Kardinal Marx warnt vor Rechtsruck und neuem EU-Asylabkommen

"Das erschreckt mich"

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat die europäische Asylpolitik kritisiert. Zugleich äußerte er sich besorgt über den Rechtsruck in Deutschland und Europa. Mit Blick auf die Kirche betonte er die Notwendigkeit von Lehränderungen.

Symbolbild Kardinal Marx hinter Mikrofonen von Rundfunk- und Fernsehanstalten / © Robert Kiderle (KNA)
Symbolbild Kardinal Marx hinter Mikrofonen von Rundfunk- und Fernsehanstalten / © Robert Kiderle ( KNA )

In einem Interview der Zeitungen der Mediengruppe Bayern (Wochenende) äußerte Kardinal Marx sich ablehnend zu Plänen, Asylbegehren bereits außerhalb der Grenzen der EU zu prüfen, etwa in Tunesien: "Man kann doch nicht Familien zwei Jahre lang in so ein Lager einsperren. Wie geht dort die Schulbildung für die Kinder? Wer übernimmt die Versorgung?"

Marx betonte: "Mit diesem Vorgehen wird Europa dauerhaft Schaden nehmen."

Europa kann Kardinal Marx zufolge Einwanderung nicht stoppen

Der Erzbischof sagte, Deutschland brauche eine geregelte Einwanderung. Ohne sie könne etwa das Gesundheitssystem nicht aufrechterhalten werden. "Daher ist es notwendig, Flüchtlinge möglichst bald in Ausbildung und Arbeit zu bringen."

Kardinal Reinhard Marx / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kardinal Reinhard Marx / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Zum Problem des Migrationsdrucks sagte Marx: "Solange der Abstand zwischen dem Wohlstand bei uns und der Situation in anderen, armen Ländern so groß ist wie aktuell, wird sich das Problem nie lösen lassen."

Die Europäer könnten doch keine Mauer bauen "und sagen, da kommt ihr nicht rein".

Kardinal Marx versteht christliche Wähler rechter Parteien nicht

Gleichzeitig schaut Kardinal Marx "mit größter Sorge" auf den politischen Rechtsruck in Deutschland und Europa.

"Parteien finden erheblichen Zuspruch, die in weiten Teilen klar rechtsextreme Positionen vertreten", sagte Marx in einem am Wochenende veröffentlichten Interview der Zeitungen der Mediengruppe Bayern. "Das erschreckt mich."

Caritas sieht Erstarken der AfD als Gefahr für Zusammenhalt

Der Deutsche Caritasverband sieht die Erfolge der AfD bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern als Gefahr für das demokratische Miteinander. Das Erstarken der AfD sei ein Schrecken, sagte Caritaspräsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Auszählung der Landtagswahl / © Uwe Anspach (dpa)
Auszählung der Landtagswahl / © Uwe Anspach ( dpa )

Der Kardinal fügte hinzu, er verstehe nicht, "wie ein überzeugter Christ Parteien wählen kann, die rechtsextrem sind, die nationalistische, rassistische und menschenverachtende Parolen verbreiten".

Künftige bayerische Regierung soll sich nicht von AfD treiben lassen

Mitglieder solcher Parteien könnten in der Kirche keine Verantwortung ausüben.

An die Adresse der künftigen bayerischen Staatsregierung richtete der Münchner Erzbischof eine Warnung: Sie dürfe sich von der AfD nicht treiben lassen, wenn diese Angst verbreite.

Andere Parteien sollten auch nicht versuchen, die AfD in Wortwahl und Inhalt zu imitieren, um Stimmen zu bekommen. "Nach rechts muss eine klare Grenze gezogen werden."

Kirche soll rechte "Schwarz-Weiß-Malerei und Verhetzung entlarven"

Marx sagte, die katholische Kirche begegne dem Rechtsruck auf ihre Weise: "Indem wir die Demokratie verteidigen, Populisten und Extremisten klar entgegentreten – und deren Schwarz-Weiß-Malerei und Verhetzung entlarven."

Genau da setze das vor Jahren von den bayerischen Diözesen gegründete Kompetenzzentrum für Demokratie und Menschenwürde an.

Neben seiner Kritik am EU-Asylpaket und dem Rechtsruck in Deutschland und Europa hat Kardinal Marx auch seine Unterstützung für bestimmte Reformforderungen in der katholischen Kirche bekräftigt.

Kardinal Marx sieht in Veränderungen der Lehre eine Notwendigkeit

"Die Stellung der Frau in der Kirche, eine Sexualmoral, die viele als nicht verständlich empfinden, die Frage der Kontrolle der Macht – hier auch weiterzukommen, ist Voraussetzung dafür, um neu Fahrt aufzunehmen", sagte Marx in einem am Wochenende veröffentlichten Interview der Mediengruppe Bayern.

"Wir müssen bei Punkten, die die Glaubwürdigkeit der Kirche mit beschädigt haben, Veränderungen herbeiführen."

Dabei gehe es nicht "um einfache Zeitgeistanpassung", erläuterte der Erzbischof. "Es geht doch darum, jetzt und heute ein gutes und sinnvolles Leben zu finden. Da ist es wichtig, die Gegenwart zu verstehen."

Kritik an Minderheiten-Veto gegen Finanzierung von Synodalem Rat

Es stelle sich die Frage, ob die Kirche noch mitten in der Welt oder ein Anachronismus geworden sei. "Man muss den Dreh finden, dass die Menschen den Eindruck haben: Wir sind die Zukunft und nicht die Vergangenheit."

Kardinal Reinhard Marx auf der fünften Synodalversammlung / © Maximilian von Lachner (SW)
Kardinal Reinhard Marx auf der fünften Synodalversammlung / © Maximilian von Lachner ( SW )

Mit Blick auf die Kontroversen beim deutschen Reformprozess Synodaler Weg warb Marx für Gelassenheit. "Man muss damit leben, dass nicht alle einer Meinung sind und Lösungen finden."

Es könne aber auch nicht sein, "dass eine Minderheit den ganzen Weg stoppen kann und verunmöglicht".

Kardinal Marx wirft Bischöfen mangelnde Rücksprache mit Diözesangremien vor

Damit spielte er darauf an, dass vier Bischöfe die Fortführung des Prozesses in Frage stellen und dafür kein Kirchensteuergeld aus ihren Diözesen ausgeben wollen.

Marx sagte dazu: "Jeder Bischof ist frei, in seiner Diözese das zu tun, aber der Bischof ist ja nicht die Diözese. Man muss doch mit den Gremien sprechen. Das ist ja der Sinn synodaler Kirchen."

Er selbst fühle sich jedenfalls bei "bestimmten wichtigen Entscheidungen" dazu verpflichtet.

Neues Buch von Kardinal Marx über Freiheit

"Freiheit" lautet der Titel eines neuen Buches von Kardinal Reinhard Marx, das nun im Handel ist. Auf 175 Seiten umkreist der Münchner Erzbischof einen Begriff, der ihm zum Lebensthema geworden ist. Das spiegelt sich auch in seinem Wahlspruch als Bischof wider: "Wo der Geist des Herrn wirkt, ist Freiheit."

Reinhard Kardinal Marx / © Harald Oppitz (KNA)
Reinhard Kardinal Marx / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA