"Die Krise der Kirche ist vielleicht deshalb auch eine Krise einer Institution, die behauptet hat und behauptet, ziemlich viel von Gott zu wissen und seinen Willen autoritativ allen Menschen übermitteln zu können", schreibt Marx in der in Freiburg erscheinenden "Herder-Korrespondenz" (Spezial-Ausgabe Oktober 2022). Der Kardinal warnt davor, zu selbstverständlich über Gott zu sprechen.
Aussagen über Gott immer nur Annäherungen
Gott bleibe aber das absolute Geheimnis, jede Aussage über ihn könne nur eine Annäherung an die Wahrheit sein: "Aber im praktischen Betrieb der Theologie vergessen wir das immer wieder." Wenn die Kirche die selbstgewisse Rede von Gott überwinde und zugleich den Menschen die Gotteserfahrung Jesu zugänglich mache, erreiche sie den Kern christlichen Glaubens. Jesus habe ja offensichtlich auch keine Doktrin verkündet, sondern durch Beispiele und Gleichnisse vom Reich Gottes verdeutlicht, was die Gegenwart Gottes bedeute.
Noch immer kämen ihm manche Evangelisierungskonzepte so vor, als fungiere die Kirche als bloßer Sender von Wahrheiten, der die Empfängerseite zuzustimmen habe. "So aber gelingt Evangelisierung wohl kaum", schreibt Marx.
Marx braucht keinen verkürzt verstandenen Gott
Es gehe ihm um "die Zukunft der Rede von Gott und die Frage, was dieses Wort eigentlich für das Leben der Menschen bedeuten kann". Der Kardinal hält es für unmöglich, von Gott zu reden "ohne Blick auf den Menschen, auf den Einzelnen wie auf die Menschheit im Ganzen". Eine Rede von Gott, in der Leid und Not keinen Platz hätten, falle ins Leere. "Einen so verkürzt verstandenen Gott gibt es nicht – und den brauch ich auch nicht", so Marx.