DOMRADIO.DE: Begrüßen Sie als BKU den Bruch der Koalition oder bedauern Sie das Ende dieser Regierung?
Dr. Martin Nebeling (Bundesvorsitzender des Bundes Katholischer Unternehmer, Rechtsanwalt): Ich möchte den Bruch an sich gar nicht kommentieren, sondern mehr darauf hinweisen, dass Deutschland einen Anspruch darauf hat, vernünftig regiert zu werden. In den letzten Wochen gab es schon erhebliche Zweifel daran, dass das der Fall ist. Insofern, glaube ich, geht jetzt auseinander, was von Anfang an nicht gut zusammengepasst hat. Insbesondere wenn man auch die Emotionalität der Äußerungen des Bundeskanzlers sieht.
DOMRADIO.DE: Einer der Hauptstreitpunkte war die Wirtschaft. Große Aufregung gab es um ein Papier des bisherigen Finanzministers Christian Lindner, der tiefgreifende Maßnahmen gefordert hat. Bundeskanzler Scholz sagte gestern, er habe auch gute Reformvorschläge gehabt. Wie stehen Sie denn als BKU zu diesem Wirtschaftsstreit, der schon länger schwelte?
Nebeling: Wir sind als BKU sozusagen die Stimme der sozialen Marktwirtschaft und der katholischen Soziallehre. In der Politik dieser Bundesregierung haben wir wenig Punkte gefunden, wo wir die soziale Marktwirtschaft widergespiegelt haben. Da kann man das Heizungsgesetz nennen, da kann man die überbordende Bürokratie nennen. Da kann man auch das Bürgergeld nennen, wo aus unserer Sicht der vernünftigen Abwägung nicht entsprochen wurde: zwischen der Solidarität in Notsituationen einerseits und der Personalität andererseits, also der Erwartung, vom Empfänger möglichst schnell wieder zum Beitragszahler zu werden.
DOMRADIO.DE: Es droht ja nun leider eine Hängepartie, bis es wieder eine reguläre Bundesregierung gibt. Erst im Januar möchte Bundeskanzler Scholz die Vertrauensfrage stellen. Was wäre aus wirtschaftlicher Sicht jetzt wichtig, um die Talfahrt der deutschen Wirtschaft zu stoppen?
Nebeling: Es gibt die Forderung zum Beispiel von Herrn Merz und ich verstehe auch den Bundespräsidenten so, dass die Vertrauensfrage in der nächsten Woche gestellt wird und nicht bis Januar damit gewartet wird. Das erschließt sich mir nicht. Warum jetzt über einen Monat verlieren?
DOMRADIO.DE: Der Bundeskanzler argumentiert damit, dass er einige Gesetzesvorhaben noch durchbringen möchte, zum Beispiel das Tariftreuegesetz. Denken Sie, ess macht in dieser Situation Sinn, mit solchen Einzelmaßnahmen irgendwie noch für Stabilität zu sorgen?
Nebeling: Scholz sagt, dass er das gerne durchbringen möchte. Nur wie er das anstellen will, verrät er uns nicht. Wenn ich es richtig bewerte, hat er keine Mehrheit mehr im Deutschen Bundestag. Außer dem Verkehrsminister werden wahrscheinlich nicht viel mehr Personen abtrünnig werden. Mir scheint es eher ein taktisches Manöver.
DOMRADIO.DE: Wir sprechen aktuell viel über Demokratie, über den Zusammenhalt der Gesellschaft. Haben Sie die Hoffnung als BKU, dass man doch wieder schnell zu einem gemeinsamen Miteinander in der Politik findet?
Nebeling: Die Hoffnung hat man natürlich aus unserer Grundüberzeugung heraus immer. Aber man kann auch nicht verkennen, dass die Ergebnisse bei der Europawahl und auch die Ergebnisse in den neuen Bundesländern natürlich erhebliche Sorgen bereiten. Man wird nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können, sondern wird das außerhalb des Wahlkampfgetöses vernünftig analysieren müssen. Eine Regierung, die über so lange Zeit im Dauerstreit war, ist aus meiner Sicht ganz eindeutig mitverantwortlich für das Erstarken sowohl am rechten als auch am linken politischen Rand.
Das Interview führte Mathias Peter.