Als der 50-jährige Boris Rhein am Dienstag im Wiesbadener Landtag zum Nachfolger des 70-jährigen Volker Bouffier (beide CDU) als Ministerpräsident von Hessen gewählt wird, ist dies nicht nur ein Generationswechsel. Damit folgt auch ein engagierter Katholik auf einen überzeugten Protestanten im höchsten Regierungsamt des Bundeslandes.
Bouffier hatte beim live übertragenen Festakt zum Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) im Mai 2021 in Frankfurt gesprochen und dabei demonstrativ den ÖKT-Schal um den Hals getragen. Er betonte, die Christen zeigten mit dem Ökumenischen Kirchentag, dass sie gewohnte Gleise verlassen und versuchen wollten, Orientierung für die Zeit nach der Pandemie zu geben. Anfang Mai bilanzierte Bouffier, die Kirchen seien für viele ein "wichtiger Anker". Der Glaube gebe "uns in schwierigen Zeiten besondere Hoffnung und Zuversicht". Die evangelischen Kirchen in Hessen würdigten den Protestanten Bouffier als "verlässliches Gegenüber".
"Römisch-katholisch, verheiratet, zwei Kinder"
Rhein, seit 2019 Präsident des Landtags, macht aus seiner Religionszugehörigkeit ebenfalls keinen Hehl. Auf seiner Homepage als CDU-Landtagsabgeordneter schreibt er: "römisch-katholisch, verheiratet, zwei Kinder."
Rhein kann auch predigen - im wahrsten Sinne des Wortes. 2019 rief er vor der Kirchengemeinde Sankt Marien in Bad Homburg zum verstärkten Einsatz für die Demokratie auf. "Mir macht die geringe Wahlbeteiligung, die Geringschätzung oder gar Verachtung von politischem Engagement, von Politik und Politikern Angst", sagte Rhein. Gleichgültigkeit sei "das gefährlichste Gift für die Demokratie". Der CDU-Mann sprach im Rahmen der Predigtreihe der Kirchengemeinde mit dem Titel "Christ aus gutem Grund".
Rhein gilt als Politiker, der Werte vertritt und plakativ formulieren kann. Zum Angriff Russlands auf die Ukraine sagte er, Putin setze vorsätzlich die europäische Friedensordnung aufs Spiel und gefährde unzählige Menschenleben. "Für Brandstifter und Marodeure ist in Europa kein Platz", so Rhein. Er ordnete an, die ukrainische Flagge vor dem Landesparlament zu hissen.
Den rassistischen und rechtsextremen Anschlag in Hanau vom 19. Februar 2020 nannte Rhein eine Zäsur. "Die Morde von Hanau haben uns wachgerüttelt, sie haben uns die Augen geöffnet", sagte er am ersten Jahrestag der Tat, die neun Menschen das Leben kostete. "Wir erkennen, dass wir 76 Jahre nach der Schoah ein offensichtliches und bedrohliches Problem mit Rechtsextremismus und Rassismus haben. Hier - ausgerechnet in Deutschland."
Als Nachfolger empfohlen
Bouffier hatte Rhein als seinen Nachfolger empfohlen. Der gebürtige Frankfurter Rhein - der 2012 bei der Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt gescheitert war - soll Bouffier auch als CDU-Landesvorsitzender folgen. Anfang Juli soll Rhein beim Landesparteitag gewählt werden. In den Parteigremien habe es dafür ein einstimmiges Votum gegeben, so Bouffier im Februar. Rhein sprach bereits von einem "Stabwechsel, der wahrscheinlich in Deutschland seinesgleichen sucht". Es sei "ein Übergang in Freundschaft und Übereinstimmung".
Rhein und Bouffier kennen sich gut. Rhein war von 2014 bis 2019 Minister für Wissenschaft und Kunst in Bouffiers Regierung. Von 2010 bis 2014 war Rhein Innenminister - damals als Nachfolger Bouffiers.
Manchen galt Rhein lange als Hardliner - wie einst der "Schwarze Sheriff" Bouffier. Doch Bouffier veränderte sich mit dem Ministerpräsidentenamt zum Kümmerer, und auch Rhein wird inzwischen dafür gelobt, den richtigen Ton zu treffen.
In seiner Predigt in Sankt Marien mahnte Rhein, ein gewaltsames Ende einer Demokratie durch Putsch, Revolution oder Krieg sei spektakulär, aber nicht die Regel. "Demokratien sterben selten mit einem Knall", sagte Rhein. "Das Sterben mit einem Wimmern, also das Dahinsiechen einer Demokratie ist aber alltäglicher und gefährlicher, weil viele erst aufwachen, wenn es längst zu spät ist."