Marx selbst habe vor allem das Thema seiner Verwaltung überlassen, anstatt es zur Chefsache zu machen.
Kritisch war auch vermerkt worden, dass der Kardinal trotz einer Einladung die 1.900 Seiten starke Untersuchung nicht selbst entgegengenommen hatte. In einer ersten Reaktion hatte Marx kurz nach Veröffentlichung des Gutachtens die Opfer um Entschuldigung gebeten.
Ruf nach Übernahme von Verantwortung werden lauter
In einem offenen Brief forderte ihn ein Mitglied des Münchner Betroffenenbeirats dazu auf, die Verantwortung für die Schuld an den Verbrechen nicht länger anderen anzulasten.
Marx hatte im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit dem Thema Missbrauch seinen Rücktritt angeboten. Papst Franziskus hatte diesen aber abgelehnt. Zuvor bereits hatte Marx einen Großteil seines Privatvermögens in eine Stiftung für Betroffene sexuellen Missbrauchs in der Kirche eingebracht.
In den vergangenen Tagen gab es bereits Reaktionen von wichtigen Kirchenmännern, die durch das Gutachten belastet werden, darunter der frühere Papst Benedikt XVI. und Kardinal Friedrich Wetter. Beide waren auch Erzbischöfe in München.
Fehlverhalten in zwei Fällen
Die Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) hatte in ihrer Untersuchung zwischen 1945 und 2019 Hinweise auf mindestens 497 Betroffene sexualisierter Gewalt gefunden, sowie 235 Täter, darunter 173 katholische Priester.
Zudem werfen sie dem emeritierten Papst Benedikt XVI. Fehler im Umgang mit Missbrauchs-Tätern in vier Fällen in seiner Funktion als Münchner Erzbischof zwischen 1977 und 1982 vor. Auch dem amtierenden Erzbischof Kardinal Reinhard Marx wiesen sie Fehlverhalten in zwei Fällen nach.
Unabhängige Aufarbeitung gefordert
Zu den zentralen Empfehlungen der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl zählt die Beteiligung betroffener Pfarrgemeinden an Aufklärung und Aufarbeitung von Missbrauchsfällen. Über den Wiedereinsatz von strafrechtlich auffällig gewordenen Priestern sollten unabhängige Gremien entscheiden.
Aus verschiedenen Richtungen gibt es inzwischen auch den Ruf nach personellen Konsequenzen. Im Mittelpunkt dieser Forderungen steht Lorenz Wolf, der oberste Kirchenrichter der Erzdiözese. Der 66-jährige Geistliche leitet auch das Katholische Büro Bayern und ist Vorsitzender des BR-Rundfunkrats.