DOMRADIO.DE: Die Informationen aus dem Vatikan sind sehr widersprüchlich. Erst sprach die Pressestelle von einem Infekt des Papstes, dann sprach er selber von einer Lungenentzündung. Das wurde am Montag wieder zurückgenommen. Inwiefern kann man den Informationen aus dem vatikanischen Pressezentrum überhaupt vertrauen?
Marco Politi (Journalist und Vatikanexperte): Die Sala Stampa, das Pressezentrum, zaudert immer ein bisschen. Sie ist ein wenig scheu. Sie hat Angst, zu viel zu sagen, was den Leuten da draußen Angst machen könnte. Das war etwas anders zu den Zeiten von Johannes Paul II. Damals war der Pressesprecher Joaquín Navarro-Valls wirklich ein Spindoktor. Er wollte die öffentliche Meinung beeinflussen. Papst Johannes Paul II. war auch der erste, der vor einer Operation den Pilgern gesagt hat: "Heute Nachmittag gehe ich ins Krankenhaus, betet für mich."
Die Sala Stampa gibt immer nur sehr wenige Informationen heraus, denn sie muss auch selber immer abwarten: Was entscheidet man im Staatssekretariat? Was will man sagen? Was will man nicht sagen? Papst Franziskus ist inzwischen mit 86 Jahren durchaus gebrechlich. Es geht ihm normalerweise gut, wie es eben einem alten Mann gut gehen kann. Aber wir haben gesehen, er musste sich vor zwei Jahren einer Darm-OP unterziehen, dieses Jahr wurde er nochmals operiert. Und nun hatte er dann eine Bronchitis.
Franziskus selber sagt allerdings mehr als sein Presseteam. Er hatte starke Schmerzen in der Brust. Jetzt ist herausgekommen, dass er eine Entzündung oder Infektion an den Lungen hatte. Am Montag ist er aber wieder zurück in Santa Marta. Also müsste es ihm wieder besser gehen, denn er hat auch entschlossen, dass er Freitag zur Klimakonferenz nach Dubai fliegt.
DOMRADIO.DE: Das ist im Prinzip der Albtraum für jeden Pressesprecher. Man legt sich eine Argumentation zurecht und dann erzählt der Papst selber viel mehr, als eigentlich verabredet ist. Wie geht der Vatikan mit solchen Situationen um?
Politi: Die jetzige Direktion der Sala Stampa hat da keine Probleme, denn sie sagen nur das, was man ihnen von oben vorgibt. Natürlich, der Papst ist manchmal viel offener, so wie auch jetzt. Im Video vom Angelusgebet konnte man an seiner rechten Hand das Pflaster von der Infusion sehen. Da ist der Papst viel lockerer als sein Presseteam.
DOMRADIO.DE: Sie haben Johannes Paul II. und Navarro-Valls schon angesprochen. Das war eine vollkommen andere Situation. Wie war das damals? Hat man da überhaupt irgendwas geglaubt, was aus dem vatikanischen Pressezentrum gekommen ist?
Politi: Damals war man erst mal überrascht, wie offen der Papst selber war. Dann wurden regelmäßig Informationen rausgegeben, wenn der Papst ins Krankenhaus musste. Vor allem am Anfang hat man allerdings gezögert zu sagen, wie es ihm wirklich geht, gerade mit Blick auf seine Parkinson-Erkrankung. Er konnte nicht mehr stehen, auch nicht mehr gut sprechen.
Aber Wojtyla hat es dann geschafft, das Endstadium der Krankheit zu einer Art Martyrium zu wenden. Da war die öffentliche Meinung wieder voll auf seiner Seite. Wie er einmal gesagt hat, man kann vom Kreuz nicht heruntersteigen.
DOMRADIO.DE: Denken Sie denn, wir kommen mit Papst Franziskus jetzt in eine ähnliche Situation? Sie sagen es ja selbst, die Gebrechen mehren sich, der allgemeine Zustand mit 86 Jahren wird nun auch nicht besser.
Politi: Man hat sich daran gewöhnt, den Papst meistens im Rollstuhl zu sehen. An normalen Tagen sieht er auch ganz fit aus. Manchmal ist sein Gesicht ein bisschen geschwollen, ein andermal scheint er magerer zu sein. Aber er tut seine Arbeit ganz normal.
Man kann eigentlich nicht davon ausgehen, dass er eine Krankheit versteckt. Man weiß, sein Wunder Punkt sind eben die Lungen. Man hofft, dass dieses Problem am Darm jetzt überwunden ist. Es kann in dem Alter natürlich immer Überraschungen geben, aber für mich sieht er eigentlich ganz stabil aus..
DOMRADIO.DE: Eine Pressearbeit vom Vatikan, die versucht, solche Vorfälle wie diese Lungeninfektion herunterzuspielen, ist das noch zeitgemäß? Bräuchte es heutzutage nicht mehr Transparenz?
Politi: Natürlich hoffen alle Journalisten immer, dass es volle Transparenz gibt. Aber man hat sich daran gewöhnt, dass man bei der Gesundheit des Papstes im ersten Moment wenig weiß. Dann langsam, am Abend oder am nächsten Tag bekommt man mehr Informationen. Das wird sich auch nicht ändern, wenigstens mit diesem Papst nicht. Denn dieser Papst will nicht, dass er einen mächtigen Pressesprecher hat, der selbst entscheidet, was rausgegeben wird und was nicht. Das war bei Benedikt XVI. genau so. Die Pressesprecher sollen nur weiterleiten, was ihnen vom Staatssekretariat oder vom engen Kreis des Papstes vorgegeben wird.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.