"Man muss in manchen Fragen einfach einen langen Atem haben." Als Generalsekretär des in Bonn ansässigen Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) hat Stefan Vesper seit 1999 eine stürmische Zeit erlebt: Streit um Schwangerenkonfliktberatung und die Rolle der Frauen in der Kirche, der Missbrauchsskandal, Kirchenaustritte und die Debatte um die Zukunft katholischer Laienarbeit sowie die Auseinandersetzungen um die Gestaltung und Finanzierung der Deutschen Katholikentage.
Jonglieren mit vielen Bällen
Ein Jonglieren mit vielen Bällen, das Vesper jetzt vorzeitig beenden will. Am Freitag teilte das ZdK überraschend mit, dass der 62-Jährige im September 2019 nach genau 20 Jahren vorzeitig in den Ruhestand gehen will.
Die Gründe dafür liegen laut ZdK ausschließlich in der langfristigen Personalplanung: Der Nachfolger solle ausreichend Zeit haben, den 3. Ökumenischen Kirchentag 2021 und die kommenden Katholikentage zu planen, so Vesper beim Hauptausschuss des ZdK in Bamberg. Vermieden werden solle auch, dass sein Ruhestand zum Jahreswechsel 2021/2022 "mit dem Amtszeitwechsel des Präsidiums zusammenfällt".
Im Rahmen des Deutschen Katholikentags in Münster hatte Vesper zuletzt eine verhalten positive Bilanz der Entwicklung in der katholischen Kirche in Deutschland gezogen. Und Selbstbewusstsein demonstriert. "Das ZdK ist ein demokratisch gewähltes Gremium, das aus der Mitte der katholischen Kirche kommt", sagte er etwa mit Blick auf Angriffe konservativer Katholiken. "Es gibt in der katholischen Kirche eine legitime Pluralität. Nicht alle Laien teilen unsere Auffassung, aber wir sprechen für die ganz große Mehrheit der katholischen Laien."
Bei der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs sei die Kirche in Deutschland "sehr weit, weiter als andere Länder, und als katholische Kirche auch weiter als manch andere gesellschaftliche Gruppe in Deutschland", betonte er. Einen langsamen Bewusstseinswandel sieht Vesper auch bei der Frauenfrage. "Es gibt die klare Einsicht in unserer ganzen Kirche, dass die Charismen der Frauen derzeit nicht genügend zur Geltung kommen. Das wissen und sagen auch die Bischöfe", sagte er kürzlich. Selbst in Rom gebe es Entwicklungen und "gute theologische Beratungen zu dem Thema".
Gute Gesprächskultur zwischen Bischöfen und Laien
Als Erfolg verbucht Vesper auch eine neue gute Gesprächskultur zwischen Bischöfen und Laien. Die Erkenntnis dahinter: Angesichts des Bedeutungsverlusts der Kirche in der säkularen Gesellschaft sitzen Laien und Kirchenleitung in einem Boot. Dass selbst im stark katholisch geprägten Münster der Widerstand gegen eine öffentliche Förderung des Deutschen Katholikentags groß war, zeigt für Vesper, wie sehr sich die Zeiten geändert haben.
Gefordert sieht Vesper die Katholiken bei der Sicherstellung der Demokratie und der demokratischen Grundwerte. "Wir müssen uns noch stärker dafür einsetzen, bestimmte Grundwerte, die aus der Menschenwürde entspringen, aber auch Standards des gesellschaftlichen Miteinanders wie einen respektvollen Umgang stärker zu verteidigen", sagte er kürzlich dem Bonner "General-Anzeiger" auch mit Blick auf die Flüchtlingsfrage. Und zitierte den Zentrumspolitiker und Gegenspieler Bismarcks im Reichstag, Ludwig Windthorst (1812-1891), mit den Worten: "Dies ist nicht die Zeit, die Schlafmütze über den Kopf zu ziehen."
"Europa ist jede Anstrengung wert"
Das wird der in Bad Honnef lebende Theologe sicher auch in Zukunft nicht tun. "Europa ist jede Anstrengung wert", hat er kürzlich nach einer mehr als 800 Kilometer langen Fahrradtour durch sieben europäische Nachbarländer geschrieben. Schon 1996 und 1997 hatte der Vater zweier erwachsener Töchter intensive europäische Erfahrungen gesammelt. Damals organisierte er im Auftrag des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) von Sankt Gallen aus die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung in Graz, an der Vertreter aller christlichen Kirchen Europas teilnahmen.
Mehr Zeit bleibt Vesper aber auch für private Hobbys: die Enkelkinder und die Musik beispielsweise. Vielleicht geht es auch öfter in die Alpen: Im Juli 2016 hat der Generalsekretär schon einmal etwas "ganz anderes" gemacht: Er war für mehrere Wochen "Hüttenwirt" auf der 2.500 Meter hoch gelegenen Hexenseehütte oberhalb von Serfaus/Tirol.