Angesichts des Kriegs in der Ukraine und der Krisen in der Welt schreibt Kardinal Marx in seinem Hirtenbrief, die Botschaft Jesu von Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden richte sich "nicht exklusiv an eine ausgewählte Gemeinschaft, sondern an alle Menschen". Das Gebet um Frieden in der Welt sowie "um Frieden zwischen den Menschen und unsere tatkräftige Hilfe für Menschen, die durch den Krieg bedroht sind, soll uns in der Zeit bis Ostern leiten".
Was ist los in und mit der Kirche?
In seinem Schreiben, das am ersten Fastensonntag in allen Gottesdiensten des Erzbistums München und Freising verlesen wird, stellt Marx mit Blick auf die Situation der Kirche auch die Frage, "ob wir in eine neue Epoche des Christentums gehen". Es dränge sich auf, zu ergründen, was los sei in und mit der Kirche. Ob sie "einen unaufhaltsamen Niedergang" erlebe oder in Europa gar verschwinde. Oder ob eine Entwicklung im Gange sei und es "durch Krisen hindurch Erneuerung geben" könne.
Zu einer solchen gehöre vor allem auch "der ehrliche und schmerzende Blick auf die Gewalt und den Missbrauch, den insbesondere Kinder und Jugendliche sowie Schutzbefohlene in der Kirche erlitten haben", schreibt der Kardinal. Diese Erfahrungen sollten nicht aus dem Gedächtnis getilgt werden, sondern es gelte, im Erzbistum daraus zu lernen und sich "als Gemeinschaft gerade auch in der Begegnung mit betroffenen, verletzten und zweifelnden Menschen" weiterzuentwickeln.
Kirche als "lernende Organisation"
Auf dem Weg der Veränderung könne es nie ein Ende geben, so Marx. Wichtig sei aber, "dass wir uns darüber klar sind, um welchen Kern es wirklich geht, was wir bewahren und was wir neu entdecken möchten: Und das ist die Botschaft und Wirklichkeit des Reiches Gottes mitten unter uns."
Als Grundvoraussetzung für ein "mutiges und beherztes Weitergehen in und mit der Kirche" nennt der Kardinal die Auseinandersetzung mit der Frage, "ob wir glauben und vertrauen, dass die Gemeinschaft der Kirche notwendig und unverzichtbar ist, dass sie Zukunft hat - nicht um ihrer Selbsterhaltung willen, sondern um der Menschen willen, als Zeichen für alle Menschen".
Dabei gelte, dass eine Kirche, die sich zurückziehe hinter Mauern nicht in die Zukunft gehen könne. Stattdessen müsse sie sich als "lernende Organisation" verstehen, "die neue Erfahrungen aufnimmt, Fehler korrigiert, sich ändert und sich in jeder Zeit neu auf den Weg macht, das Evangelium zu leben und zu bezeugen".