Papst Franziskus sucht weiter nach Wegen für Frieden in der Ukraine. Am Montag teilte der Heilige Stuhl offiziell mit, dass er seinen Sondergesandten, Kardinal Matteo Zuppi, in die USA schickt. Der Erzbischof von Bologna sollte dort am Dienstag Präsident Joe Biden zu Gesprächen treffen. Dabei werde es laut Heiligem Stuhl um die "tragische aktuelle Lage" in der Ukraine sowie um Hilfsinitiativen gehen, um die Leiden der betroffenen Menschen zu lindern.
Der offiziellen Mitteilung des Weißen Hauses zufolge wollen Biden und Zuppi "über das weit verbreitete Leid sprechen, das durch den brutalen Krieg Russlands in der Ukraine verursacht wird". Die Worte "Frieden" oder "Vermittlung" kommen in den wenigen Zeilen aus Washington nicht vor. Dennoch ist das Treffen mit Biden ein weiterer Achtungserfolg für Zuppi: Nach Kiew und Moskau nun also nach Washington.
Ein Treffen mit Kyrill I.
In der Ukraine wurde Zuppi ähnlich hochkarätig empfangen wie in den USA. Dort traf er Präsident Wolodymyr Selenskyj, der bei dieser Gelegenheit betonte, Russland müsse alle seine Truppen aus seinem Land abziehen.
In Moskau drang Zuppi hingegen nicht ganz bis ins Zentrum der Macht vor. Weder empfing ihn Präsident Wladimir Putin noch Außenminister Sergej Lawrow. Dafür tauschte er sich unter anderen mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. und der Kinderrechtsbeauftragten des Kreml, Maria Lwowa-Belowa, aus. Humanitäre Themen seien die Gesprächsinhalte gewesen, erklärte der Heilige Stuhl im Anschluss. Offenbar ging es dabei um die fast 20.000 aus der Ukraine zwangsweise nach Russland gebrachten Kinder.
Drehte sich die Kommunikation des Heiligen Stuhls zu Zuppis Mission anfangs vor allem um Wege zum Frieden, rückt seit einiger Zeit dieses begrenzte, aber hochsensible Thema nach vorne. Laut Weißem Haus will US-Präsident Biden mit dem Kardinal ausdrücklich auch über "die Bemühungen des Heiligen Stuhls um die Rückführung ukrainischer Kinder" sprechen. Sollte Zuppi hier ein Durchbruch gelingen, der Tausenden Mädchen und Jungen die Rückkehr in die Heimat ermöglicht, wäre das ein wichtiger diplomatischer Teilerfolg. Darauf ließen sich weitere Friedensbemühungen aufbauen.
Diplomat mit Format
Der Erzbischof von Bologna und Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz gilt als erfahrener Vermittler. Anfang der 1990er Jahre verhandelte er das Friedensabkommen zwischen Guerilla und Regime in Mosambik mit. Maßgeblich befördert hatte dieses die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio, mit der Zuppi verbunden ist.
Seine Berufung zum Friedensgesandten durch Papst Franziskus ist ungewöhnlich, denn er ist kein klassischer Diplomat. Doch es gibt ein Vorbild in der jüngeren Geschichte der vatikanischen Friedensdiplomatie. Als Johannes Paul II. sich in den ersten Monaten des Jahres 2003 bis zum letzten Moment bemühte, den Angriff auf den Irak im zweiten Irakkrieg zu verhindern, schickte er den krisenerprobten französischen Kardinal Roger Etchegaray als Sondergesandten zu Saddam Hussein nach Bagdad. Auf der anderen Seite entsandte er den in Washington bestens bekannten und vernetzten Ex-Vatikandiplomaten Pio Laghi zu George W. Bush ins Weiße Haus.
Damals mobilisierte das Friedensbemühen des bereits schwerkranken Papstes so viel Aufmerksamkeit und Hoffnung, dass Politiker wie Tony Blair, Joschka Fischer und Tarik Asis zum Papst nach Rom pilgerten, um mit ihm über Wege zur Vermeidung des Krieges zu sprechen. Dennoch begann am 20. März 2003 der amerikanisch-britische Angriff auf Bagdad. Die Mission Zuppis verläuft anders. Er ist der einzige offizielle Emissär des Papstes im Konflikt um die Ukraine, allerdings ist er an den diplomatischen Apparat des Heiligen Stuhls angebunden. Bei jeder seiner Reisen wird er von einem Beamten des vatikanischen Staatssekretariats begleitet. Damit soll offensichtlich verhindert werden, dass zwei parallele Außenpolitiklinien des Vatikans entstehen: eine offizielle unter Regie des Kardinalstaatssekretärs und eine offiziöse, die der Papst unmittelbar Zuppi (und Sant'Egidio) anvertraut.