DOMRADIO.DE: Rund 850 Kinder werden im Sommer die neuen fünften Klassen an den sieben weiterführenden katholischen Schulen im Bistum Essen besuchen. Das ist noch einmal ein Plus von fünf Prozent im Vergleich zum letzten Sommer. Was ist das Erfolgsgeheimnis?
Judith Wolf (Leiterin des Ressorts Kulturentwicklung im Bistum Essen): Ich bin davon überzeugt, dass das Erfolgsgeheimnis ist, dass unsere Schulen einfach wirklich vielfältige Orte sind. Dass wir Schülerinnen und Schüler, Familien mit vielfältigen Lebensentwürfen und unterschiedlichen Herkünften und Religionen haben. Das passt ins Ruhrgebiet. Das passt zu uns als Ruhrbistum, in dem "vielfältig" ein wichtiges Stichwort ist.
DOMRADIO.DE: Was schätzen die Eltern an den katholischen, weiterführenden Schulen? Die Eltern sind ja dann zunächst mal die ersten Ansprechpartner.
Wolf: Da gibt es ein paar Dinge, die sehr schnell klar werden. Die Eltern wollen einen guten Unterricht, dafür sind unsere Schulen bekannt. Die Eltern wollen, dass es viel Engagement gibt für Kinder und Jugendliche. Das geht von musikalischem Engagement, bis hin zum Engagement für Vielfalt, gegen Diskriminierung oder Rassismus und für Demokratie. Unsere Schulen sind Orte, die in Ordnung sind. Wir haben keine goldenen Wasserhähne. Es sind aber Räumlichkeiten, in denen sich Kinder und Jugendliche wohlfühlen können. Das ist für Schulen nicht selbstverständlich.
Ich denke, mittlerweile ist angekommen, dass wir viel für Prävention tun. Nicht nur, was sexuelle Grenzüberschreitungen angeht, sondern auch bezüglich Gewaltprävention und Extremismusprävention. Eigentlich ist es gegen den Trend, dass sich so viele Schüler und Schülerinnen in unseren Schulen anmelden. Wenn man auf die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung im letzten Jahr geschaut hat, hat sich ergeben, dass 56 Prozent der Deutschen vor allem säkular sind. Sie haben keinen Bezug mehr zum Glauben. Nur noch 13 Prozent sind im engeren Sinne kirchlich religiös.
Ich glaube aber, dass unsere Schulen etwas haben, was Eltern trotzdem erwarten und dass sie der Kirche zuschreiben. Dass christliche Werte in der Erziehung noch immer eine große Rolle spielen. Das schätzen Eltern. Wir tun in unseren Schulen viel dafür, dass Schüler, Lehrer, manchmal auch Eltern die Möglichkeit haben, über Werte und Haltungen ins Gespräch zu kommen, dabei voneinander zu lernen und Haltung weiterzuentwickeln. Wir tun auch viel dafür, dass unsere Schulen Möglichkeiten bieten, auf sehr unkonventionelle Weise mit Glauben in Kontakt zu kommen. Wir wollen einen Austausch initiieren über all das, was über das hinausgeht, was man sehen, fühlen, beweisen kann. Da geht es selten um Gewissheiten und klare Formeln. Schüler, Lehrer und auch Schulleitung sind gemeinsam unterwegs und suchen neue Formen und neue Inhalte. Dafür brauchen Schulen viel Freiheit.
DOMRADIO.DE: Neue Formen und neue Inhalte. Was heißt das konkret in ihrem Bistum?
Wolf: Es heißt zum Beispiel: Gottesdienste gibt es nicht mehr in dem Sinne, dass man in die Kirche geht. Sondern, dass sich wirklich eine Klasse überlegt: Wie können wir für uns ausdrücken, was Glaube für uns bedeutet? Wir haben eine große Offenheit, wie das alles funktionieren kann. Das ist auch nicht in jeder Schule gleich. Das ist in allen sieben Schulen anders. Diese wirkliche Offenheit dafür, was sich entwickelt, motiviert unsere Schulleitung und Lehrenden. Das nimmt die Schüler sehr gut mit.
DOMRADIO.DE: Mehr Nachfrage, mehr Schüler. Das heißt natürlich auch mehr fünfte Klassen im kommenden Sommer. Das heißt wiederum: Sie brauchen mehr Platz. Haben Sie denn genügend Kapazitäten?
Wolf: Wir können das machen, wir haben diese Kapazitäten. Das heißt aber nicht, wenn wir es einmal gemacht haben, dass wir es jedes Jahr machen könnten. Um es jetzt einmalig zu tun, geht es. Es gibt in diesem Jahr sehr viele Schülerinnen und Schüler, vor allem in Essen, die in die weiterführende Schule wechseln. Da ist es auch ein Ausdruck der Solidarität mit der Stadt Essen, wenn wir nun unsere Kapazität erhöhen, um möglichst vielen Schülern auch einen guten Schulplatz bieten zu können.
DOMRADIO.DE: Es gibt Lehrermangel, auch an katholischen Gymnasien. Die Prognosen waren nicht immer gut. Wie sieht es aktuell bei Ihnen aus?
Wolf: Lehrermangel ist im Moment bei uns kein großes Problem. Wir haben viele Stellen, die wir sehr gut besetzt kriegen, auch mit Initiativbewerbungen, mit Referendarinnen und Referendaren, die gerne bleiben möchten. Es kann schon einmal ein Problem geben, wenn eine ganz bestimmte Fächerkombination gesucht wird. Aber in der Regel kriegen wir unsere Stellen noch wirklich gut besetzt. Die Referendare, die bleiben, sagen: Hier ist es gut, hier ist ein guter Geist, hier möchte ich bleiben.
DOMRADIO.DE: Was müssen Sie tun, damit die katholischen Gymnasien auch weiter auf dieses enorme Interesse bei Eltern und eben auch Schülerinnen und Schülern stoßen?
Wolf: Als Schulträger müssen wir vor allem Ermöglicher sein für unsere Schulen. Wir müssen Mittel zur Verfügung stellen, das ist klar. Aber wir müssen vor allem mit viel Vertrauen die Dinge sich vor Ort entwickeln lassen. Unsere Schulen sind so wichtige Orte, an denen wir mit Menschen über Werte und Überzeugungen ins Gespräch kommen können. Ich finde, dass wir den engagierten Menschen vor Ort diese Wertschätzung auch zeigen müssen. Vor allem müssen wir Ermöglicher sein und nicht Kontrollierer. Das halte ich für das Erfolgsgeheimnis unserer Schulen.
Das Interview führte Carsten Döpp.