DOMRADIO.DE: Sie haben an einem Bildband über die Bonner Republik mitgewirkt. Wie hat die Kirche diese Jahre geprägt?
Prof. Dr. Heribert Prantl (Katholischer Journalist und Autor, ehemaliger Ressortleiter der Süddeutschen Zeitung): Inzwischen wird Religion irgendwie weggeschoben, und wir sind eigentlich eine säkularisierte Republik, was auch gut ist. Aber der Kern von Religion, die Art und Weise, wie Religion für Werte eintritt, ist für mich immer noch beispielgebend, trotz aller Kritik an der Hierarchie, an der Art und Weise, wie mit dem Missbrauch abwiegelnd umgegangen worden ist.
Aber der Kern dessen, was in Religion steckt, ist für mich die Essenz der Grundrechte. Artikel 1 des Grundgesetzes "Die Würde des Menschen ist unantastbar" ist fast ein religiöser Satz und der Kern dessen, was für mich Kirche und das Eintreten für Menschenrechte, für Menschenwürde ausmacht.
Für mich ist Kirche, bei aller Kritik, die ich an ihr üben kann, der Ort, an dem der Himmel offen ist. Und der Himmel ist für mich nicht einfach Transzendenz und das Göttliche, sondern das, was zukunftsgerichtet für die Menschheit und für die Gesellschaft ist.
DOMRADIO.DE: Welche Bedeutung haben Religion und Kirche für eine funktionierende Demokratie?
Prantl: Ich hoffe, dass es eine gute Rolle ist, dass es eine Rolle ist, die nicht auf Exklusivität der eigenen Religion Wert legt, sondern auf ein Miteinander. Ich habe mal ein Stück über die Heiligen Drei Könige und über den Dreikönigsweg geschrieben. Da passiert etwas ganz Besonderes, wenn wir uns die drei Könige als Vertreter von verschiedenen Erdteilen anschauen und für mich, in meiner Interpretation, als die Vertreter von verschiedenen Religionen.
Die Könige, die sich auf den Weg machen, um dem neugeborenen König die Aufwartung zu machen, müssen sich irgendwo verabredet haben. Sie müssen Vereinbarungen getroffen haben, welchen Weg man nimmt, welche Geschenke man macht, in welcher Reihenfolge man sich diesem Gottessohn nähert. Das ist für mich der Dialog oder der Trialog der Religionen. Man kann diese Dreikönigsgeschichte nutzen, um zu sagen, dass sich alle anderen Religionen vor unserem Gott die Knie beugen müssen. Es ist aber anders: Man macht sich miteinander auf, um miteinander Gott zu preisen.
DOMRADIO.DE: Die Drei Heiligen Könige sind in Köln beerdigt. Schaffen Sie es, wenn Sie mal in Köln sind, dort vorbeizuschauen?
Prantl: Für mich gehört es zum Programm, beim Besuch von Städten in die Dome zu gehen, weil man da etwas vom Geist der Stadt spürt. In Köln merkt man vom Geist der Stadt besonders viel, wenn man den Dom geht.
DOMRADIO.DE: Die Bonner Republik war zweifelsohne auch aufgrund der Adenauer-Zeiten noch katholischer geprägt. Haben sich die Säkularisierungsprozesse mit dem Umzug nach Berlin beschleunigt?
Prantl: Viele würden das so beschreiben. Aber ich glaube, dass Säkularisierungsprozesse nicht per se schädlich sind, sondern dass sie die Konzentration auf den Kern von Religion fördern. Kirche und Religion sollten nicht aus irgendwelchen staatlichen Privilegien ihren besonderen Habitus schöpfen, sondern aus dem, was sie der Gesellschaft zu geben hat. Und das ist schon ziemlich viel.
DOMRADIO.DE: Jetzt kommt die Adventszeit. Bedeutet sie Ihnen etwas?
Prantl: Ich war wirklich sehr lange Chef der Politik und Chef des Meinungsressorts. Ich habe eine alte Tradition fortgeführt und habe jedes Jahr am letzten Arbeitstag vor Weihnachten ein Weihnachtssingen mit all meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemacht.
Wir hatten ein eigenes Weihnachtsliederbuch der Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung. Da standen ungefähr 50 Weihnachtslieder und Adventslieder drin. Die wurden alle gesungen und es war ein besinnlich-festliches Ereignis, das den Mitarbeitern auch einer als so kritisch geltenden Zeitung wie der Süddeutschen Zeitung gut getan hat.
DOMRADIO.DE: Sind Sie ein frommer Mann?
Prantl: Ich bin jemand, der Religion und Glauben achtet, respektiert und versucht, so gut es geht, selber zu leben.
Das Interview führte Johannes Schröer.