Kardinal Woelki feiert Fronleichnam in Köln

"Da macht es wieder Lust, katholisch zu sein"

Es ist jedes Jahr ein großes Fest des Glaubens, das in Zeiten dramatisch rückläufiger Mitgliederzahlen der aktuellen Entwicklung zum Trotz tolle Bilder liefert und ein Garant für Gänsehautmomente ist.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Fronleichnam in Köln
Fronleichnam in Köln

Am Ende ist es noch einmal diese Momentaufnahme einer über dreistündigen Liturgie, die sich gewohnheitsgemäß von diesem Tag in den Köpfen und Herzen der Kölner einbrennt: ein weihrauchgeschwängerter Dom mit sonnendurchfluteten Fenstern, eine von dem hellen Tageslicht bis ins Detail ausgeleuchtete Architektur und tausende Menschen aus allen Teilen des Erzbistums, die sich zu dichten Trauben in den Seitenschiffen drängen: politische Prominenz genauso wie viele Menschen aller Generationen aus den Innenstadtpfarreien Kölns oder den muttersprachlichen Gemeinden der internationalen Seelsorge im Erzbistum. Dann die beiden großen Chöre mit allein weit über 200 Sängerinnen und Sänger, die das Chorpodest im südlichen Langhaus nicht fassen kann, die Seminaristen, Diakone und Priester, die unzähligen Vertreter der Verbände, Gremien, Orden und Grabesritter, der Malteser, Studentenverbindungen, Handwerksinnungen und Karnevalsgemeinschaften. Nicht zu vergessen die Kommunionkinder und ihre Familien sowie viele, die einfach nur so kommen, weil ihnen die Demonstration ihres öffentlichen Glaubenszeugnis etwas wert ist und sie dieses unvergleichliche Gemeinschaftserlebnis – alle Jahre wieder – genießen.

Einmal im Jahr jedenfalls ist der Dom so voll, als fielen Weihnachten und Ostern zusammen. Aus Nah und Fern kommen die Gläubigen, denen dieser Feiertag noch etwas bedeutet, hier im Dom zusammen. Aber auch Touristen und neugierige Zufallspassanten sind auf den Beinen, die zuvor den Platz zwischen den Baustellen des Domhotels und des Römisch-Germanischem Museum als Schaulustige gesäumt haben, sich der nicht enden wollenden Prozession durch die Altstadt angeschlossen haben, um an der Minoritenkirche vorbei betend, singend und unter Orgelbrausen und Glockengeläut in die Kathedrale einzuziehen. Hier wollen sie mit Erzbischof Kardinal Woelki das "Te Deum" anstimmen und von ihm mit dem Allerheiligsten den Schlusssegen empfangen.

"Das gibt es nur in Köln", schwärmen Marlene und Norbert Sendke aus Wasserberg an der holländischen Grenze. Eigentlich gehören sie zum Bistum Aachen. Aber diese einmalige Atmosphäre zu Fronleichnam, diese Mischung aus feierlicher Kirchenmusik, einer ansprechenden Predigt, und dieser sichtlich großen Glaubensgemeinschaft, die sich zu dem Freilichtgottesdienst weit über den Roncalliplatz verteilt, wollten sie sich auch in diesem Jahr nicht entgehen lassen, begründet das Paar. Entsprechend früh hätten sie sich daher an diesem Morgen auf den Weg gemacht. "Hier ist es noch sehr katholisch, wir lieben das", lacht Marlene Sendke, Pfarrsekretärin in ihrer Heimatgemeinde St. Marien. Und ihr Mann, KV-Mitglied, ergänzt: "Es ist das Traditionelle und Würdevolle, das uns so gut gefällt. Bevor wir bei uns daheim nur zu 20 sitzen, kommen wir doch lieber hierher. Tut schon gut, von hier aus gestärkt in den Alltag zurückzukehren", so der 67-Jährige, der von seinem Standort in der prallen Morgensonne einen freien Blick auf den Altar hat, aber bemängelt, dass es nur eine begrenzte Anzahl an Sitzplätzen gibt. Trotzdem schmälere das seine Begeisterung nicht.

Ursula Paetzold hat es aus der Gemeinde St. Adelheid Neubrück nicht ganz so weit gehabt. Sie komme jedes Jahr zu dieser Messe an Fronleichnam von der anderen Rheinseite, sagt sie. "Das ist mir sehr wichtig und hält von seiner Wirkung her auch eine ganze Zeit lang." Dass es trotz der anhaltenden Debatten um den Kölner Erzbischof immer noch so voll rund um den Dom ist, findet sie zwar erstaunlich, will sie aber ansonsten nicht weiter kommentieren. Christa Wirtz, ebenfalls aus Neubrück, pflichtet ihr bei. "Ich liebe solche Gottesdienste im Freien und dann mit so vielen Menschen." Sie ist beeindruckt von dem tollen Blumenschmuck, von dem Glockengeläut und den vielen Nationalitäten, die hier zusammentreffen. "Im Angesicht des Domes Messe zu feiern – es gibt nichts Erbaulicheres."

Fronleichnam in Köln / © Beatrice Tomasetti (DR)
Fronleichnam in Köln / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Zum ersten Mal mit dabei ist Irmgard Bechert aus Porz-Zündorf  Für sie ist damit ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen. "Einmal auf dem Roncalliplatz Fronleichnam zu erleben – das wollte ich immer schon, aber irgendwie hat es nie gepasst, erzählt sie. Nun sei sie seit kurzem Witwe und könne sich ihre Zeit anders einteilen. "Die gesamte Performance – das Zusammenspiel von wunderschöner Musik, der Domkulisse und einer besonders feierlichen Liturgie – hat mich immer schon fasziniert. "Ich freue mich einfach nur, heute hier zu sein", strahlt sie.

Fronleichnam in Köln / © Beatrice Tomasetti (DR)
Fronleichnam in Köln / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Fronleichnam – das verstehe er als Kraftquelle für seinen Glauben, bekennt ein junger Mann um die 30. Das einst quirlige Leben in seiner Gemeinde versickere immer mehr, die Stimmung sei auf dem Tiefpunkt angelangt, die Situation frustrierend. Da brauche er dringend eine Gemeinschaftserfahrung, wie er das nur vom Kölner Fronleichnamsfest kenne. "Das ist meine persönliche Tankstelle. Wenn alle am Ende im Dom ‚Großer Gott, wir loben dich’ singen, läuft es mir kalt über den Rücken. Das ist ein Gänsehautmoment, dem man sich gar nicht entziehen kann. Da macht es wieder mal Lust, katholisch zu sein", ruft er begeistert. Er würde die Menschen vermissen, die früher mit ihm ehrenamtliche Aufgaben in der Pfarrei gestemmt hätten. "Es werden immer weniger, und denen, die bleiben, fehlt es an Leichtigkeit."

Fronleichnam in Köln / © Beatrice Tomasetti (DR)
Fronleichnam in Köln / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Sie kreisten um die immer selben Themen des Mangels und einer defizitären Personalsituation. Die endlosen Strukturdebatten seien furchtbar ermüdend. "Dafür blüht meine katholische Seele an einem Tag wie heute geradezu auf. Glauben – das geht doch nur mit anderen zusammen. Zum Glück zehre ich wieder eine ganze Weile davon." Ginge es nach ihm, könnte es jeden Tag Fronleichnam sein. Seine Mutter, eine Mittfünfzigerin ergänzt: "Da geht mir das Herz auf. Ich bin mit diesem Fest groß geworden. Undenkbar, aus Fronleichnam ein verlängertes Ferienwochenende zu machen und zu verreisen." Für sie sei besonders bewegend, dass das Zusammenleben der vielen unterschiedlichen Nationalitäten und Kulturen seinen Ausdruck auch in den vielsprachigen Fürbitten finde. Schließe würde an einem solchen Tag auch das Leid so vieler Menschen in den Blick genommen.

Dass die Kölner es verstünden, Feste zu feiern – darauf geht in einem Schlusswort auch Kardinal Woelki ein und erwähnt zunächst den Karneval und das Müngersdorfer Stadion. Dann aber betont er in besonderer Weise, dass gerade auch der Dom ein solcher Ort sei, in dem die Kölner regelmäßig feierten: nicht nur Weihnachten und Ostern, auch den Dreikönigstag und das Fronleichnamsfest, das man "nirgendwo echter und authentischer" begehe. Wörtlich wendet sich Woelki der großen Gemeinde zu: "Dass das so ist – davon geben Sie alle Zeugnis." Er sei für jeden Einzelnen, der gekommen sei, dankbar, in besonderem Maße den muttersprachlichen Gemeinden, die so selbstverständlich zum Erzbistum gehörten, aber eben auch daran erinnerten, "dass wir nicht einfach Kirche in Deutschland sind und schon erst recht nicht eine deutsche Kirche und das auch gar nicht sein wollen, sondern dass wir die eine heilige katholische Kirche sind: weltweit und weltumspannend, transnational, nicht national". Abschließend fordert Woelki dazu auf, in dieser Einheit der Universalkirche, mit dem Papst und mit allen Teilkirchen, den Glaubensweg gemeinsam zu gehen mit Jesus Christus als von Gott geschenktem Fundament.

Fronleichnam in Köln / © Beatrice Tomasetti (DR)
Fronleichnam in Köln / © Beatrice Tomasetti ( DR )

"Schön, dass Sie alle da sind – in Ihren unterschiedlichen Traditionen, Trachten und Sprachen. Aber es ist die eine Sprache des Glaubens, in der wir heute Gott groß machen durften", ruft der Kardinal seinen Zuhörerinnen und Zuhörern dann noch einmal entgegen. Es sei ganz entscheidend, zusammenzubleiben in der großen Einheit der katholischen Kirche.

Fronleichnam

Am zweiten Donnerstag nach Pfingsten feiert die katholische Kirche das Fest Fronleichnam. Der Name bedeutet übersetzt so viel wie "Fest des Leibes und Blutes Christi". Er leitet sich ab aus dem Althochdeutschen. Dabei steht "vron" für "Herr" und "licham" für "Leib".

 © Beatrice Tomasetti (DR)
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Quelle:
DR