Kardinal Kasper über Roms Umgang mit der Krise der Anglikaner

"Wir fischen nicht im fremden Teich"

Kurienkardinal Walter Kasper war als Präsident des Päpstlichen Rats für die Einheit der Christen Gast bei der anglikanischen Lambeth-Konferenz in Canterbury. Das wichtigste Beratungsgremium der Anglikaner steht unter den Vorzeichen einer drohenden Spaltung über Streitfragen wie der Weihe von Homosexuellen und Frauen zu Bischöfen. Mit der Katholischen Nachrichten-Agentur sprach Kasper am Freitag in Canterbury über Auswirkungen der Krise auf die Ökumene.

Autor/in:
Klaus Nelißen
Walter Kardinal Kasper: Zuständig für Ökumene-Fragen im Vatikan (KNA)
Walter Kardinal Kasper: Zuständig für Ökumene-Fragen im Vatikan / ( KNA )

KNA: Herr Kardinal Kasper, sind Sie in Sorge um die anglikanische Gemeinschaft?  
Kasper: Ich habe Hoffnung, dass die anglikanische Gemeinschaft zusammenbleibt. Wenn man für Einheit ist und wirkt und betet, ist man für die Einheit einer anderen Kirche, nicht für deren Spaltung.
Nach meinem Eindruck wird sie zusammenbleiben, aber unter ganz großen Schwierigkeiten. Ich habe hier auf der Konferenz zu den Anglikanern gesagt: Wir wünschen, dass ihr beieinanderbleibt. Aber wir müssen eine Lösung finden, die ehrlich ist. Man kann sich nicht nur gegenseitig tolerieren, sondern muss im anderen auch noch die Stimme des Evangeliums erkennen können.

KNA: Welche Auswirkungen hat die Krise der Anglikaner auf die Ökumene? Sehen Sie ökumenische Fortschritte in Gefahr?
Kasper: Ich sehe da schon eine Gefahr. Die anglikanische Gemeinschaft war eine der ersten, mit der wir nach dem Konzil den Dialog begonnen hatten. Und wir haben große Fortschritte gemacht, in verschiedensten Ansichten: über die Eucharistie, über die Autoritäten und am Schluss auch über Maria - ganz unerwartet. Es wäre unverantwortlich, das nun liegen zu lassen. Aber es sind neue Fragen dazwischengekommen, die das Verhältnis verkomplizieren. Da ist einmal die Frauenordination. Vorher gab es eine seriöse Diskussion über die Anerkennung der anglikanischen Weihen und Ämter - das ist jetzt blockiert. Und dann die Frage über die menschliche Sexualität; da sind Probleme aufgebrochen, die wir in der Vergangenheit mit den Anglikanern nicht hatten. Wir müssen jetzt einfach dranbleiben und über diese Schwierigkeiten diskutieren.

KNA: Wie sehr würde es das ökumenische Gleichgewicht der christlichen Kirchen beeinflussen, wenn die Anglikaner nach dieser Konferenz eher zu einer konservativen, eher zu einer liberalen, eher zu einer evangelikalen oder eher zu einer katholischen Richtung schwenkten?
Kasper: Die Anglikaner bezeichnen sich klassisch als eine "via media" zwischen dem Protestantischen und dem Katholischen. Das einzuhalten ist eine schwierige Balance. Momentan besteht die Gefahr, dass das katholische Element geschwächt wird, und das Evangelikale zu stark zur Geltung kommt. Ich wünsche mir eine Rückkehr zu den Vätern, zu den gemeinsamen Wurzeln; das heißt eine neue Oxford-Bewegung. Aber es nicht so, dass das Katholische einfach weg wäre. Ich habe viele Stimmen gehört, die in diese Richtung gehen. Mein Interesse ist es, diesen katholischen Part zu unterstützen und zu ermutigen. Wenn die anglikanische Gemeinschaft die Balance hält, kann sie weiterhin eine wichtige Rolle spielen. In der Geschichte der Ökumene hat ihre Theologie eine zentrale Rolle gespielt, und es wäre jammerschade, wenn sie das nicht mehr tun würde.

KNA: Wie gehen sie mit Anglikanern um, die sich über Streitfragen wie der Weihe von Frauen zu Bischöfen der katholischen Kirche zuwenden?
Kasper: Viele traten damals über, als die Kirche von England die Frauenordination einführte; ebenso in Amerika. Die Glaubenskongregation erließ in den 1990er Jahren eine Bestimmung, dass anglikanische Priester auch als Verheiratete nach einer Zeit ordiniert werden können. Gemeinschaften, die korporativ katholisch wurden, konnten danach auch Elemente des Anglikanischen bewahren.
Das wäre auch jetzt das Modell, falls sich Priester und Bischöfe für den katholischen Weg entschieden. Es kann auch sein, dass ganze Gemeinden übertreten. Wichtig dabei ist: Wir fischen natürlich nicht in einem fremden Teich. Aber wir erkennen die Gewissensentscheidung jedes Einzelnen an. Wenn einer katholisch werden will und anklopft, öffnen wir die Türen und natürlich auch unsere Herzen. Wie viele das diesmal sein werden, wissen wir noch nicht. Die Zahlen, die in der Presse genannt werden, halte ich für nicht sehr zuverlässig.

KNA: Welche Lehren kann Rom aus dem inneranglikanischen Streit ziehen?
Kasper: Dass es der Kirche nichts bringt, wenn sie sich zu schnell an die moderne Mentalität anpasst. Die Kirche muss in erster Linie auf dem Boden des Evangeliums bleiben. Nicht die Kultur bestimmt die Interpretation der Schrift, sondern die Schrift sollte die Interpretation der Kultur bestimmen. Was wir aber auch lernen können ist das Bemühen, aufeinander zu hören. Dieses synodale Element kommt in unserer Kirche manchmal etwas zu kurz. Die Art und Weise, wie die Anglikaner hier miteinander umgehen, ist ein gutes christliches Zeugnis. Nur wünsche ich, dass am Ende auch eine Entscheidung dabei rauskommt.

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