DOMRADIO.DE: Würden Sie sagen "Läuft doch", oder ist das ein bisschen zu salopp und stimmt nicht?
Melanie Giering (junge Synodale): Na ja, ich würde erst mal sagen, die Annahme des Textes "Segensfeiern für Paare, die sich lieben" ist ein riesengroßer Erfolg, darüber freue ich mich auch sehr. Ansonsten müssen wir uns meiner Meinung nach bewusst sein, dass die fünfte Synodalversammlung jetzt beginnt und wir da keine voreiligen Schlüsse ziehen dürfen, nur weil dieser Text angenommen wurde.
Im Übrigen ist dieser Text meines Erachtens ein Kompromiss, weil es eben nur Segensfeiern gibt für Paare, die sich lieben und nicht die Ehe für alle beispielsweise. Insofern ist das ein bisschen mit Vorsicht zu genießen, auch wenn schön ist, dass der Text angenommen wurde.
DOMRADIO.DE: Die Bischofskonferenz hatte letzte Woche noch einige Änderungsanträge. Manche sagen, die Texte sind jetzt weichgespült, würden Sie das auch so sehen?
Giering: Dass die Bischöfe so kurzfristig Änderungsanträge eingereicht haben, ist eindeutig zu kritisieren. Denn damit bauen die Bischöfe einen großen Druck auf und ich empfinde das auch fast schon als eine Art Erpressung, weil für die endgültige Verabschiedung der Texte ja immer eine gesonderte Zweidrittelmehrheit der Bischöfe notwendig ist.
Häufig ist es so, wenn diese Änderungsanträge der Bischöfe nicht angenommen werden, dann stimmen viele Bischöfe den Texten auch insgesamt nicht zu. Man muss also eigentlich diese Änderungsanträge annehmen, um davon auszugehen, dass die Texte auch am Ende durchgehen. Das ist ein Druck, der sehr unangenehm ist.
Ob die Texte weichgespült sind oder nicht, muss man sagen, dass sie von Anfang schon weichgespült sind. Das sind ja alles von vornherein Kompromisse. Wir reden zum Beispiel nicht über die Ehe für alle, sondern Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare. Wir reden auch nicht darüber, dass es ein Priesteramt für Frauen gibt, sondern nur über das Diakonat der Frau. Das sind ja alles schon Weichspülungen oder Kompromisse, über die wir hier beim Synodalen Weg reden.
DOMRADIO.DE: Was wäre denn besser gewesen: abgeschwächte Texte, denen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf beiden Seiten zustimmt wird, oder hätte man sie "scharf" lassen sollen, auch wenn sie in der Versenkung verschwunden wären?
Giering: Mehrheiten findet man natürlich in der Mitte. Mir persönlich wären auf jeden Fall deutlichere Texte lieber gewesen, denn bei vielen Themen kann ich nicht mit Kompromissen leben. Manchmal kann man keine Mitte zwischen ganz konservativen und liberalen Forderungen finden, denn manche Meinungen kann man nicht mit einbeziehen, im Sinne einer menschennahen Kirche und im Sinne der Menschenwürde des Grundgesetzes. Für mich kommen bei einigen Themen nur die liberalen Meinungen und Reformen in Frage.
DOMRADIO.DE: Wie erleben Sie die Gesprächskultur insgesamt vor Ort?
Giering: Bei dieser fünften Synodalversammlung empfinde ich die Gesprächskultur schon als sehr aufgeheizt, aber auch fair im gegenseitigen Umgang. Dieses Mal sind die Meinungen etwas mehr auf einer Seite, weil neulich auch einige Mitglieder der Synodalversammlung ihren Rücktritt angekündigt haben. Das waren Menschen mit sehr konservativen Meinungen, die jetzt nicht mehr dabei sind. Somit fielen zum Glück auch diskriminierende und menschenverachtende Äußerungen in der Synodalversammlung aus. Man merkt auf jeden Fall, dass es die letzte Versammlung ist und dass sich manche Menschen auch noch mal sehr deutlich äußern.
DOMRADIO.DE: Es sind auch ausländische Gäste da, die den Synodalen Weg durchaus kritisch betrachten. Wie nehmen Sie das vor Ort wahr, was haben Sie von den Gästen aus dem Ausland gehört?
Giering: Wir haben hier auch Erfahrungen aus Afrika gehört und das, was wir hier in Deutschland für die Kirche fordern, wünschen sie sich dort nicht. Ich schließe mich da dem Bischof Overbeck an, der sagte, dass wir das trotzdem fordern können, weil sie für uns hier in Deutschland notwendig sind. Dabei kann es sein, dass es für andere Länder und andere Bereiche auf der Welt nicht zutrifft. Es ist wichtig, dass wir eben das, was für unsere Gesellschaft in Deutschland und für uns Menschen in der Kirche in Deutschland notwendig ist, einfordern. Darum halte ich den Synodalen Weg auch für so notwendig, auch wenn er nur für Deutschland gilt.
DOMRADIO.DE: Haben Sie keine Angst davor, dass es im Rahmen dessen zu einer Kirchenspaltung kommen könnte?
Giering: Ich habe keine Angst vor einer Kirchenspaltung. Ich habe eher Mut und große Hoffnung auf eine bessere Kirche in der Zukunft, in der sich alle Menschen angesprochen fühlen. An der Stelle möchte ich noch mal betonen, dass wir niemanden zwingen, sich liberal auszurichten. Jeder kann für sein eigenes Leben entscheiden, wie er das führen möchte. Wenn Menschen ihr Leben gerne konservativ führen möchten, dann ist es in Ordnung. Niemand sollte für seine Lebensform diskriminiert werden. Es geht darum, dass jeder die Freiheit hat, so zu leben, wie er möchte und sich auch so damit angenommen und willkommen fühlt.
DOMRADIO.DE: Wie sieht es denn mit der praktischen Umsetzung dieser Handlungstexte aus, wie hoch sehen Sie die Chancen, dass das nicht irgendwelche Empfehlungen bleiben?
Giering: Ich möchte noch mal daran erinnern, dass die Beschlüsse des Synodalen Wegs nicht bindend für die Bischöfe sind. Das ist insofern problematisch, weil die Bischöfe die angenommenen Texte, wie zum Beispiel "Segensfeiern für Paare, die sich lieben", nicht zwingend in ihren Bistümern umsetzen. Auf der anderen Seite können Bischöfe durchaus schon etwas umsetzen, ohne auf die Beschlüsse des Synodalen Wegs warten zu müssen. Meine Hoffnung ist, dass das einige Bischöfe auch tun werden.
Das Interview führte Bernd Hamer.