Journalist kritisiert Kirchen-Lockdown-Urteil in Österreich

"Weiterer Schritt der Säkularisierung"

Durften Kirchen im Lockdown 2021 gegenüber Kultureinrichtungen bevorzugt werden? Das österreichische Verfassungsgericht sagt jetzt Nein. Was heißt das für die Religionsfreiheit? Landet das Thema nun in Straßburg vor dem EU-Gericht?

Geschlossene Kirchen im Lockdown?  / © Dirk Hudson (shutterstock)
Geschlossene Kirchen im Lockdown? / © Dirk Hudson ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Im Lockdown im Herbst 2021 durften in Österreich Kultureinrichtungen nicht betreten werden. Gottesdienste fanden aber zumindest eingeschränkt statt. Und das soll nicht in Ordnung gewesen sein, sagt ein Gericht.

Klaus Prömpers (Journalist in Wien): Es ging im Grunde um einen Antrag einer Gruppe von Kulturschaffenden, in erster Linie ein Pianist und ein Dirigent. Die hatten bereits vor längerer Zeit einen Antrag an das Verfassungsgericht gestellt und da die Unverhältnismäßigkeit der Behandlung zwischen Religionsausübung und denjenigen, die Kultur, Theater, Oper, Schauspiel genießen wollen, versucht darzustellen und zu beantragen. Damit wurden sie abgewiesen. Im zweiten Durchgang haben sie dann Wert darauf gelegt, dass es hier um den Gleichheitsgrundsatz gehe, die gleiche Behandlung von Menschen, die in die Kirche gehen wollen, ihre Religion ausüben wollen und jenen, die zum Schauspiel oder zur Oper gehen wollen, kulturell sich sozusagen erfrischen wollen. Und da hat ihnen das Verfassungsgericht im Grunde recht gegeben: Es gehe bei der Bevorzugung der Kirchen in dieser Lockdown-Situation um eine Ungleichbehandlung. Was nicht heißt, dass die Maßnahmen insgesamt, der Lockdown und das totale Verbot der Betrachtung von Kultur nicht hätte stattfinden dürfen, sondern aus der logischen Folge dieses Urteils geht eigentlich hervor: Die Kirchen hätten ganz zumachen müssen.

DOMRADIO.DE: Was ist davon zu halten?

Prömpers: Bei Betrachtung der Besetzung des Verfassungsgerichts und dieses Urteils wird ein weiterer Schritt der Säkularisierung deutlich. Natürlich gibt es in Österreich ohnehin eine Trennung von Kirche und Staat einerseits, aber andererseits hatte die katholische Kirche gerade immer eine besonders starke Stellung. Und insofern hat auch die Österreichische Bischofskonferenz nach dem Urteil gesagt, es sei natürlich zu respektieren, aber man müsse natürlich überlegen, ob das in der Konsequenz wirklich so anzuwenden sei, wie es auf den ersten Blick scheint. Denn es sei festzuhalten, dass die Feier öffentlicher Gottesdienste in den Kernbereich der inneren Angelegenheit anerkannter Kirchen und Religionsgemeinschaften falle, also nicht ohne Weiteres durch das Verfassungsgericht geurteilt, beurteilt oder durch ein Gesetz eben verboten werden können.

DOMRADIO.DE: Das heißt, die Diskussion ist nach diesem Urteil noch nicht beendet?

Prömpers: Aus zweierlei Hinsicht ist sie nicht beendet: erstens nicht aus der Sicht der katholischen Kirche, zweitens nicht aus der Sicht der Kläger, die unabhängig von dem Entscheid des Verfassungsgerichts in Österreich bereits überlegt haben, ob sie mit dieser Causa noch mal zum Menschenrechtsgerichtshof nach Straßburg ziehen werden, um dort europaweit klären zu lassen, was gilt und was nicht gilt. Und dann wird man eine größere Klarheit haben, denn wenn man auf die 27 Staaten der Europäischen Union schaut, ist die Handhabung dessen, was Religionsausübung einerseits und Ausübung und Inanspruchnahme von Kultur andererseits angeht, ja sehr unterschiedlich.

DOMRADIO.DE: Was folgt aus all dem für mögliche zukünftige pandemiebedingte Einschränkungen?

Prömpers: In einem wirklich harten Lockdown hieße das für die Kirchen, sie müssten die Türen zusperren und es würde nur noch virtuelle Gottesdienste geben. Es heißt dann im Grunde in der Konsequenz, wenn die Rechtslage sich so verfestigt, dass man eben in einem harten Lockdown, dann auch als katholische Kirchen keinen Gottesdienst in der Kirche feiern kann, selbst wenn man die Anzahl der teilnehmenden Personen beschränkt, die Abstände einhält und Maske trägt. Das alles würde nicht gelten. Denn andersherum müsste man dann auch die Theater und Opernhäuser öffnen. Es gibt diese zwei Möglichkeiten. Es wird sich zeigen, wie sich das in Zukunft darstellt. Aber ich habe den Eindruck, insgesamt wird sich das in der Schärfe ja so schnell nicht wieder stellen.

Das Interview führte Dagmar Peters.

 

Quelle:
DR