KNA: Es ging Schlag auf Schlag in Niedersachsen: Anfang August verlor die rot-grüne Regierung ihre Mehrheit, gut zwei Monate später findet nun eine Neuwahl statt, dazwischen lag noch die Bundestagswahl. Hat es dem Land geschadet, dass kaum Zeit für Wahlkampf blieb?
Prälat Prof. Felix Bernard (Leiter des Katholischen Büros in Hannover): Den kleineren Parteien hat diese Zeit mit Sicherheit gefehlt. Vor allem aber konnten notwendige Gesetzesvorhaben nicht mehr zu Ende geführt werden, weil die Legislaturperiode plötzlich um ein Vierteljahr gekürzt wurde. Dazu gehört zum Beispiel auch ein neues Gesetz, das die Ladenöffnungszeiten am Sonntag regeln sollte.
Das ist sehr schade für Niedersachsen. Natürlich war es nach dem Fraktionswechsel der Abgeordneten, durch den die Regierung ihre Mehrheit verloren hat, die richtige Entscheidung, die Wahl vorzuziehen. Sonst hätten wir bis Januar eine Minderheitsregierung gehabt, die nur eingeschränkt entscheidungsfähig gewesen wäre. Aber objektiv finde ich es schade, dass die Legislaturperiode nicht zu Ende geführt wurde.
KNA: Welche Erwartungen haben Sie an eine neue Landesregierung?
Bernard: Wir hoffen, dass die zahlreichen guten Projekte, die es in Niedersachsen gibt, weitergeführt werden. Im Rahmen der offenen Flüchtlingspolitik, die hier betrieben wurde, ist beispielsweise das Bündnis "Niedersachsen packt an" entstanden. Landesregierung, Gewerkschaften, kommunale Spitzenverbände, Unternehmerverbände und die Kirchen haben sich zusammengetan und eine Willkommenskultur für die geflüchteten Menschen geschaffen. In der Energie- und Klimapolitik wurden viele Ziele formuliert, an denen die Kirchen auch mitgearbeitet haben, die weiter verfolgt werden sollten. Und wir brauchen nach wie vor eine Familienpolitik, die allen Menschen zu Gute kommt, von den Kindern bis zu den alten und pflegebedürftigen Menschen.
KNA: Was wäre denn aus Ihrer Sicht der wichtigste Schritt, um Kinder und Familien besser zu unterstützen?
Bernard: Wir brauchen beitragsfreie Kindertagesstätten und zusätzliches Betreuungspersonal, das außerdem gut ausgebildet sein sollte. Die Diskussion darüber läuft ja bereits und Niedersachsen ist auf einem guten Weg zu diesen Zielen.
KNA: Auch zur Behebung des Pflegenotstands hat die bisherige Landesregierung schon einiges angestoßen. Reicht das?
Bernard: Es wurden einige Maßnahmen ergriffen, aber die Problematik, dass wir zu wenig qualifizierte Pflegekräfte haben, ist immer noch da. Hinzu kommt, dass viele Beschäftigte nicht angemessen entlohnt werden. In unseren kirchlichen Einrichtungen wird tarifgerecht bezahlt, aber es gibt leider Anbieter, die das nicht tun.
KNA: Wichtiges Wahlkampfthema ist die Bildung. Die Landesregierung hat gerade wieder verkündet, zahlreiche neue Lehrer einzustellen. Was muss noch geschehen?
Bernard: Neue Lehrer kommen ja nicht von heute auf morgen. Zunächst einmal ist wichtig, dass man Lehrer ausbildet und für die entsprechenden Studiengänge wirbt. Allerdings ist der Lehrermangel ein bundesweites Problem, das wir in Niedersachsen nicht alleine beheben können. Das wird einige Zeit brauchen.
KNA: Stephan Weil (SPD) ist aus der katholischen Kirche ausgetreten, Bernd Althusmann (CDU) ist Protestant. Wie schätzen Sie das Verhältnis der beiden Spitzenkandidaten zur Kirche ein?
Bernard: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass beide den Kirchen gegenüber sehr positiv eingestellt sind.
KNA: Die Parteien der beiden sprechen sich ja auch für ein gutes Verhältnis zu den Religionsgemeinschaften aus - da hat die katholische Kirche doch eigentlich nichts zu befürchten, oder?
Bernard: Das ist richtig. Dennoch müssen wir am Ende sehr genau schauen, wie sich die neue Regierung zusammensetzt, welche Abgeordnete im Parlament sitzen und welche Einstellung sie zur Kirche haben. Es ist nicht ganz unerheblich für uns, dass das gesellschaftliche Engagement der Kirche, auch eine konkrete politische Wertschätzung erfährt.
KNA: Was ist dann Ihre größte Befürchtung mit Blick auf die Landtagswahlen?
Bernard: Meine größte Befürchtung ist, dass die AfD in Niedersachsen zu stark wird. Laut aktuellen Umfragen ist die Gefahr nicht so groß. Aber man weiß natürlich nie.
Das Interview führte Michael Althaus.