Katholiken und Protestanten rücken weiter zusammen

Trennung oder Trend?

500 Jahre nach Beginn der Reformation verwischen die verschiedenen theologischen Ansichten von Protestanten und Katholiken zusehends - sowohl in den USA als auch in Europa, wie eine aktuelle Studie des Pew Research Center belegt.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Rücken Katholiken und Protestanten näher zusammen? / © Harald Oppitz (KNA)
Rücken Katholiken und Protestanten näher zusammen? / © Harald Oppitz ( KNA )

In vergangenen Jahrhunderten wären wohl viele Christen überrascht gewesen, wenn sie von den Ergebnissen der beiden Großuntersuchungen des renommierten Pew Research Center in Washington erfahren hätten. Doch nach den blutigen Konfessionskriegen und einer langen Phase wechselseitiger Diskriminierung rücken Katholiken und Protestanten trotz theologischer Gegensätze in der Praxis eher weiter zusammen.

Im Mutterland der Reformation, Deutschland, sagen demnach heute 78 Prozent der Protestanten, es gebe mehr Gemeinsamkeiten mit den Katholiken als Gegensätze. Das Gleiche sagen 58 der Katholiken. In den USA sehen 65 Prozent der Katholiken mehr Einendes als Trennendes, ebenso 57 Prozent der Protestanten.

Getrennt erhobene Umfragen

Das Forschungsinstitut veröffentlichte die Ergebnisse der zwei getrennt erhobenen Umfragen an diesem Donnerstag. In Westeuropa befragten die Forscher zwischen April und August 24.599 Personen in 15 Ländern per Telefon. Für die USA wählten sie eine etwas andere Methodik: Dort riefen sie zwischen Mai und August die Meinungen von 5.198 US-Amerikanern in Online-Befragungen ab.

Ein besonderes Augenmerk richteten die Experten auf theologische Kernunterschiede aus der Zeit der Reformation. Zu ihrer eigenen Verwunderung stellten sie fest, dass sich die Ansichten über den Weg zur Erlösung unter den Angehörigen der christlichen Konfessionen weitgehend angenähert hätten.

Rund die Hälfte (52 Prozent) aller US-Protestanten meint inzwischen, gerettet werde, wer an Jesus Christus glaube und Gutes tue. In Europa sagte lediglich in Norwegen eine knappe Mehrheit der Protestanten (51 Prozent), dass der Glaube allein zur Erlösung führe. In den übrigen europäischen Ländern teilen die Christen eher die traditionell katholische Sicht, die Glauben einerseits und gute Werke andererseits fordert. Während der Reformation war Martin Luthers Grundsatz "sola fide" (allein durch den Glauben) ein wesentliches Trennungsmerkmal zu den Katholiken. Luther lehnte die sogenannte Werkgerechtigkeit strikt ab.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen die Pew-Demoskopen mit Blick auf eine andere Kernüberzeugung Luthers: "sola scriptura" (allein die Schrift). Im Gegensatz zu ihrem Reformator hält heute weniger als die Hälfte der US-Protestanten (46 Prozent) an dieser Lehre fest. 52 Prozent dagegen stimmen mit der katholischen Position überein, die neben der Bibel auch die Lehre und Tradition der Kirche als Quelle des Glaubens betont.

Auswirkungen auf Privatleben

Die Annäherung wirkt sich laut Umfrage auch auf das Privatleben der Gläubigen aus. Heutzutage störe sich kaum jemand mehr daran, mit Angehörigen der anderen Konfession zusammenzuleben. In Deutschland sagten 98 Prozent aller Protestanten, sie hätten kein Problem damit, Katholiken in ihre Familie aufzunehmen. Fast ebenso viele Katholiken (97 Prozent) heißen Protestanten willkommen.

Die beiden Glaubensgrupppen teilen noch etwas anderes, das den Kirchenführern zu denken geben dürfte. Die Studie bestätigt eine abnehmende Zahl derer, die regelmäßig zur Kirche gehen oder sich am Gemeindeleben beteiligen. In Westeuropa sank die Zahl der wöchentlichen Kirchgänger demnach auf 8 Prozent bei den Protestanten und 14 Prozent bei den Katholiken.

 

Quelle:
KNA