Irische EU-Abgeordnete soll Finanzkommissarin werden

Katholische Agrarökonomin mit Verhandlungsgeschick

Nachdem der irische Finanzkommissar Phil Hogan zurücktreten musste, suchte Kommissionschefin Ursula von der Leyen jemand Neues für den Posten. Nun schickt sie die Irin Mairead McGuinness ins Rennen.

Autor/in:
Franziska Broich
Europaflagge vor dem Europäischen Parlament in Brüssel / © Symbiot (shutterstock)
Europaflagge vor dem Europäischen Parlament in Brüssel / © Symbiot ( shutterstock )

Bei der Nachfolge von Martin Schulz als EU-Parlamentspräsident 2017 war die Irin Mairead McGuinness (61) leer ausgegangen. Doch nun will EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, dass sie den freien Platz in ihrem 26 Köpfe zählenden Kollegium erhält. "Sie bringt bedeutende politische Erfahrung in europäischen Themen mit", begründete von der Leyen ihre Entscheidung am Dienstagmorgen in Brüssel. Am Montag hatte sie die beiden von Irlands Regierung vorgeschlagenen Kandidaten interviewt, McGuinness und Andrew McDowell.

"Eine ihrer Stärken ist, Kompromisse zu finden"​

McGuinness wurde 2004 ins EU-Parlament gewählt; seit 2014 ist sie dessen Vizepräsidentin. Die Irin gilt als hart, aber fair. Sie bringt Verhandlungsgeschick und Ehrgeiz mit. "Eine ihrer Stärken ist, Kompromisse zu finden", sagt der irische Vizepräsident der EU-Bischofskommission COMECE, Bischof Noel Treanor, über sie. Im Parlament war sie vor allem im Landwirtschafts- und Umweltausschuss aktiv und beschäftigte sich mit konstitutionellen Fragen. Nun soll sie das Finanzportfolio in der EU-Kommission übernehmen.

Bevor McGuinness offiziell als Kommissarin benannt werden kann, muss sie sich einer Anhörung im EU-Parlament stellen. Mit ihrer Auswahl kommt von der Leyen ihrem Ziel eines ausgeglichenen Geschlechterverhältnisses in der Kommission näher. Bestätigt das Parlament die Personalie, gäbe es 14 Kommissare und 12 Kommissarinnen - 13 sogar, wenn man von der Leyen mitzählt.

"McGuinness gilt als Vorbild in ihrer Generation, und sie hat viele inspiriert", sagt Bischof Treanor. Die Irin wuchs mit vier Schwestern und drei Brüdern in einem katholischen Elternhaus im County Louth nahe der Grenze zu Nordirland auf. Sie studierte Agrarökonomie am University College Dublin und war 1980 die erste weibliche Absolventin; anschließend studierte sie noch Buchhaltung und Finanzwesen. Von 1980 bis 2004 arbeitete sie als Journalistin für verschiedene Radiosender und Zeitungen.

Zuständig für Dialog mit den Religionsgemeinschaften

Das sie in der Lage ist, auch schwierige Dialoge zu führen und Menschen aus verschiedenen Bereichen zusammenzuführen, stellte sie oft unter Beweis. Viele Interviews habe sie zu den Brexit-Verhandlungen gegeben, erzählt Treanor. "Sie ist besonders gut darin, den Dialog auch mit Menschen zu führen, die einen anderen Standpunkt als sie einnehmen", sagt er.

Das half ihr auch als Vizepräsidentin im EU-Parlament. Dort ist sie seit 2017 für den Dialog mit den Religionsgemeinschaften zuständig. Sie moderierte Paneldiskussionen mit Muslimen, Juden, Katholiken und Atheisten. Es ging um Radikalisierung, künstliche Intelligenz und den ökologischen Wandel. Die Religionsvertreter wollten mehr als ein halbjährliches Treffen, sondern stärker einbezogen werden. McGuinness nahm die Forderung ernst. Sie wollte den Dialog mit den Religionsvertretern gerne so verändern, dass Kirchen und Religionsgemeinschaften strukturierter in Gesetzgebungsprozesse eingebunden werden.

Auf den Glauben verlassen

Religion hat einen festen Platz im Leben von McGuinness. "Meine Mutter hatte einen großen inneren Glauben; den habe ich von ihr geerbt", sagte McGuinness 2017 im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Sie gehe immer noch regelmäßig zur Messe. Als sie mit 17 Jahren zuhause auszog, um in Dublin zu studieren, habe sie sich sehr auf ihren Glauben verlassen. "Ich war noch sehr jung an der Universität, und so fand ich Halt in der Kirche des University College", so die Politikerin. Auch als sie ihr erstes Kind erwartete und erfuhr, dass es Zwillinge werden, habe ihr Glauben ihr geholfen.

Auch Wettbewerbssituationen scheut die Irin nicht. Als es 2017 um die Nachfolge von Schulz als EU-Parlamentspräsident ging, trat sie in der Europäischen Volkspartei als Nachfolgekandidatin an. Damals gewann der Italiener Antonio Tajani. Der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber (CSU) klang etwas wehmütig am Morgen danach. Er hatte die toughe Irin unterstützt. An diesem Dienstag sagte Weber der KNA, McGuinness sei ein "äußerst kompetentes Mitglied des Europäischen Parlaments". Bei den Brexit-Verhandlungen habe sie einen "entscheidenden Beitrag" zum Schutz der europäischen und der irischen Interessen geleistet.


Mairead McGuinness / © Nicolas Armer/picture alliance (dpa)
Mairead McGuinness / © Nicolas Armer/picture alliance ( dpa )
Quelle:
KNA
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