Als ihr Mann wieder mal ausflippte, als er sie beschimpfte und auf sie einprügelte, hatte Simone S. (Name geändert) aus Würzburg genug. Sie rief die Polizei. Die erteilte ihrem Gatten einen Platzverweis. Dennoch hatte Simone S. Angst, die Nacht alleine in der Wohnung zu verbringen. Sie meldete sich bei der Rufbereitschaft der beiden Würzburger Frauenhäuser. Dort hörte sie, dass kein Zimmer frei sei: "Sie müssten eine oder zwei Nächte in der Bahnhofsmission verbringen."
Simone S. reagierte entsetzt: "Ich will doch nicht am Bahnhof landen!" Brita Richl vom Frauenhaus der Würzburger Arbeiterwohlfahrt, die an diesem Freitagabend Rufbereitschaft hatte, redete ihr gut zu.
Es gebe keine andere Möglichkeit. Morgen würde sie persönlich in die Bahnhofsmission kommen, um gemeinsam mit Simone S. zu überlegen, wie es für sie weitergehen könnte.
Vertrösten gehört zum Alltag
Frauen zu vertrösten, gehört zum Alltagsgeschäft von Brita Richl und ihren Kolleginnen. "2015 mussten wir 76 Frauen abweisen", sagt die Leiterin des AWO-Frauenhauses. Einige kamen weit weg in anderen Frauenhäusern unter. "Seit kurzer Zeit haben wir Zugriff auf eine bayernweite Liste mit Frauenhausplätzen", erläutert Richl. Die sei manchmal komplett rot - was bedeutet, dass es keinen einzigen freien Platz gibt.
Bundesweit bieten laut Heike Herold, Geschäftsführerin der bundesweiten Dachorganisation Frauenhauskoordinierung e.V., 353 Häuser Frauen Schutz. Hochrechnungen zufolge wurden 2015 rund 15.000 Frauen in ein Frauenhaus aufgenommen. Viele tausend mussten abgewiesen werden, sagt Herold. "Gerade in Großstädten mangelt es extrem an Plätzen." Dass jedes Jahr etliche von häuslicher Gewalt bedrohte Frauen in Deutschland keinen Schutz finden, findet sie empörend.
Die Platznot in den Frauenhäusern resultiert vor allem daraus, dass Frauen immer länger in den Einrichtungen bleiben. Dies wiederum liegt daran, dass Frauen, wenn sie wieder so stabil sind, dass sie allein leben könnten, keinen bezahlbaren Wohnraum finden.
Zunahme begleitender Kinder
"In den letzten Jahren hat bei uns außerdem die Zahl der Kinder, die ihre Mütter in Frauenhäuser begleiten, kontinuierlich zugenommen", sagt Monika von der Lippe, Gleichstellungsbeauftragte des Landes Brandenburg. Aktuellen Daten zufolge haben 2015 mehr Kinder Schutz im Frauenhaus gefunden als Frauen.
Nina Schulte vom Autonomen Frauenhaus in Essen bestätigt, dass die Situation äußerst unbefriedigend ist: "Das ganze Ruhrgebiet ist überfüllt." Sie selbst wertete kürzlich die Statistiken ihres Hauses der letzten drei Jahre aus. In diesem Zeitraum mussten jährlich zwischen 144 und 286 Frauen wegen Platzmangels abgewiesen werden.
Forderung nach Rechtsanspruch auf Schutz vor häuslicher Gewalt
Kathrin Hampel vom Frauenhaus in Jena fordert einen voraussetzungslosen Rechtsanspruch auf Schutz vor häuslicher Gewalt.
Dieser geht nach ihrer Ansicht aus der sogenannten Istanbul-Konvention hervor. Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt trat am 1. August 2014 in Kraft.
Es schreibt vor, Hilfsangebote für Frauen zu verbessern. Die einzelnen Maßnahmen sehen eine Rechtsberatung, psychologische Betreuung, finanzielle Beratung, Hilfe im Zugang zu Unterbringungsmöglichkeiten wie etwa Frauenhäusern, Aus- und Weiterbildung sowie Unterstützung bei der Suche nach Arbeit vor. Das Übereinkommen wurde von 44 Staaten unterzeichnet und von 24 ratifiziert.
Für Kathrin Hampel müsste in Deutschland mit Blick auf die Konvention an vielen Stellen nachgebessert werden. "Gerade bei uns in Thüringen ist die Tatsache, dass Frauen manchmal abgewiesen werden müssen, keineswegs die Hauptschwierigkeit in unserer Arbeit", betont sie. Genauso problematisch sei, dass es keine Qualitätsstandards für Frauenhäuser gibt.