Katholische Kirche dankt Bundespräsident Gauck für sein Wirken

Ruhestand in Sicht

Als würdigen Vertreter Deutschlands lobt die katholische Kirche Bundespräsident Gauck nach seinem Verzicht auf eine zweite Amtszeit. Immer wieder sei Gauck für Demokratie und Toleranz eingetreten, betont Prälat Karl Jüsten.

Bundespräsident Gauck / © Wolfgang Kumm (dpa)
Bundespräsident Gauck / © Wolfgang Kumm ( dpa )

domradio.de: Hat Sie die Entscheidung von Joachim Gauck überrascht?

Prälat Dr. Karl Jüsten (Leiter des katholischen Büros in Berlin): Wenn man einen Mensch etwas besser kennt, dann deutet man Signale. Ich hatte das Signal schon so verstanden, dass er bei einer Wiederwahl mit 76 schon ein Alter hätte, mit dem er auch in den Ruhestand treten kann. Es ist ja übrigens auch ein Alter, mit dem Bischöfe in Ruhestand treten. Wenn Sie Kardinal sind, dann dürfen Sie auch 80 sein, aber dann spürt man, dass die Kräfte auch nachlassen oder dass ein Risiko besteht, dass man kränker wird. Deshalb ist das klug.

An dieser Stelle gilt erst einmal mein Dank, dass er so viele Jahre als Bundespräsident gewirkt hat.

domradio.de: Mit Joachim Gauck als ehemaligen evangelischen Pfarrer haben christliche Werte und Anschauungen einen besonderen Stellenwert. Was hat Gauck aus christlicher Sicht für "Marker" gesetzt?

Prälat Jüsten: Er war vor allen Dingen ein guter Zuhörer. Er hat sich auf die Menschen eingelassen und er war wirklich ein Bundespräsident für alle Deutschen. Er ist zwar evangelischer Pfarrer, aber er war genauso für uns Katholiken da, für die Muslime und für die vielen Menschen, die gar nicht glauben können. Das ist schon mal eine große Leistung. Das zeichnet vielleicht auch den Christenmenschen aus, der aus seiner inneren Haltung des Glaubens heraus tolerant sein kann, auch gegenüber den Andersgläubigen und aus dieser Haltung heraus auch offen sein kann für Andere. Diese Offenheit war vielleicht seine größte Stärke.

Ich war mit ihm in China, wie er da für Menschenrechte eingetreten ist, wie er da für grundlegende Werte der  Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Demokratie eingetreten ist, das war schon großartig! Da konnten wir Deutschen uns gut vertreten fühlen.

domradio.de: Wie wichtig wäre es, dass auch der oder die nächste Kandidatin für das Amt christliche Werte vertritt?

Prälat Jüsten: Christliche Werte wären schon sehr schön. Mir fallen da auch schon ein paar Namen ein, die geeignet wären, aber wer es wird und wer Aussichten hat, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich fände es klasse, wenn es mal eine Frau werden würde und wenn die dann katholisch oder evangelisch ist, dann würde mich das auch besonders freuen.

domradio.de: Der Zeitpunkt von Bundespräsident Gauck, seinen "Nicht-Wieder-Antritt" zu erklären, gilt als problematisch. Denn der nächste Bundespräsident wird im Februar 2017 gewählt. Ein halbes Jahr später, im Herbst, ist dann Bundestagswahl. Es gilt als unwahrscheinlich, dass sich Union und SPD vor der Bundestagswahl auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen können. Hätte Gauck aufgrund dieser Lage, nicht lieber sagen sollen, ich mach’s noch einmal und dann innerhalb der Amtszeit seinen Rücktritt erklären können?

Prälat Jüsten: Nein. Es war genauso schwierig vor fünf Jahren und so ist es immer schwierig, wenn ein Bundespräsident gesucht wird. Es ist immer ein zähes Ringen und Suchen. Die Bundeskanzlerin hat schon angekündigt, dass sie jetzt mit allen Parteien sprechen wird. Am Ende des Tages werden sie sich zusammenraufen und dann wird es einen oder eine oder mehrere Kandidaten geben. Das ist in einer Demokratie so. Deutschland ist ein stabiles Land. Wir haben ordentliche Verhältnisse. Eine Bundespräsidentenwahl sollten wir gut hinkriegen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

 


Quelle:
DR