Der Philosoph Spaemann äußert sich immer wieder besorgt über Aussagen und den Kurs der Kirche unter Papst Franziskus. Seine jüngste Kritik am Schreiben "Amoris laetita" fand inzwischen auch international Beachtung - zustimmend und ablehnend.
Die katholische Kirche ist für Robert Spaemann durch Konflikte an ihrer Spitze nicht grenzenlos belastbar. Jüngst bekräftigte der 89-Jährige in einem Beitrag für die katholische Würzburger Zeitung "Die Tagespost" seine Bedenken gegen das postsynodale Papstschreiben "Amoris laetitia" zur Weltbischofssynode zur Familie. Erneut hielt er Franziskus darin Unklarheit und Zweideutigkeit vor. Sein "Tagespost"-Artikel vom 17. Juni wurde mittlerweile international in mehrere Sprachen übersetzt und aufgegriffen.
"Nicht evangeliumskonforme Sichtweise"
So behaupte Franziskus in "Amoris laetitia" etwa, auch Jesus habe "nur ein anspruchsvolles Ideal" vorgeschlagen, schrieb Spaemann und hielt dem unter Verweis auf entsprechende Bibelstellen entgegen, Jesus habe etwa gebieten können "wie einer, der Macht hat, und nicht wie die Schriftgelehrten und Pharisäer"; er habe keineswegs bloß ein Ideal gepredigt, "sondern eine neue Realität, das Reich Gottes auf Erden", gestiftet. Die nicht evangeliumskonforme Sichtweise des Papstes müsse daher zu Kontroversen führen: "Wenn sich inzwischen der Präfekt der Glaubenskongregation gezwungen sieht, einen der engsten bischöflichen Berater und Ghostwriter des Papstes - (gemeint ist Erzbischof Victor Fernández (54), seit 2011 Rektor der Päpstlichen Katholischen Universität Argentiniens) - öffentlich der Häresie zu bezichtigen, sind die Dinge eigentlich schon zu weit gekommen. Auch die römisch-katholische Kirche ist nicht grenzenlos belastbar."
Aussage zurückgenommen
Seinen Vorwurf im CNS-Gespräch Ende April, die Anmerkung 351 in "Amoris laetitia" stelle einen "Bruch mit der Lehrtradition der katholischen Kirche" dar, nimmt Spaemann zurück: "Was ich sagen wollte, war, dass einige Äußerungen des Heiligen Vaters in eindeutigem Widerspruch stehen zu Worten Jesu, zu Worten der Apostel sowie zu der traditionellen Lehre der Kirche. Von einem Bruch sprechen sollte man allerdings nur dann, wenn ein Papst unter förmlicher Berufung auf seine apostolische Vollmacht eindeutig und ausdrücklich - also nicht beiläufig in einer Fußnote - etwas lehrt, was im Widerspruch zur genannten Lehrtradition steht. Der Fall ist hier nicht gegeben."
Der Papst sei allerdings, so der Philosoph, "ohnehin kein Freund der Eindeutigkeit". So habe dieser unlängst beklagt, "dass man, angestachelt durch die Medien, seinen zahlreichen Erörterungen zur alarmierenden Lage der Familie mehr oder weniger aus dem Wege gehe, um sich an einer Fußnote zum Thema Kommunionempfang festzubeißen".
Reglement zur Ehe
Dem hält Spaemann entgegen, dass sich die vorsynodale öffentliche Debatte nun einmal um dieses Thema gedreht habe: "Denn hier gibt es tatsächlich nur ein Ja oder Nein. Die Debatte wird nun fortgesetzt, und zwar ebenso kontrovers wie vorher, weil sich der Papst weigert, die diesbezüglich klaren Äußerungen seiner Vorgänger zu zitieren, und weil seine Antwort offenkundig so mehrdeutig ist, dass jeder sie zugunsten der eigenen Meinung interpretieren kann und interpretiert."
Wenn Franziskus es liebe, die Kritiker seiner Politik mit denen, die "sich auf den Stuhl des Moses gesetzt haben", zu vergleichen, so Spaemann abschließend, gehe diesmal "der Schuss nach hinten los". Es seien die jüdischen Gesetzeslehrer gewesen, die die Ehescheidung verteidigten und ein Reglement für sie tradierten. "Die Jünger Jesu waren dann schließlich auch entsetzt über das strikte Scheidungsverbot des Meisters: "Wer mag dann noch heiraten?" (Mt 19,10)." Jesus habe zwar Erbarmen mit dem Volk gehabt, "aber er war kein Populist. "Wollt auch ihr gehen?" - diese Frage an die Apostel war seine einzige Reaktion auf den Anhängerschwund", so Spaemann.