Katholische Elternschaft kritisiert Notenstress beim Zeugnis

"Eltern sind nicht ganz unschuldig"

Über zwei Millionen Halbjahreszeugnisse wurden an diesem Freitag in Nordrhein-Westfalen vergeben. Andrea Honecker von der katholischen Elternschaft Deutschland ruft dazu auf, die Kinder nicht zu arg unter Druck zu setzen.

Autor/in:
Elena Hong
Symbolbild Zeugnis / © Guido Kirchner (dpa)
Symbolbild Zeugnis / © Guido Kirchner ( dpa )

DOMRADIO.DE: Ein Halbjahreszeugnis ist vielleicht nicht so wichtig wie das Zeugnis am Schuljahresende. Aber es gibt Aufschluss darüber, in welchen Fächern Leistungen verbessert werden können. Für wie wichtig halten Sie dieses Halbjahreszeugnis? 

Andrea Honecker / © KED (privat)
Andrea Honecker / © KED ( privat )

Andrea Honecker (Vorsitzende der Katholischen Elternschaft Deutschlands beim Landesverband NRW): Das Halbjahreszeugnis soll den Schülerinnen und Schülern und den Eltern, die manchmal nicht so intensiv mitbekommen, wie die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in der Schule sind, zeigen, ob es irgendwo dringenden Verbesserungsbedarf gibt.

Es soll auch darauf hinweisen, an welchen Punkten es schon gut läuft und wo man vielleicht noch mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam daran arbeiten kann. Das ist ganz wichtig. 

Andrea Honecker

"Manchmal entsteht leider ein arger Notenstress. Daran sind die Eltern nicht ganz unschuldig. Das ist vollkommen unnötig".

Aber man soll es nicht zu schwer nehmen. Manchmal entsteht leider ein arger Notenstress. Daran sind die Eltern nicht ganz unschuldig.

Das ist vollkommen unnötig, denn in den allermeisten Fällen taucht dieses Halbjahreszeugnis nirgendwo wieder auf. Das tut es nur in ganz bestimmten Klassenstufen, wo es noch eine Rolle spielt. Ansonsten ist es eigentlich eine Rückmeldung an die Schülerinnen und Schüler.

DOMRADIO.DE: Damit die Kinder und Jugendlichen gute Bedingungen zum Lernen haben, hat NRW-Bildungsministerin Dorothee Feller die Unterrichtsversorgung verbessert, sagt sie. Erste Erfolge seien sichtbar, zum Beispiel in der Personalausstattung. Für mehr Lehrer hatte sich auch die katholische Elternschaft Deutschlands eingesetzt. Sehen Sie diese Verbesserungen?

Honecker: Ja, in der Tat haben wir Rückmeldungen bekommen, dass die Lehrerversorgung an manchen Schulstandorten, insbesondere in den weiterführenden Schulen und da ganz besonders bei den Gymnasien, im Moment besser aussieht als zuvor. Allerdings ist die Personaldecke immer noch so dünn, sodass, sobald eine Krankheitswelle über die Schule rollt, sehr viel Unterricht ausfällt. 

Es ist immer noch ein Riesenproblem an den vielen Grundschulen unseres Landes und auch an den Schule der Sekundarstufe 1, dass dort Lehrkräfte fehlen und die immer unter einer Mangelverwaltung arbeiten.

Jetzt wird es in Zukunft ein Vorgriffstellen-Programm geben, das Lehrerinnen und Lehrer zumindest für die nächsten Jahre in die Grundschulen entsenden soll. Wir hoffen sehr, dass da eine Verbesserung eintritt. Aber es ist ganz wichtig, da dran zu bleiben und zu schauen, dass wir die Schülerinnen und Schüler nicht alleine stehen lassen und damit auch angemessene Lern- und Gruppengrößen erreichen können.

DOMRADIO.DE: Wenn man auf die letzte PISA-Studie schaut, kamen die Schulen in Deutschland nicht so gut weg. Die deutschen Schülerinnen und Schüler waren dabei knapp über OECD- oder im OECD-Durchschnitt. Bei dieser Studie hatte man das Gefühl, je nachdem wen man fragt, bekommt man ganz unterschiedliche Einschätzungen. Wie blicken Sie darauf? 

Honecker: Man kann die PISA-Studie natürlich unter verschiedenen Kriterien bewerten. Es gibt aber auch andere Vergleichsstudien, wie zum Beispiel VERA, die gerade wieder ansteht. Immer ist oder zeigt sich das Problem, dass insbesondere Schülerinnen und Schüler, die zu Hause nicht die Unterstützung von Eltern bekommen oder die aus einem anderen sprachlichen Hintergrund kommen, ganz dringend die Förderung durch die Schule brauchen.  Das darf man nicht außer Acht lassen. 

Andrea Honecker

"Sprachförderung ist also das A und O."

Egal wie man PISA bewertet, wir müssen in unserer Bildungslandschaft für mehr Chancengleichheit sorgen. Dafür ist dann eine möglichst individuelle Förderung sehr wichtig, für die wir viele gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer und auch Sozialpädagogen und anderes Personal brauchen werden.

Ein Punkt, der bei der PISA-Studie immer wieder auffällt, ist, dass Sprache sehr hoch bewertet wird. In allen Fächern spielt die Kenntnis und die intensive und gute Grundkenntnis der deutschen Sprache eine wichtige Rolle. 

Sprachförderung ist also das A und O. In der Corona-Zeit ist da leider manches vernachlässigt worden, was jetzt aufgeholt werden muss. Das macht es unseren Kindern und Jugendlichen im Moment besonders schwer, bei solchen Studien gut abzuschneiden. Aber da müssen wir als Erwachsene schulorganisatorisch und in der Politik, dringend etwas dran tun.

DOMRADIO.DE: Wie sollten Eltern damit umgehen, wenn die Zeugnis-Ergebnisse nun nicht ganz so sind wie gewünscht?

Honecker: Erst mal Ruhe bewahren. Es ist in aller Regel ein recht unwichtiges Halbjahreszeugnis. Dann sollten Sie im Detail mit den Kindern darauf schauen, in welchen Fächern es Verbesserungen bedarf, wo vielleicht auch gemeinsam daran gearbeitet werden kann, wo man sich Beratung holen oder schauen kann, dass da irgendwie etwas intensiver in dem einen oder anderen Fach gearbeitet wird. 

Wenn es wirklich ganz arg läuft, sollte man mit den Lehrern das Gespräch suchen. Es gibt bald wieder Elternsprechtage, bei denen man sich erkundigen kann. Vielleicht kann man auch mit anderen Familien sprechen, Lern-Patenschaften oder Lerngemeinschaften gründen. Ganz notfalls gibt es auch Beratungsstellen, an die man sich wenden kann, wenn man glaubt, dass man mit dem Problem allein nicht klarkommt. 

Andrea Honecker

"Dein Kind ist wertvoll und das hat mit den Schulnoten überhaupt gar nichts zu tun."

Aber Eltern sollten auch niemals außer Acht lassen, dass die Noten auf dem Zeugnis überhaupt nichts über die Liebe zu ihrem Kind aussagt und über die Wertigkeit des Kindes. Man muss beides immer trennen. Das finde ich sehr wichtig, auch Eltern immer wieder zu sagen. Dein Kind ist wertvoll und das hat mit den Schulnoten überhaupt gar nichts zu tun. Und das musst du deinem Kind auch vermitteln.

Das Interview führte Elena Hong. 

Katholische Elternschaft Deutschlands

Die KED ist ein Zusammenschluss von katholischen Eltern und Interessierten. Der Bundesverband setzt sich auf der Basis seines christlichen Menschenbildes für eine chancengerechte, ganzheitliche und wertorientierte Bildung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen ein. Im Zentrum der KED-Arbeit stehen alle Bildungseinrichtungen in katholischer und öffentlicher Trägerschaft, von den Kindertageseinrichtungen bis zu den Schulen. 2014 feierte die Katholische Elternschaft Deutschlands ihr 60-jähriges Bestehen.

(Quelle: www.katholische-elternschaft.de)

Eltern mit Kinderwagen / © LightField Studios (shutterstock)
Eltern mit Kinderwagen / © LightField Studios ( shutterstock )

 

Quelle:
DR