Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, fordert einen Waffenstillstand für Syrien. Die Großmächte sollten versuchen, alle Konfliktparteien "an einen Tisch zu zwingen", sagte Marx in einem Interview des Deutschlandfunks, das am Ostersonntag ausgestrahlt wird. Zu Verhandlungen gebe es keine Alternative. Zunächst müssten die Waffen schweigen. "Mit militärischen Mitteln wird dieser Konflikt nicht zu einem Ziel geführt", sagte Marx.
Der Erzbischof von München und Freising bezeichnete es als "bedrückend, dass es unsicherer wird in der Welt". Er rief zum Osterfest dazu auf, angesichts des weltweiten Terrors nicht zu verzweifeln. "Wenn wir resignieren, dann haben diese schrecklichen Menschen, die mit Gewalt ihre Ziele durchsetzen wollen, gesiegt." Ostern sei "ein Aufstand Gottes gegen alle Mächte der Gewalt, ein Aufstand gegen den Tod."
Nicht bei den Terroristen mitspielen
Um dem Terror zu widerstehen, sei Trotz hilfreich, sagte Marx: "Wir dürfen das Spiel dieser Terroristen nicht mitspielen, indem wir uns verängstigen, indem wir unsere Gesellschaft militarisieren, indem wir psychotisch werden." Das wäre genau das Ziel der Terroristen, so wie sie auch die Religionsgemeinschaften gegeneinander aufhetzen wollten. Dies sei am vergangenen Wochenende deutlich geworden bei Anschlägen im ägyptischen Alexandria und Tanta, bei denen 45 Menschen starben.
Marx stellte die Anschläge in Zusammenhang mit der bevorstehenden Ägypten-Reise von Papst Franziskus. Das Oberhaupt der Katholiken besucht am 28. und 29. April Kairo, um mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi, mit Führungspersönlichkeiten der islamischen Universität Al-Azhar sowie Vertretern der koptischen und der katholischen Kirche zusammenzutreffen. Es sei eine Friedenskonferenz mit Muslimen in Kairo geplant. "Gegen diese Friedensbemühungen sind diese Anschläge gerichtet", erklärte Marx.
Für Europa
Kardinal Reinhard Marx begrüßt nach eigenem Bekunden Pro-Europa-Bewegungen wie "Pulse of Europe". Er habe sich darüber geärgert, dass Stimmen, "die gegen Europa sind oder die kritisch und skeptisch der Europäischen Union gegenüberstehen", in den vergangenen Jahren auch in den Medien eine große Aufmerksamkeit erfahren hätten, sagte Marx. Man könne nicht wirklich sagen: "Ist das eigentlich die Mehrheit der Bevölkerung?" Daher finde er es gut, wenn eine Bewegung zeige: "So ist es nicht, wir wollen eine Weiterentwicklung, eine Zukunft der Europäischen Union", sagte Marx. Mit Blick auf den "Brexit" erklärte er: "Also, diese Kränkung, dass einer uns verlassen hat oder dass man den Eindruck hat, da ist eine gewisse Ehescheidung da, die hat dazu geführt, dass Europa sich neu auf den Weg macht oder neu überlegt: Was ist eigentlich unser Projekt? Warum sind wir unterwegs seit 60 Jahren?"
Es gehe darum, Einheit und Frieden weltweit zu befördern und die gemeinsamen Interessen zu artikulieren, betonte der Kardinal. Und: "Aber auch weil wir meinen, wir sind auf diesem europäischen Kontinent in besonderer Weise aufeinander bezogen, wir haben eine gemeinsame Überzeugung in Werten und haben etwas zu vertreten. Wie der Papst einmal gesagt hat: 'Europa ist doch ein Projekt der Humanisierung!'" Dies sei "keine Rhetorik der Vergangenheit, sondern das ist für die Zukunft auch weiterhin entscheidend". Angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich sagte Marx, er würde sich freuen, wenn die Wahl so ausgehe, "dass der gemeinsame Weg, den gerade Frankreich und Europa und Frankreich und Deutschland miteinander gegangen sind in den letzten Jahrzehnten, weitergegangen wird". Marx verwies darauf, dass er in Paris studiert habe und mit Frankreich eng verbunden sei über viele Reisen und Partnerschaften zwischen den Diözesen. "Also, ein europafreundlicher Präsident/Präsidentin wäre mir willkommen."
Marx ruft zum Wählen auf
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hat Christen aufgerufen, sich an der Bundestagswahl im September zu beteiligen. Die Kirchen würden sich "ein bisschen" in den Wahlkampf einschalten, sagte der Münchner Erzbischof im Interview der Woche des Deutschlandfunk am Sonntag. "Wir gehören hier ja zur Gesellschaft dazu." Es sei für ihn ein Teil der Katholischen Soziallehre, "dass man auch bestimmte Positionen einmal zur Diskussion stellt". Auf die Frage, ob er nachvollziehen könne, wenn der Sozialphilosoph Hans Joas sage, Kirchen dürften nicht politische Richtungen, die von den Auffassungen der Kirchenleitungen abwichen, als unchristlich etikettieren, sagte Marx: "Ja, natürlich. Man muss aufpassen."
Die Kirche versuche, Kriterien aufzustellen und Hinweise zu geben. "Das allerdings gehört zum Auftrag der Kirche dazu." Ihm gehe es darum, "ein paar Grundlinien aufzuzeigen, Kriterien zu nennen, die für Christen wichtig sind". Dazu werde es auch ein Gemeinsames Wort der beiden großen Kirchen geben - laut Marx etwa acht Wochen vor der Bundestagswahl. Auf die AfD angesprochen, erklärte Marx: "Man sollte nicht immer über eine Partei reden, sondern man sollte über Inhalte reden." Für Christen seien klare Grenzen gezogen: Einer nationalistischen und fremdenfeindlichen Fahne dürften sie nicht folgen.