Die Schwierigkeit, gemeinsame und abgestimmte Lösungen für globale Probleme zu finden, breite sich auch in Ländern mit langer demokratischer Tradition immer weiter aus, sagte er am Montag im Vatikan. Die Pandemie dürfe als Gelegenheit nicht vertan werden, um über Reformen der multilateralen Zusammenarbeit nachzudenken.
"Die Demokratie lebendig zu erhalten, ist eine Herausforderung dieses Moments in der Geschichte", so der Papst. Unterschiedliche Meinungen untergrüben nicht die Gewalt und Sicherheit der Staaten, sondern ermöglichten angemessenere Lösungen für Probleme.
Politik darf keine Angst vor Reformen haben
Der demokratische Prozess erfordere, dass ein Weg des inklusiven, friedlichen, konstruktiven und respektvollen Dialogs zwischen allen Gliedern der Zivilgesellschaft in jeder Stadt und Nation beschritten wird, betonte Franziskus. Unabdingbar seien dafür eine Überwindung individualistischer Tendenzen und die Achtung des Rechtsstaates. Das Recht sei "unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung jeder Gewalt" und müsse "von den übergeordneten Organen unabhängig von den herrschenden politischen Interessen gewährleistet werden".
Auf internationaler Ebene habe die Krise von Politik und demokratischen Werten Auswirkungen auf das gesamte multilaterale System, so der Papst. In der Folge würden Organisationen, die zur Förderung von Frieden und Entwicklung ins Leben gerufen worden seien, in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt.
Zugleich räumte er ein, das multilaterale System selbst habe in den vergangenen Jahren "einige Grenzen" erkennen lassen. Die Politik dürfe keine Angst vor Reformen haben, "auch wenn sie Opfer und nicht selten einen Mentalitätswandel erfordern", sagte Franziskus unter Verweis auf die laufende Reform der Römischen Kurie.
Papst mahnt neue Friedensinitiativen in Nahost an
Zudem hat Papst Franziskus zu einer neuen internationalen Friedensinitiative für Syrien aufgerufen. Zehn Jahre nach dem Beginn müsse der Konflikt endlich ein Ende finden, sagte er beim Jahresempfang der Botschafter beim Heiligen Stuhl am Montag.
Auch an Israelis und Palästinenser appellierte er, einen Dialog auf der Basis gegenseitigen Vertrauens zu führen. Er sei sich sicher, dass beide Seiten den Wunsch hegten, in Frieden leben zu können. Auf den Irak, den er Anfang März besuchen will, ging er nicht ein.
Neues politisches Engagement auf nationaler und internationaler Ebene mahnte der Papst auch für die Stabilisierung des Libanon an. Ohne eine schnelle wirtschaftliche Erholung und einen raschen Wiederaufbau drohe dem Land ein Bankrott; dies könne "gefährliche fundamentalistische Strömungen zur Folge haben", warnte Franziskus.
Eigeninteressen zurückstellen
Der Libanon in seiner bisherigen Identität sei eine "Gewähr für einen pluralen, toleranten und vielfältigen Nahen Osten, in dem die christliche Präsenz ihren eigenen Beitrag leisten kann und nicht auf eine zu schützende Minderheit reduziert wird", sagte der Papst. Eine Schwächung der christlichen Gemeinschaft berge das Risiko, das innere Gleichgewicht und den Libanon selbst zu zerstören. Unter diesem Gesichtspunkt müsse man auch über die syrischen und palästinensischen Flüchtlinge im Land reden.
Die politischen und religiösen Führer im Libanon mahnte er, Eigeninteressen zurückstellen und sich der Gerechtigkeit und echten Reformen zum Wohle der Bürger zu verpflichten. Den Wunsch nach Frieden bekundete der Papst auch für den Konfliktstaat Libyen. Er hoffe, dass das im November unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen in Tunesien abgehaltene Dialogforum für Libyen einen Versöhnungsprozess im Land einleiten könne.
Papst skeptisch gegenüber EU-Migrationspaket
Weiter hat Papst Franziskus eine stärkere Bekämpfung von Migrationsursachen gefordert. Zugleich verlangte er mehr Unterstützung der Erstaufnahmeländer, "welche die moralische Verpflichtung übernehmen, Leben zu retten". Besondere Erwartungen stellte er in einer Rede zum Jahresempfang der Botschafter beim Heiligen Stuhl an das neue Migrations- und Asylpaket der EU.
Konkrete politische Maßnahmen und Mechanismen könnten nicht funktionieren, "wenn sie nicht durch den notwendigen politischen Willen und das Engagement aller Beteiligten, einschließlich der Zivilgesellschaft und der Migranten selbst, gestützt werden", sagte er.
Seit dem Zweiten Weltkrieg habe die Welt keinen so dramatischen Anstieg der Flüchtlingszahlen erlebt wie heute, sagte der Papst. Er mahnte dringend, die Bemühungen zum Schutz dieser Menschen zu verstärken, "auch für die Binnenvertriebenen und alle gefährdeten Personen, die vor Verfolgung, Gewalt, Konflikten und Krieg zu fliehen gezwungen sind".
Trotz bedeutender Anstrengungen der Staatengemeinschaft gebe es seitens des Vatikan "Besorgnis über die Lage der Vertriebenen in verschiedenen Teilen der Welt", sagte Franziskus.
Papst lobt Atomabkommen zwischen Russland und USA
Schließlich hat Papst Franziskus die Verlängerung des Atom-Abrüstungsabkommens "New START" zwischen Russland und den USA begrüßt. Dies sei ein "ermutigendes Zeichen", sagte er beim Jahresempfang der Botschafter beim Heiligen Stuhl weiter. Das am Freitag in Kraft getretene Abkommen sieht eine Reduktion nuklearer Sprengköpfe und Trägersysteme sowie eine gegenseitige Überwachung der Maßnahmen durch die Vertragspartner vor.
Weiter verwies das Kirchenoberhaupt auf den seit 22. Januar geltenden Atomwaffenverbotsvertrag. Nukleare Abschreckung stelle keine angemessene Antwort auf die weltweiten Herausforderungen für Frieden und Sicherheit dar, sagte der Papst. Eine "auf Angst gegründete Stabilität" vergrößere noch die Angst und untergrabe vertrauensvolle Beziehungen zwischen den Völkern.
Franziskus verlangte, die Bemühungen auf dem Gebiet der Abrüstung und der Nichtverbreitung von Atomwaffen trotz Schwierigkeiten und Vorbehalten weiter zu intensivieren. Zudem sollten die Bemühungen auch auf chemische und konventionelle Waffen ausgedehnt werden.