Katholisches Büro unterstützt "Weltoffenes Thüringen"

"Denkzettel sind keine gute Wahl"

Die Kampagne "Weltoffenes Thüringen" setzt sich für eine plurale Demokratie ein. Dabei ist auch das Katholische Büro Thüringen. Dessen Leiter Claudio Kullmann will vor allem Protestwähler in diesem Wahljahr zum Nachdenken anregen.

Symbolbild Demonstration gegen Rechtsextremismus / © Roberto Pfeil (dpa)
Symbolbild Demonstration gegen Rechtsextremismus / © Roberto Pfeil ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sozialverbände sind Teil des Bündnisses "Weltoffenes Thüringen", genauso wie große Unternehmen, kleine Firmen, NGOs, Mediziner oder Universitätseinrichtungen. Was macht die Kampagne "Weltoffenes Thüringen" aus?

Dr. Claudio Kullmann (Leiter des Katholischen Büros Thüringen): Das Bündnis ist in der Tat das größte und breiteste zivilgesellschaftliche Bündnis, das es in Thüringen in den letzten Jahrzehnten gegeben hat. Da sind aktuell, wenn ich es richtig weiß, über 5.000 Institutionen, Organisationen, Vereine und Privatpersonen dabei. Die kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten und Gruppierungen, wie der Wirtschaft, Sport und Kultur. Diese Vielfalt und die Breite ist das Besondere an diesem Bündnis. 

Claudio Kullmann

"Sie alle eint die Sorge um die Demokratie."

Hier haben sich sehr unterschiedliche Akteure zusammengefunden, die sonst vielleicht gar nicht so viel miteinander zu tun haben, die miteinander vielleicht sonst gar nicht über politische Fragen ins Gespräch kommen. Sie alle eint die Sorge um die Demokratie und das Eintreten für ein vielfältiges und weltoffenes Thüringen.

DOMRADIO.DE: Auch die katholische Kirche hat nicht lange gezögert, sich anzuschließen.

Kullmann: Richtig. Wir sind an den Debatten hier in Thüringen immer interessiert. Wir sind eine vergleichsweise kleine Kraft. Aber wir wollen uns, wo es geht, in die öffentlichen Debatten einmischen. Wir wollen uns für Thüringen einsetzen und das Leben hier mitgestalten.

Es ist uns wirklich wichtig, uns für unsere christlichen Werte einzusetzen. Das Christentum verkörpert ja den unhintergehbaren Schutz der Menschenwürde. Der christliche Glaube ist eine Botschaft der Freiheit. Deshalb passt auch dieses Bündnis sehr gut zu uns.

DOMRADIO.DE: Bei der Landratswahl im Saale-Orla-Kreis hat der AfD-Kandidat in der Stichwahl am Wochenende verloren. Aber trotzdem hat er fast die Hälfte der Stimmen bekommen. Ist man da eher froh oder trotzdem entsetzt?

Teilnehmer einer Demonstration gegen Rechts / © Soeren Stache (dpa)
Teilnehmer einer Demonstration gegen Rechts / © Soeren Stache ( dpa )

Kullmann: Das Bündnis ist nicht unbedingt ein Bündnis gegen eine konkrete politische Partei und auch nicht gegen Menschen, die eine Wahlentscheidung treffen, die sie sicher erklären müssen.

Es geht erst mal darum, dass man zeigt, wofür man eintritt. Dass man für Vielfalt eintritt, für Weltoffenheit, dass das uns in Thüringen sehr gut tut. 

Für mich ist es das Wichtigste, dass wir uns neu daran erinnern, dass sich Menschen hier vor 35 Jahren mit Kerzen in der Hand Freiheit und Demokratie überhaupt erst mal erstreiten mussten und erkämpft haben und dass wir heute in der Verantwortung stehen, für unsere eigenen Kinder diese Errungenschaften zu bewahren. Das ist uns sehr wichtig. 

Es gibt Menschen, die mit ihrer Wahlentscheidung vielleicht einen Denkzettel verpassen wollen. Ich habe die Hoffnung, dass es uns gelingt, auch diese Menschen zum Nachdenken zu bringen, ob das der richtige Weg ist, um mit den Problemen unserer Zeit umzugehen.

DOMRADIO.DE: Was ist bei der Kampagne bisher an konkreten Sachen geplant?

Kullmann: Es gab verschiedene Vernetzungsereignisse, wo Menschen über die Grundlagen und die Werte unserer Gesellschaft miteinander ins Gespräch kommen. Die würden sich sonst vielleicht nicht vernetzen und darüber sprechen.

Es sind auch noch eine Reihe weiterer Veranstaltungen geplant. Viele der Partner wollen in ihren Bezügen die Themen, die das Bündnis stärker in den Vordergrund rückt, aufgreifen und wollen die Menschen anregen, darüber nachzudenken und sich bewusst zu machen, um was es jetzt gerade in so einem Superwahljahr geht.

Claudio Kullmann

"Wir müssen auch mit kleiner Kraft warnen und mahnen."

DOMRADIO.DE: Sie selbst sitzen an der Schnittstelle zwischen Kirche und Politik. Wo sehen Sie denn die Rolle der katholischen Kirche innerhalb des Bündnisses?

Kullmann: Wir bringen uns mit unseren Erfahrungen ein. Wir Katholiken sind eine international gut aufgestellte Religionsgemeinschaft. Auch hier in Thüringen leben Katholikinnen und Katholiken verschiedenster Muttersprache. Wir sind also diesen internationalen, vielfältigen Dialog durchaus gewöhnt. Wir müssen auch mit kleiner Kraft warnen und mahnen, wenn wir den Eindruck haben, dass Menschenwürde und Freiheit in Gefahr sind. 

Der Landtag in Thüringen / © Michael Reichel (dpa)
Der Landtag in Thüringen / © Michael Reichel ( dpa )

Wir wollen zu Debatten anregen und Raum dafür bieten, sich zu überlegen, wo man sein Kreuz macht, was die Richtschnur sein könnte. Wir wollen auch dazu anregen, dass man sich auch mal mit anderen Argumenten befasst und üben kann, dass auch ein Gegenüber Recht haben könnte und man nicht selbst Maßstab jeder Debatte oder jeder Überzeugung sein kann.

DOMRADIO.DE: Wie kann man denn die Protestwähler davon überzeugen, dass eine Wahl aus Protest keine Lösung ist?

Kullmann: Das ist eine sehr schwierige Sache und auch eine sehr schwierige Frage.

Man kann mit so einem Bündnis eher die Grundlage schaffen und für die wichtigsten Fragen sensibilisieren, dass wir in Vielfalt, in Rechtsstaatlichkeit leben und es mit unserem demokratischen System in Deutschland sehr weit gebracht haben.

Auf dieser Grundlage ist es möglich, die Probleme, die wir haben und auch die Sorgen, die Menschen umtreiben, zu adressieren. So können wir auch deutlich machen, dass Denkzettel keine gute Wahl sind.

Das Interview führte Bernd Hamer.

Quelle:
DR