Andrea Nahles hat politisches Engagement in der katholischen Jugendarbeit erlernt. Die neue CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sagt, in ihrer Familie sei kirchliches Engagement selbstverständlich gewesen - "eben, dass man Messdiener war, dass man im Kirchenchor war, in der katholischen Jugend, bei den Sternsingern mitgemacht hat". Und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat nach eigenem Bekunden in katholischen Jugendgruppen "mehr gelernt als nachher im Studium".
Solche Geschichten gibt es viele: Über Jahrzehnte war die katholische Jugendarbeit ein Reservoir für gesellschaftliches und politisches Engagement. Doch das ist nicht mehr selbstverständlich: "Eine große Anzahl Jugendlicher in unserem Land erbittet (...) einfach nichts von der Kirche." So offen steht es in einer im November veröffentlichten Antwort der Deutschen Bischofskonferenz auf einen Fragebogen aus dem Vatikan. Die Meinung der Kirche sei für diese Gruppe "von keinerlei Interesse". Zugleich allerdings verweisen die Bischöfe auch auf zahlreiche gelungene Initiativen kirchlicher Jugendarbeit. Noch immer gebe es auch viele Jugendliche, die weiterhin von der Kirche "Wertvorstellungen und Sinnangebote, Authentizität und Lebensrelevanz" erhofften.
Franziskus hofft auf frischen Wind
Eine insgesamt eher ernüchternde Botschaft an Papst Franziskus, der wissen will, wie Jugendliche ticken. Im Herbst wird es erstmals in Rom eine Weltbischofssynode geben, die die Jugend in den Mittelpunkt stellt. Franziskus hofft auf frischen Wind: "Die Kirche möchte auf Eure Stimme hören, auf Eure Sensibilität, auf Euren Glauben, ja auch auf Eure Zweifel und Eure Kritik", schrieb er.
Kirche und Jugend - ein schwieriges Kapitel. Insbesondere viele modernere Jugendliche fänden die Kirche nicht cool, haben Wissenschaftler des Heidelberger Sinus-Instituts in mehreren Studien im vergangenen Jahrzehnt festgestellt. Zwar gebe es eine große Sehnsucht nach Spiritualität und Sinn. Dabei aber spielten Kirche und feste Glaubenssätze kaum noch eine Rolle. Das gelte insbesondere für die Sexuallehre.
Dabei ist die katholische Jugendarbeit in Deutschland immer noch gut aufgestellt. Von der Landjugend über die Schützenjugend bis zu den Pfadfindern: In 17 bundesweiten Verbänden engagieren sich mehr als 660.000 Kinder und Jugendliche. Mädchen und Jungen zu kritischem Urteil und eigenständigem Handeln aus christlicher Verantwortung zu befähigen, so lautet das Ziel, das der Dachverband "Bund der Deutschen Katholischen Jugend" (BDKJ) formuliert. Dazu gehört der Einsatz für eine solidarische Welt, etwa in der Sternsingeraktion, der Förderung Freiwilliger Sozialer Jahre oder die 72-Stunden-Aktion, bei der zuletzt 170.000 Jungen und Mädchen Kinderspielplätze bauten, Seniorenheime besuchten oder Straßenfeste organisierten.
Jugendbischof Oster im Gespräch
Die Jugendverbände sind aber noch nicht alles: In vielen Gemeinden gibt es Jugendgruppen, die sich keinem Verband angeschlossen haben. 360.000 Jungen und Mädchen engagieren sich als Messdiener. Und darüber hinaus bestehen Gemeinschaften, die eine vor allem spirituelle Ausrichtung haben, etwa die Initiative Pontifex oder Zusammenschlüsse junger Erwachsener in der Gemeinschaft Christlichen Lebens.
Frömmigkeit und gesellschaftliches Engagement: Zwischen diesen Polen bewegt sich katholische Jugendarbeit. Dabei gibt es durchaus Spannungen. Im vergangenen Mai hielt Jugendbischof Stefan Oster den Jugendverbänden vor, sie verträten eine "Lightversion des Evangeliums". Einerseits lobte er ihren Einsatz für Flüchtlinge und gegen Rassismus. Doch andererseits: "Wir sind nicht zuerst Politik, wir sind zuerst Kirche", betonte er. Viel zu wenig sprächen die Verbände von Jesus Christus. Eine Kritik, die heftigen Widerspruch erntete.
Oster und Vertreter der BDKJ sind darüber weiter im Gespräch. Bei der Feier zum 70-jährigen Bestehen des BDKJ im November wählte der Passauer Bischof versöhnliche Worte: Die verschiedenen Formen kirchlicher Jugendarbeit erreichten "mit ihrem je eigenen Profil unterschiedliche und zum Teil auch nicht-gläubige Jugendliche", sagte er. "Diesen Schatz werden wir mit nach Rom tragen." Die BDKJ-Bundesvorsitzende Katharina Norpoth versprach: "Wir werden auch in Zukunft laut sein."