Politologe sieht Laschet als Kanzlerkandidaten skeptisch

"Keine Zugkraft links und rechts der Union"

Armin Laschet und Markus Söder haben beide ihre Bereitschaft zur Kanzlerkandidatur signalisiert. Der Politikwissenschaftler Andreas Püttmann ist der Ansicht, dass die Unionsparteien mit Laschet die schlechteren Chancen hätten.

Markus Söder (r.) und Armin Laschet (l.) / © Michael Kappeler (dpa)
Markus Söder (r.) und Armin Laschet (l.) / © Michael Kappeler ( dpa )

DOMRADIO.DE: Von Armin Laschet wissen wir, dass er sehr in der katholischen Kirche verwurzelt ist. Was ist bekannt über den Protestanten Markus Söder?

Dr. Andreas Püttmann (Politikwissenschaftler und Publizist): Dass er in der Evangelisch-Lutherischen Kirche verwurzelt ist, bis 2018 auch als berufenes Mitglied der Evangelischen Landessynode in Bayern. Und dass er bekennt: "Mir gibt der Glaube Kraft und Halt. In schwierigen Stunden hilft mir mein Gottvertrauen. Die christliche Botschaft ist die modernste der Welt".

Er steht voll hinter seinem Glauben und hat durch den Kreuz-Erlass unter Inkaufnahme harscher Kritik auch aus den Kirchen ein Zeichen gesetzt, dass er die öffentliche Präsenz des Christentums wünscht. Ich glaube, in dieser Frage nehmen sich die Beiden nicht viel.

Dr. Andreas Püttmann (privat)
Dr. Andreas Püttmann / ( privat )

Man könnte natürlich sagen, dass Laschet das katholische "et et" stärker verkörpert, dieses "sowohl als auch", "einerseits, andererseits", wie wir das in seiner Corona-Politik gesehen haben, und das Konsensorientierte, Vermittelnde, während man bei Söder ein subjektiv-protestantisches Voranschreiten im Sinne von "Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir" sieht mit Kreuze-an-die-Wand-Nageln, so ein bisschen im selbstgewissen Alleingang.

Aber das ist natürlich etwas stilisiert und mehr für Feuilleton und Kabarett als für politische Analyse so zu beschreiben.

DOMRADIO.DE: Am Sonntag hatten sowohl Laschet als auch Söder seine Bereitschaft erklärt, als Kanzlerkandidat der Union anzutreten. Söder machte das allerdings von der Unterstützung der CDU abhängig. Wie nun bekannt wurde, hat sich das Präsidium für Laschet ausgesprochen. Was bedeutet denn das jetzt?

Püttmann: Das bedeutet zunächst, dass Laschet nun die besseren Chancen auf die Kandidatur hat. Söder hat ja auch deutlich gemacht, dass er es nicht auf Biegen und Brechen will. Die Mehrheit in der Unionsfamilie stellt nun mal die CDU.

Es gibt sicherlich auch Vorbehalte gegen Söder wegen vergangener Positionswechsel, seiner früheren Merkel-Kritik in der Flüchtlingskrise und der Bekehrung vom Saulus zum Paulus nach der Niederlage in der Landtagswahl 2018, die ihm manche nicht abgenommen haben. Er ist auch nicht so ein Sympathieträger wie Laschet, die Frohnatur.

Aber man muss schon sagen, die Umfragen sprechen krass gegen Laschet, sowohl unter den Unionsanhängern als auch in der Bevölkerung. Auch in NRW sind die Werte für die Union zuletzt stark eingebrochen. Angesichts dieser Kluft bei den jetzt so erscheinenden Wahlchancen werden viele in der CDU insgeheim Söder favorisieren, sich aber nicht trauen dies zu sagen, etwa Bundestagsabgeordnete, die um ihr Mandat fürchten.

Insofern ist die Einigkeit des Präsidiums für mich noch nicht die ganze Wahrheit. Es fehlen vielleicht nur diejenigen, die offen wie 2002 zu Merkel sagen: "Angie, lass das den Stoiber machen". Jetzt triumphiert der Korpsgeist im Gremium. Aber die Positionen mancher Mitglieder sind ja auch nicht gefährdet, etwa die der Ministerpräsidenten.

Man will den frisch gewählten Parteichef Laschet jetzt nicht gleich desavouieren. Aber ich bin der Meinung, das hätte gar nicht unbedingt sein müssen, wenn er selbst die Courage und die Einsicht gehabt hätte zu sagen, dass es hier ein stabiles Meinungsbild zugunsten von Markus Söder gibt und wenn er selbst sich zurückgenommen hätte, was er übrigens immer noch könnte, auch und gerade nachdem er die Rückendeckung bekommen hat.

Im Moment scheint es jedoch nicht danach auszusehen.

DOMRADIO.DE: Was würde es denn für Armin Laschet und seine Rolle als CDU-Parteichef bedeuten, wenn er das doch tun würde?

Püttmann: Es sagen ja viele, er stünde dann gedemütigt da und könnte nicht mehr Parteivorsitzender bleiben. Das sehe ich nicht so. Sowohl Helmut Kohl als auch Angela Merkel haben vor ihrer 16-jährigen Kanzlerschaft auf Kanzlerkandidaturen verzichtet, 1980 und 2002.

Laschet hätte dann als ein starker Minister - quasi mit freier Wahl des Ressorts im Rahmen der Koalitions-Arithmetik - ins Bundeskabinett eintreten können und wäre dort auch so eine Art Reservekanzler gewesen.

Die Aussichten in Nordrhein-Westfalen bei den Wahlen im nächsten Jahr sind sehr unsicher. Derzeit führt Rot-Grün mit 44 Prozent vor Schwarz-Gelb mit 39 in NRW. Und der Trend ging zum Schluss stark gegen die aktuelle Landesregierung. Das kann sich zwar auch wieder umkehren, aber es ist nicht gesagt, dass der sicherere Hort bleibt, oder es jetzt wird durch die Kanzlerkandidatur.

So kann Laschets Karriere in einem halben Jahr vorbei sein, wenn der klare Trend sich nicht umkehren lässt.

DOMRADIO.DE: Wie könnte sich die Wahl des Kanzlerkandidaten denn auf die Stimmen-Chancen anderer Parteien auswirken?

Püttmann: Söder schreckte ja ursprünglich, so bis vor zwei, drei Jahren eher in der Mitte ab. Das Bild hat sich völlig gewandelt. Während Laschet damals noch als Garant der Kontinuität für Merkel-Politik stand, hat er es sich inzwischen mit dem sozialdemokratischen und grünen Wählerpotenzial, das eventuell auch Union wählen könnte, verdorben; einerseits durch seine wankelmütige, taktierende Covid-Politik, durch seinen FDP- und Industrie-freundlichen Kurs, in ökologischen Fragen, durch sein Umwerben der Mittelstandsvereinigung der Union.

Da stelle ich doch fest, dass aus der linken Mitte sehr scharfe Kritik an Laschet kommt. Mit den Rechten hat er es sich aber immer noch verdorben, weil sie in ihm weiterhin eine Art Merkel-Fortsetzung sehen und er der Merz-Verhinderer ist. Deswegen glaube ich inzwischen nicht mehr, dass er links und rechts der Union bei den schwankenden Wählern noch Zugkraft entwickeln kann. Und selbst bei den eigenen Parteianhängern wollte ihn nach den jüngsten Umfragen ja nur die Minderheit haben.

Bei Söder entwickelte es sich genau umgekehrt: Er hat sich ökologisches Profil zugelegt, hinter Merkel gestellt und wird bei den Rechten wegen seines Habitus trotzdem noch geschätzt, weil einige in einer falschen Reminiszenz ihn immer noch als Strauß-Wiedergänger sehen, er halt als etwas derbes, handfestes Mannsbild erscheint, das entschlossen und mutig voranschreitet.

Viele Wähler folgen ja auch einfach diffusen Wahrnehmungen einer Persönlichkeit. Und so glaube ich: Wenn es wirklich auf Laschet hinausläuft, hat die Union wesentlich schlechtere Chancen.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Lebenslauf von Armin Laschet

Persönlich:

Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, geboren am 18. Februar 1961 in Aachen verheiratet, Vater von drei Kindern

Werdegang:

1981 Abitur

1981 – 1987 Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten München und Bonn. Erstes juristisches Staatsexamen

1987 1987 – 1994 Ausbildung zum Journalisten. Tätigkeit als freier Journalist für bayerische Rundfunksender und das bayerische Fernsehen. Wissenschaftlicher Berater der Präsidentin des Deutschen Bundestages

 (DR)
Quelle:
DR