen den Kulturen.