Katholische Kirche will Koalition der Nachhaltigkeit schmieden

"Keiner soll sagen: Wir tun schon genug"

Es wäre ein Neujahrsvorsatz, der zunächst für sieben Jahre gilt: Mit einer Plattform will der Vatikan eine nicht nur katholische kritische Masse erreichen, um für die Klima- und andere Nachhaltigkeitsziele zu werben.

Autor/in:
Roland Juchem
Klimaschutz / © Kim Kuperkova (shutterstock)

"Mit dieser Plattform wollen wird die ganze Weltkirche ansprechen und so helfen, eine kritische Masse für das 1,5-Grad-Klimaziel zu erreichen." Gemeinhin denkt man im Vatikan langfristig. Doch für lange Fristen ist laut Joshtrom Kureethadam keine Zeit. Der indische Ordensmann gehörte beim Klimagipfel COP26 im November in Glasgow zur Vatikan-Delegation.

Nachhaltigerer Lebensstil

In Rom ist der Wissenschaftsphilosoph bei der vatikanischen Entwicklungsbehörde für die Themen Klima und Nachhaltigkeit zuständig. Er gehört zu den Eltern der genannten "Laudato si"-Plattform, eine der Initiativen, mit denen der Vatikan die Anliegen der gleichnamigen Sozial- und Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus propagieren und umsetzen will.

Die Plattform bietet Informationen, Anregungen und Best-Practice-Beispiele. Vor allem aber will sie Menschen, Gruppen und Organisationen ermutigen und unterstützen bei ihrer Bekehrung zu einem nachhaltigeren Lebensstil. Wer sich einschreibt und mitmacht, hat ein Jahr Zeit zur Vorbereitung, fünf Jahre für konkrete Maßnahmen und ein Jahr als "Sabbatical" - quasi zu Erholung und Belohnung.

Zusammenarbeit mit dem Vatikan

Über Maßnahmen und Zeitplan entscheidet jeder, der mitmacht, selbst, wertet das jährlich Erreichte aus und berichtet darüber. Am Ende erhält er ein "Laudato si"-Zertifikat. Mit dabei sind laut Kureethadam bereits über 800 Orden, Ordensprovinzen und Klöster, 130 Universitäten, Vereinigungen, Diözesen, Pfarreien. Auch einzelne Familien sind willkommen.

Beworben wird eine "einzigartige Zusammenarbeit zwischen dem Vatikan, einer internationalen Koalition katholischer Organisationen und allen Männern und Frauen guten Willens".

Noch zu wenig sichtbar

Frauen und Männer guten Willens sind es bisher auch, die bei der Initiative mitmachen. Zur Koalition der Gutwilligen gehört etwa Anja Appel. Sie leitet die Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO) in Wien.

Die fünfköpfige KOO koordiniert und vernetzt 35 Organisationen von der Caritas bis zu den Sternsingern. Bei einer Initiative wie der "Laudato si"-Plattform muss die KOO schon qua Amtes mitmachen. "Aber auch ambitionierte Leute können noch mehr tun", so Appel.

Dass nun auch der Vatikan über solche Initiativen kommuniziert, findet sie "klasse". "Wir wissen, dass wir viele sind, aber noch sind wir zu wenig sichtbar", sagt Appel über die Koalition der Gutwilligen. Es gibt die "kritische Masse" von 25 bis 30 Prozent einer Gesellschaft, von der Kureethadam spricht, ist sie überzeugt.

Die Frage sei nur, ob sich diese über eine kirchliche Plattform bündeln lasse. Viele Mitstreiter fänden sich nur im säkularen Bereich. Besonders wichtig sei es daher, kritische Massen für eine ökologisch-soziale Wende in den "entscheidenden Gesellschaften" zu finden, dort wo "die politischen und wissenschaftlichen Hebel" sind.

Pilgrim - eine ökumenisch, interreligiöse Initiative

Johann Hisch hingegen gründete 2003 Pilgrim, eine ökumenische und interreligiöse Initiative, die in erster Linie interessierte Schulen vernetzt und Angebote macht. Ziel ist es, die nachhaltigen UN-Entwicklungsziele um die spirituelle Dimension zu erweitern. Damit deckte Pilgrim bereits zwölf Jahre vor der Enzyklika "Laudato si" deren wesentliche Anliegen ab.

Doch der Weg zu einer spirituell fundierten und motivierten Nachhaltigkeit ist weit, wie Hisch vorrechnet: Von den rund 6.000 österreichischen Pflichtschulen befassen sich etwa 1.000 auch mit Nachhaltigkeit. Von diesen wiederum hat sich gut ein Viertel der Initiative Pilgrim angeschlossen.

15 Prozent der Bildungseinrichtungen seien für spirituelle und ganzheitlich ökologische Anliegen erreichbar. "Mehr Potenzial ist leider nicht da", seufzt er. Dennoch: "Unabhängig davon, ob's mehr oder weniger werden - Hauptsache, wir tun etwas aus unserem Glauben heraus."

Gegen Geiz und Gier

Dabei sind religiös Gläubige für einen einfacheren, nachhaltigen Lebensstil prädestiniert. "In den Religionen sind Geiz und Gier ein Laster - und keine Tugend wie im Kapitalismus", sagt Kureethadam. "Laudato si" ist zweifellos die meist rezipierte und gelobte Papst-Enzyklika seit Jahrzehnten - zumindest außerhalb der Kirche.

Drei Viertel der katholischen Bischöfe weltweit gäben deren Anliegen nicht weiter, habe ihm Kardinal Peter Turkson, bisheriger Leiter des vatikanischen Entwicklungsministeriums, einmal gestanden, sagt Hisch. Daher hat der Vatikan etliche Initiativen gestartet, um "Laudato si" bekannter zu machen.

Konkrete Ziele

An anderen Projekten, wie der Jungunternahmer-Initiative "Economy of Francesco" für nachhaltiges Wirtschaften, war die Behörde mit Sitz im römischen Stadtteil Trastevere beteiligt. Vieles klang euphorisch, wirkte aber mitunter nicht ganz durchdacht, drohte zu verpuffen. Wie viele und wie viel die übergreifende Plattform erreicht, soll sich zeigen.

Um sich anzudocken nennt die Plattform sieben Ziele: Antworten auf die Hilferufe der Erde und der Armen, ökologische Ökonomie, nachhaltiger Lebensstil, ökologische Bildung und Spiritualität sowie Resilienz und Stärkung von Gemeinschaften. "Die aktuellen Krisen", sagt Anja Appel, "sind so akut, dass wir es uns nicht leisten können zu sagen: Wir tun schon genug."


UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow / © Evan Vucci/AP (dpa)
UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow / © Evan Vucci/AP ( dpa )
Quelle:
KNA