DOMRADIO.DE: Laut einer Bertelsmannstudie von Anfang Februar vertrauen fast zwei Drittel der jungen Menschen in Deutschland der Europäischen Union. Gleichzeitig gab rund die Hälfte der 18- bis 30-jährigen Befragten an, gegenüber der Bundesregierung misstrauisch zu sein. Ist das mehr Licht oder mehr Schatten? Wie beurteilen Sie diese Umfrage der Bertelsmann Stiftung?
Lena Bloemacher (Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend / BDKJ): Ich schaue immer gerne mit dem Prinzip "Mehr Licht" auf Dinge, weil es ja auch erst mal gar nicht schlecht ist, Sachen infrage zu stellen.
In alles und jeden zu vertrauen, ist auch nicht die richtige Herangehensweise. Ich glaube, man muss ganz genau gucken, was das denn eigentlich bedeutet und was denn auch die Gründe sind, warum Vertrauen in die Situationen oder auch in einzelne Personen schwindet.
DOMRADIO.DE: Was sind denn die Gründe dafür?
Bloemacher: Das müssten uns die befragten Jugendlichen sagen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass das mit der Gesamtstimmung zu tun hat. Kinder und Jugendliche werden gerade in einer Stimmung groß, in der sie zu Hause immer nur hören, dass die "da oben" alles falsch machen. Sie haben aber oft auch noch nicht erlebt, wie sie sich selber engagieren und einbringen können und was es auch für Menschen bedeutet, Verantwortung zu übernehmen und wie schwierig es ist, allen gerecht zu werden.
Ich glaube, diese Erfahrung muss man selber machen können. In den Jugendverbänden zum Beispiel versuchen wir das schon von Kindheit an für Kinder und Jugendlichen erlebbar zu machen.
DOMRADIO.DE: Was bedeutet es denn für unsere parlamentarische Demokratie, dass das Parlament als nicht so vertrauenswürdig angesehen wird?
Bloemacher: Wir sehen, dass jede Menge Menschen auf die Straße gehen und sagen, dass sie das Land mitgestalten wollen. Sie wollen sich von ein paar wenigen Leuten, die sind aber sehr laut sind, das Land oder die Demokratie kaputtmachen lassen. Das ist erst mal ein super Zeichen.
Das zeigt aber auch, dass es eine Politik braucht, die sieht, was die Mehrheit der Menschen will und dann eine Politik macht, die dazu passt. Wir sehen auch die Nöte und was alles im Argen liegt. Wir bieten darauf nachvollziehbare Antworten.
Das ist ja auch für Kinder und Jugendliche ein Knackpunkt, dass Politik nachvollziehbar sein muss und von der Lebenswirklichkeit der Leute aus gedacht werden muss.
DOMRADIO.DE: Wie kann denn ein Verband wie der BDKJ die Demokratie stärken? Was kann besonders ein katholischer Verband unternehmen?
Bloemacher: Wichtig ist, dass der BDKJ kein eigener Verband ist, sondern Dachverband von 17 Jugendverbänden. In diesen 17 Jugendverbänden passiert total viel Unterschiedliches. Die haben alle unterschiedliche Schwerpunkte und holen damit auch verschiedene Kinder und Jugendliche ab. Alle aber eint, dass wir demokratisch strukturiert sind und dass politische Bildung außerhalb der Schule zu unseren Aufgaben gehört.
Bei uns lernt man von klein auf, sich in einem System zu bewegen, wo man eine Stimme hat und Einfluss haben kann. Man lernt, dass man auch selber schon in sehr jungem Alter Ämter übernehmen kann.
Die Kinder und Jugendlichen können dann beobachten, ob man sich dadurch verändert und ob man trotzdem noch das macht, was man selbst möchte oder eher das macht, was die anderen möchten. Das ist ein Ausprobieren und Erleben von demokratischen Prozessen. Das bieten wir in den Verbänden an. Damit leisten wir schon einen Beitrag dazu, dass Kinder und Jugendliche gesellschaftliche Zusammenhänge einfach besser verstehen können.
DOMRADIO.DE: Was könnte denn die Politik aus Ihrer Sicht tun, um Jugend mitzunehmen, damit wieder das Vertrauen in das Parlament und die Regierung zunimmt?
Bloemacher: Eine unserer Kernforderungen ist seit Jahren eine Wahlalter-Absenkung. Das Interesse an den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen dürfen nicht nur leere Worte sein. Vielmehr müssen sie auch eine konkrete Wahlentscheidung treffen können.
Ansonsten ist es wichtig, Beteiligungsformate zu schaffen und Kinder und Jugendliche ernst zu nehmen. Es darf keine Pseudobeteiligung geben. Man darf ihnen also beispielsweise nicht sagen, dass sie mitbestimmen dürfen, wie der Skatepark aussehen soll und nachher ist dann doch alles ganz anders, weil kein Geld da ist.
Die Politik sollte sich darauf einlassen, was Kinder und Jugendliche zu sagen haben, welche Ideen sie haben und das dann auch für die Entscheidungen anerkennen.
Das Interview führt Tim Helssen.