Katholische Arbeitnehmerbewegung kritisiert Migranten-Hetze

Fluchtursachen bekämpfen

An diesem Montag ist der Internationale Tag der Migranten, ausgerufen von den Vereinten Nationen im Jahr 2000. Stefan Eirich, Bundespräses der Katholischen Arbeitnehmerbewegung, warnt vor Populismus und mahnt politische Lösungen an.

Migranten winken von einem Boot um Hilfe / © Karolina Sobel/Sea Watch/AP (dpa)
Migranten winken von einem Boot um Hilfe / © Karolina Sobel/Sea Watch/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Das Leid an den EU-Außengrenzen liegt auch mitten in Europa, sagen Sie als katholischer Sozial- und Berufsverband. Inwiefern?

Lic. theol. Stefan-Bernhard Eirich (privat)
Lic. theol. Stefan-Bernhard Eirich / ( privat )

Stefan Eirich (Bundespräses der Katholische Arbeitnehmerbewegung KAB): Ich hatte die traurige Gelegenheit Ende Oktober in der Nähe von Dünkirchen ein großes, improvisiertes Flüchtlingslager zu besuchen und habe dort mit Aktivisten gesprochen, die sich um die Menschen dort kümmern. Da ist es sehr deutlich geworden. 

Die Menschen kommen in der Hoffnung auf den liberaleren Arbeitsmarkt in England an die Küsten Nord-Frankreichs und hoffen dort verzweifelt auf eine Überfahrt oder eine Fluchtmöglichkeit Richtung England. Das ist lang verschwiegen und taucht kaum noch in den Nachrichten auf, aber es ist ein großes Problem. Es geht hier um 30.000 bs 40.000 Menschen.

DOMRADIO.DE: Was für eine Rolle spielt denn da die Klimakatastrophe, also die fortschreitende Zerstörung der Natur?

Eirich: Sie spielt sicherlich mit hinein. In den Ursprungsländern dieser Menschen ist unter anderem ein Ertrag durch persönliche Arbeit vor Ort nicht mehr möglich, insbesondere im Bereich der Landwirtschaft. Da ist auch die Klimakatastrophe eine Ursache, aber es ist komplexer. 

Stefan Eirich

"Die Klimakatastrophe ist für einige Länder maßgeblich, für andere geht es aber vor allem um politische Rahmenbedingungen."

Die Klimakatastrophe ist für einige Länder maßgeblich, für andere geht es aber vor allem um politische Rahmenbedingungen. Es geht auch darum, dass Länder durch globale Wirtschaftsstrukturen ins Hintertreffen kommen und Menschen dort hoffnungslos werden. 

DOMRADIO.DE: Die AfD hetzt gegen Migranten und heimst sich damit steigende Umfragewerte ein. Wie nehmen sie die Stimmung in Deutschland wahr? 

Stefan Eirich

"In Deutschland haben wir nicht das Problem der Arbeitslosigkeit, sondern der Arbeiter-Losigkeit."

Eirich: Ich nehme das fast schon als bedrohlich wahr. Das ist ein dumpfer Populismus, der sich ausbreitet, der aber nichts mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. In Deutschland haben wir genauso wie in anderen europäischen Ländern nicht das Problem der Arbeitslosigkeit, sondern der Arbeiter-Losigkeit: Bei uns fehlen zu Zehntausenden Menschen auch für einfache Tätigkeiten. 

Die eigentliche Auseinandersetzung mit den Migrationsströmen unserer Zeit müsste darin bestehen, eine entsprechende Politik zu veranstalten, die versucht, das zu steuern und auf unseren Arbeitsmarkt hin auszurichten. 

Was wir erleben, ist das Gegenteil, eine generelle Verteufelung von Menschen. Das ist auch aus Sicht des christlichen Menschenbildes, das wir als KAB und als ganze katholische Kirche haben, nicht hinnehmbar.

DOMRADIO.DE: Sie kritisieren in Ihrer Stellungnahme zum Internationalen Tag der Migration auch das neue CDU-Grundsatzprogramm. Warum?

Stefan Eirich

"Wir sehen hier eher, dass jeder Versuch unternommen wird, ein Angstthema in der Bevölkerung zu bespielen."

Eirich: Weil wir überhaupt keine Verbindung zu den Problemen unseres Arbeitsmarktes erkennen können. Wir sehen hier eher, dass jeder Versuch unternommen wird, ein Angstthema in der Bevölkerung zu bespielen. Aber es wird der Situation nicht gerecht, deshalb kritisieren wir das. 

DOMRADIO.DE: Sie arbeiten als KAB in Deutschland auch mit der Weltbewegung christlicher Arbeitnehmerorganisationen (WBCA) zusammen und solidarisieren sich mit den Arbeitsmigranten und Wanderarbeitern weltweit. Ist Arbeitsmigration ein Problem, das weltweit immer größer wird und möglicherweise auch wichtiger ist als die Arbeitsbedingungen in unserem Land? 

Eirich: Langfristig betrachtet, ja. Ein Problem, das immer mehr Arbeitsmigration befördert, sind die Bedürfnisse der reichen Länder in der nördlichen Hemisphäre. Ich mache ein Beispiel. Sie können sogenannte Südfrüchte in unseren Verbrauchermärkten eigentlich kaum noch kaufen, ohne dass es mit Arbeitsmigration zu tun hat. Sprich: Sie haben in Lateinamerika die entsprechenden Ströme von Menschen, die der Arbeit hinterherziehen. In verschärfter Form haben wir es eben hier mit den Migrantenstrom in Richtung Vereinigte Staaten zu tun.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Katholische Arbeitnehmer-Bewegung

Die Katholische Arbeitnehmer Bewegung ist ein Sozialverband in Deutschland, Österreich und der Schweiz, in dem etwa 125 000 Männer und Frauen bundesweit organisiert sind. Die KAB Deutschlands will die Gestaltung einer gerechten und solidarischen Gesellschaft, in der allen Menschen die gesellschaftliche Teilhabe und Teilnahme ermöglicht wird, so beschreiben sie ihre Aufgabe selbst.

Screenshot: KAB vor Continental-Werk in Aachen / © KAB (KAB)
Screenshot: KAB vor Continental-Werk in Aachen / © KAB ( KAB )
Quelle:
DR