"Ein Rücktritt ist für einen Papst keine Option. Vom Kreuz steigt man nicht herab", betonte Müller in einem Interview mit der italienischen Zeitung Il Messaggero. Der frühere Glaubenspräfekt (2012–2017) unterstrich die Bedeutung der Einheit innerhalb der Kirche und erklärte, er bete täglich für die Genesung des Papstes. "Wir Glaubenden müssen in voller Gemeinschaft mit der Kirche von Rom leben, und der Bischof ist der Papst, das ewige Symbol der Einheit."
Müller erinnerte daran, dass bereits der Apostel Petrus, auf den sich das Papsttum beruft, als Märtyrer gestorben sei. "Der Papst muss der Erste sein, der dafür Zeugnis ablegt, dass nach dem Tod die Auferstehung folgt."
Rücktritt nur in schwersten Fällen
Das Kirchenrecht sehe einen Rücktritt nur "für allerschwerste und besondere Fälle" vor, etwa bei einer Beeinträchtigung der Geisteskraft, erklärte Müller weiter. Ein Papst dürfe nicht wie ein Politiker oder Militärführer behandelt werden, die ab einem gewissen Punkt in den Ruhestand gehen. Er warnte vor einer "Funktionalisierung" des Papstamtes.
Auch den Rücktritt von Benedikt XVI. im Jahr 2013 habe er nie wirklich nachvollziehen können. "Einem Papst-Rücktritt wegen Erschöpfung stehe ich skeptisch gegenüber. Das verletzt das Prinzip der sichtbaren Einheit der Kirche, das in der Figur des Papstes verkörpert wird. Und deshalb darf sein Rücktritt nicht etwas Normales werden."
Papst Franziskus als Vorbild
Müller sieht keine Veranlassung, über einen Amtsverzicht von Franziskus zu sprechen. "Von Rücktritt zu sprechen, ist absurd.“ Solange Krankheiten die geistigen Fähigkeiten nicht beeinträchtigten, seien sie kein Grund, das Amt niederzulegen. Vielmehr könne der Papst in seiner Schwäche ein Vorbild für leidende Menschen sein. "Wenn er bestimmte Aufgaben wie das Feiern von Gottesdiensten im Petersdom oder Reisen nicht mehr erfüllen kann, sind es die Kardinäle, die ihn dabei unterstützen können."
Zu seinem persönlichen Verhältnis zu Franziskus sagte Müller: "Wir hatten eine dialektische Beziehung. Zu vielen Themen hatten wir unterschiedliche Ansätze, aber die persönliche Beziehung und die Loyalität, die man stets dem Nachfolger Petri schuldet, sind geblieben."