Trotz Kritik von Betroffenen wollen die deutschen katholischen Bischöfe weiterhin an ihrem System für die Anerkennungszahlungen an Missbrauchsopfer festhalten. Die für die Höhe der Zahlungen zuständige Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung (UKA) orientiere sich an gerichtlichen Schmerzensgeldern.
Widerspruchsmöglichkeiten für Betroffene gegen eine UKA-Entscheidung seien nachgebessert worden, erklärte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, am Donnerstag.
Der Limburger Bischof sagte, dass es auch zu Anpassungen der Zahlungen kommen könne. "Da es immer wieder Diskussionen zum Verfahren gibt, sage ich an dieser Stelle noch einmal: Es versteht sich als 'atmendes System', das auf aktuelle Rechtsprechung reagiert."
Bätzing: Leistungen können Leid nicht gutmachen
Der Bischofskonferenz-Vorsitzende betonte, dass das UKA-Verfahren für Betroffene einen niederschwelligen Weg zur Anerkennung biete. Das UKA-System solle denen entgegenkommen, die keine zivilrechtlichen Klagen gegen die Kirche führen wollten. Gleichzeitig räumte er aber auch ein, dass es eine "gefühlte Abhängigkeit der Betroffenen von einem Gremium gibt, das sie persönlich nicht kennen".
"Die Leistungen werden das Leid der Betroffenen nie gutmachen können. Jegliche Begründung bleibt unzureichend", so Bätzing. Der Limburger Bischof äußerte sich zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe im Kloster Steinfeld in der Eifel.
Die UKA wurde von der Bischofskonferenz als Reaktion auf die Fälle sexuellen Missbrauchs zum 1. Januar 2021 eingerichtet. Sie hat die Aufgabe, darüber zu entscheiden, wie viel Geld Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche in Anerkennung des ihnen zugefügten Leids erhalten.
Dazu nimmt sie Anträge der Betroffenen über die jeweiligen Ansprechpersonen der Bistümer oder Ordensgemeinschaften entgegen, legt eine Leistungshöhe fest und weist die Auszahlung an Betroffene an. Das Gremium hat derzeit zehn Mitglieder; Vorsitzende ist die Juristin Margarete Reske, ehemals Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Köln. Ihren Jahresbericht für das vergangene Jahr wird die UKA laut Bätzing in den kommenden Wochen vorlegen.
Katholische Bischöfe: Grundrecht auf Asyl muss bleiben
Weiter ruft die Deutsche Bischofskonferenz dazu auf, die Polarisierungen in der Migrationsdebatte zu überwinden. Wer Probleme lösen wolle, müsse immer die fundamentalen Grundsätze des Gemeinwesens berücksichtigen, sagte der Vorsitzende Georg Bätzing: "Dazu gehören das Grundrecht auf Asyl und ein menschenwürdiger Umgang mit jedem, der in unserem Land Zuflucht sucht."
Zudem dürfe nicht vergessen werden, dass der im Grundgesetz verankerte Schutz der Familie auch Flüchtlingsfamilien einschließe, fügte der Limburger Bischof hinzu. Die Bischöfe seien weiterhin davon überzeugt, dass in Fragen von Migration und Flucht gemeinsame Antworten auf Ebene der Europäischen Union einen hohen Wert hätten.
Aktuell wäre es aber verfrüht, die migrationspolitischen Pläne und Vereinbarungen der künftigen Koalitionäre in Deutschland im Einzelnen zu bewerten, so Bätzíng weiter.
"Mehr Unterstützung für Kommunen"
Der Bischof forderte größere Anstrengungen überall dort, wo Integrationsprozesse zu misslingen drohen. So brauche es etwa eine wirksamere Unterstützung von Kommunen, denen die Aufnahme von Geflüchteten viel abverlange.
Ebenso steht nach Worten des Vorsitzenden der Bischofskonferenz außer Frage, dass alle Formen des Extremismus in Deutschland bekämpft werden müssten: "Dies schließt neben dem Rechtsextremismus ebenso den Islamismus ein, die beide auch gewalttätige Formen annehmen."
Rückkehr von Geflüchteten
Bei den Gesprächen über die Lage im Nahen und Mittleren Osten bei dieser Vollversammlung hat sich laut Bätzing noch einmal sehr deutlich gezeigt, dass eine Rückkehr von Geflüchteten in ihre Herkunftsländer erst dann wirklich verantwortbar sei, wenn sie dort in Sicherheit und Würde leben können: "Deshalb halten wir eine Reduktion internationaler Hilfen für Krisengebiete, wie sie die neue US-amerikanische Regierung gerade forciert und wie sie auch andernorts diskutiert wird, für den falschen Weg."
Bischöfe mahnen Union und SPD: Schnell eine Regierung bilden
Zum Start der Koalitionsverhandlungen haben die katholischen Bischöfe in Deutschland an die demokratischen Parteien appelliert, sich ihrer Verantwortung für die Zukunft der Gesellschaft bewusst zu sein und jetzt zu handeln.
Es sei "ein gutes Zeichen für unsere lebendige Demokratie", dass die Koalitionsverhandlungen so schnell begonnen hätten, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, in Kloster Steinfeld bei Aachen weiter. "Wir hoffen, dass nun zügig eine stabile Regierung gebildet wird, die die Probleme anpackt."
Kompromissbereitschaft gefordert
Die demokratischen Kräfte müssten jetzt zusammenarbeiten, konstruktiv um gerechte Lösungen ringen und zu Kompromissen bereit sein, mahnte Bätzing. "Deutschland muss dabei in einem demokratischen Europa eingebunden sein, als rechtsstaatliches, freiheitliches, weltoffenes und solidarisches Land. Extremistische Kräfte und solche, die trotz des völkerrechtswidrigen Angriffs auf die Ukraine mit Putin sympathisieren, dürfen nicht den Ton angeben." Gerade angesichts der internationalen Situation wünsche er sich sehr, dass Europa gestärkt werde, betonte der Limburger Bischof.
Union und SPD hatten am Donnerstag ihre Koalitionsverhandlungen begonnen. Sie streben eine Einigung in weniger als zwei Wochen bis spätestens 24. März an. Grundlage für die Verhandlungen ist eine elfseitige Vereinbarung, die von den Parteien nach mehreren Sondierungsgesprächen vorgestellt worden war.
Fehler der Kirchen eingeräumt
Mit Blick auf Wahlerfolge der AfD auch in katholischen Kreisen räumte der Bischof selbstkritisch ein, auch die Kirchen hätten offenbar Probleme nicht ernst genommen, die viele Menschen umtrieben. Er bekräftigte noch einmal die von der Bischofskonferenz im Februar 2024 verabschiedete Erklärung "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar". Diese Erklärung gegen jede Form nationalistischer Tendenzen in Deutschland habe nichts an Aktualität verloren und sei heute wichtiger denn je, so Bätzing. "Völkischer Nationalismus darf keinen Platz in unserer Gesellschaft haben und schon gar nicht in der Kirche."
Der Konferenzvorsitzende betonte zugleich, dass Demokraten und auch Kirchenvertreter mit Wählern der AfD ins Gespräch kommen müssten, um deren Beweggründe zu verstehen und um für eigene Positionen zu werben. "Die Demokratie rettet man nicht durch Ausgrenzung, sondern durch Debatte." Der Kampf gegen die rechten und linken politischen Ränder und Populismen sei kein Kampf gegen Menschen, sondern gegen Ideologien. "Völkischer Nationalismus ist mit dem Christentum nicht vereinbar, aber da braucht es Argumente, die wir versuchen, immer wieder ins Feld zu führen."
Bischöfe wollen sich weiter einmischen
Bätzing räumte ein, dass auch die Kirche lernen müsse, Kontroversen und Streit auszuhalten. "Wir spüren das ja gerade beim Thema Migration, bei dem es nicht nur die eine Lösung gibt." Bischöfe und Kirchen wollten sich in politischen Debatten weiter äußern und Stellung beziehen. "Aber daneben stehen die Kompetenz, Autonomie und die eigene Professionalität der Politikerinnen und Politiker, die wir nicht beschneiden. Es soll nicht der Eindruck entstehen, wir würden Meinungspluralität verhindern wollen."
Im Wahlkampf hatten Kirchenvertreter die Unionsparteien kritisiert, insbesondere im Zuge der Brandmauerdebatte um die von der Union eingebrachten Anträge zur Migrationsbegrenzung, die von FDP und AfD unterstützt worden waren. Dafür waren sie aus den Reihen der Union heftig kritisiert worden.
Die Bischöfe hatten sich seit Montag zu ihrer Frühjahrsvollversammlung im Kloster Steinfeld in der Eifel getroffen. Die rund 60 Bischöfe und Weihbischöfe aus den 27 deutschen Bistümern befassten sich auch mit den Ergebnissen der Weltsynode in Rom im vergangenen Oktober und mit der Lage im Nahen Osten. Gast war der syrisch-katholische Erzbischof von Homs, Jacques Mourad.
Katholische Bischöfe kritisieren Trumps Ukraine-Politik
Die katholischen Bischöfe in Deutschland kritisieren scharf die Außenpolitik von US-Präsident Donald Trump und sein Vorgehen in Bezug auf den Ukraine-Krieg. Ein Weg zu politischen Verhandlungen und einem Waffenstillstand sei zwar zu begrüßen, sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, am Donnerstag weiter. Es sei aber "ein Skandal", wenn die Ukraine der Macht des Aggressors Russland preisgegeben werde. Die Annäherung Trumps an Russlands Präsident Wladimir Putin sei "unverantwortlich".
Laut Bätzing ist es nicht akzeptabel, wenn die USA die militärische und zivile Hilfe für die angegriffene Ukraine dazu zu benutzten, dem Land den eigenen Willen rücksichtslos aufzuzwingen oder den Zugang zu Rohstoffen zu erpressen. Derzeit werde eine Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Russland angebahnt, ohne dass die russische Regierung irgendein Zeichen des Einlenkens oder des echten Friedenswillens gezeigt hätte.
"Diktatfrieden gefährdet Europa"
"Es ist nicht zu erkennen, wie eine solche Politik zur Grundlage eines verlässlichen und gerechten Friedens in Osteuropa werden könnte", so der Vorsitzende zum Abschluss der Frühjahrsberatungen der Bischöfe. Ein kurzfristiger Friedensschluss mit Russland bedeute keinen langfristigen Frieden in Europa, wenn es keine belastbaren Sicherheitsgarantien für die Ukraine gebe. Ein "Diktatfrieden" würde die Gefahren für die Stabilität auf dem gesamten europäischen Kontinent eher erhöhen.
Die Signale der amerikanischen Regierung an die Bündnispartner in Europa haben laut Bätzing den begründeten Eindruck aufkommen lassen, dass man bei der Abwehr einer auswärtigen Aggression künftig auf sich allein gestellt sein könnte. In hohem Maße beunruhigend sei auch die Abkehr der USA von internationalen Ordnungsstrukturen und das in einem völlig unerwarteten Tempo. Als den "grundverkehrten Weg" nannte er es, dass die neue US-Regierung die Mitgliedschaft des Landes in mehreren UN-Organisationen aufgekündigt hat. Dies wirke sich negativ auf die Hilfen in Kriegsgebieten, die Entwicklungshilfe oder Gesundheitsdienste aus. Zu kritisieren sei auch der Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen.
Bätzing bekundete auch Besorgnis darüber, dass durch die USA die Handelspolitik radikal umgekrempelt und mithilfe von drastischen Zöllen nur auf amerikanische Interessen zugeschnitten werde. "Das internationale Freihandelssystem droht damit in die Brüche zu gehen."
Streit um kirchliche Kritik an Union beendet
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz sieht den innerkirchlichen Streit um Kritik an der Migrationspolitik der Union derweil als beendet an. Die Stellungnahme der beiden Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche in der Berliner Bundespolitik sei in ihrem Anschreiben "nicht sensibel genug" formuliert gewesen, sagte der Limburger Bischof Georg Bätzing am Donnerstag im Kloster Steinfeld. Inhaltlich entspreche die Stellungnahme aber der Position der katholischen Bischöfe zur Migrationspolitik.
Bätzing verwies darauf, dass es Aufgabe des Katholischen Büros in Berlin sei, zu Gesetzesvorhaben der Bundespolitik Stellung zu beziehen. Die kurz vor der Bundestagswahl veröffentlichte Stellungnahme gegen eine schärfere Migrationspolitik der Union sei in einer aufgewühlten Situation und unter großem Druck entstanden. Das dazu versendete Begleitschreiben sei "mit heißer Nadel" formuliert worden. Das habe auch der Leiter des Katholischen Büros, Karl Jüsten, bei der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe in Kall-Steinfeld (Nordrhein-Westfalen) eingeräumt.
Streit um Zustimmung der AfD
Jüsten und die evangelische Prälatin Anne Gidion hatten sich am 28. Januar per Mail gegen einen Entschließungsantrag der Unionsparteien zur Verschärfung der Migrationspolitik gewandt. Sie warfen CDU und CSU kurz vor der Bundestagsabstimmung vor, ihr Vorgehen sei dazu geeignet, "alle in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten zu diffamieren, Vorurteile zu schüren" und "nicht zur Lösung der tatsächlich bestehenden Fragen" beizutragen. Zudem kritisierten sie, dass Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) bereit sei, die Hilfe der AfD in Kauf zu nehmen.
Der Entschließungsantrag der Union war letztlich mit Stimmen der AfD verabschiedet worden. Ein entsprechender Gesetzentwurf scheiterte wenige Tage später an fehlender Zustimmung auch von Parlamentariern aus den Reihen von Union und FDP. Innerkirchlich hatte die Stellungnahme Jüstens und Gidions für Debatten gesorgt. Einige Bischöfe hatten sich distanziert, andere signalisierten Zustimmung.
Ausmaß des Cyberangriffs auf Bischofskonferenz weiter unklar
Auch einen Monat nach dem Cyberangriff auf das Sekretariat der katholischen Deutschen Bischofskonferenz in Bonn ist das Ausmaß der Schäden noch unklar. Es werde weiter untersucht, ob die Täter sensible personenbezogene Daten erbeuteten, teilte die Generalsekretärin der Bischofskonferenz, Beate Gilles, am Donnerstag im nordrhein-westfälischen Kall mit. Bisher seien keine vertraulichen Daten aus dem Angriff im Netz aufgetaucht.
Zum Datenbestand der Bischofskonferenz gehören auch Anträge von Missbrauchsbetroffenen auf Anerkennungsleistungen. Zuständig ist die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung (UKA). Sie wurde von den Bischöfen als Reaktion auf die Fälle sexuellen Missbrauchs eingerichtet.
Zu dem Angriff vom 10. Februar hatte sich eine Gruppierung bekannt, die der organisierten Kriminalität zugerechnet wird. In den folgenden Wochen kämpfte das Sekretariat mit erheblichen IT-Problemen. Das Sekretariat unterstützt und koordiniert die Aktivitäten und Aufgaben, die die 27 katholischen Bistümer in Deutschland gemeinsam wahrnehmen.