Kiew will moskautreue Kirchengemeinden gesetzlich verbieten

Verletzung der Religionsfreiheit?

Die ukrainische Regierung will aus Russland gelenkte Glaubensgemeinschaften verbieten. Der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche wird Kollaboration mit Russland und Kreml-Propaganda vorgeworfen. Der Gesetzestext wurde nicht veröffentlicht.

Ein Mann zündet eine Kerze in der Kathedrale Wladimir der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) in Kiew an / © Sergey Korovayny (KNA)
Ein Mann zündet eine Kerze in der Kathedrale Wladimir der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) in Kiew an / © Sergey Korovayny ( KNA )

Die ukrainische Regierung beantragte hierzu im Parlament eine Änderung von zwei Gesetzen, wie der Vertreter des Ministerkabinetts, Taras Melnytschuk, am Donnerstagabend auf Telegram mitteilte. 

Die Gesetze über Gewissensfreiheit sowie über die Registrierung von juristischen Personen und öffentlichen Organisationen sollen künftig Religionsgemeinschaften ausschließen, "deren Leitungszentrum (Verwaltung) sich außerhalb der Ukraine in einem Staat befindet, der eine bewaffnete Aggression gegen die Ukraine durchführt".

Patriarch Kyrill I. und Wladimir Putin beim Ostergottesdienst 2015 / © Natalia Gileva (KNA)
Patriarch Kyrill I. und Wladimir Putin beim Ostergottesdienst 2015 / © Natalia Gileva ( KNA )

Vorwurf der Kreml-Propaganda

In den vergangenen Monaten hatten mehrere Regional- und Kommunalparlamente ein Verbot der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UOK) gefordert. Ihr wird Kollaboration mit russischen Kräften und Kreml-Propaganda vorgeworfen.

Erste Geistliche wurden bereits vor Gericht gestellt und zu Haftstrafen verurteilt. Gegen rund 50 weitere wird ermittelt.

Das Kirchenoberhaupt, Metropolit Onufri, verurteilte hingegen den russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 scharf. Zudem erklärte die UOK sich im Mai für unabhängig vom Moskauer Patriarchat.

Diese Lossagung vom russischen-orthodoxen Patriarchen Kyrill I., einem Verbündeten von Kreml-Chef Wladimir Putin, wird jedoch von der Kiewer Regierung angezweifelt.

Zwei orthodoxe Kirchen

In der Ukraine gibt es zwei konkurrierende orthodoxe Kirchen. Die Regierung unterstützt die 2018 mit Hilfe des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel und orthodoxen Ehrenoberhaupts Bartholomaios I. gegründete Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU).

Wolodymyr Selenskyj / © Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP (dpa)
Wolodymyr Selenskyj / © Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP ( dpa )

Sie ging aus zwei Konfessionen hervor, die sich bereits vor Jahrzehnten vom Moskauer Patriarchat getrennt hatten.

Melnytschuk erklärte, der Änderungsvorschlag habe das Ziel, "die spirituelle Unabhängigkeit sicherzustellen, eine Spaltung der Gesellschaft nach religiösen Merkmalen zu verhindern, die Konsolidierung der ukrainischen Gesellschaft zu fördern und nationale Interessen zu schützen".

Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj hatte die Regierung Anfang Dezember beauftragt, einen solchen Gesetzentwurf auszuarbeiten und dem Parlament vorzulegen.

Wortlaut des Gesetzes bisher nicht öffentlich

Der Wortlaut des Gesetzentwurfs wurde zunächst nicht veröffentlicht. So ist bisher unklar, ob Gerichte oder Behörden ein Verbot von religiösen Organisationen anordnen sollen. Die UOK könnte allerdings nicht ganz verboten werden. Denn sie ist im Gegensatz zu Religionsgemeinschaften in Deutschland keine Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern alle rund 12.000 Kirchengemeinden und jedes Kloster sind einzeln beim Staat registriert.

Metropolit Epiphanius, das Oberhaupt der unabhängigen ukrainisch-orthodoxen Kirche, leitet den Weihnachtsgottesdienst in der Mariä-Himmelfahrt-Kathedrale, dem Höhlenkloster in Lawra. / ©  Efrem Lukatsky/AP (dpa)
Metropolit Epiphanius, das Oberhaupt der unabhängigen ukrainisch-orthodoxen Kirche, leitet den Weihnachtsgottesdienst in der Mariä-Himmelfahrt-Kathedrale, dem Höhlenkloster in Lawra. / © Efrem Lukatsky/AP ( dpa )

Der Kreml kritisiert das geplante ukrainische Gesetz scharf und spricht von einer Verletzung der Religionsfreiheit.

Im Auftrag der russischen Regierung beschuldigte ein ranghoher Bischof des Moskauer Patriarchats per Videoschaltung vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York am Dienstag die Ukraine, die UOK "vernichten" zu wollen.

Christliche Kirchen in der Ukraine

Die kirchlichen Verhältnisse in der Ukraine sind komplex. Rund 70 Prozent der 45 Millionen Ukrainer bekennen sich zum orthodoxen Christentum. Sie gehören allerdings zwei verschiedenen Kirchen an: der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UOK) des Moskauer Patriarchats und der autokephalen (eigenständigen) Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU). Zudem gibt es eine römisch-katholische Minderheit mit rund einer Million Mitgliedern sowie die mit Rom verbundene (unierte) griechisch-katholische Kirche der Ukraine.

Das Heilige Feuer aus Jerusalem am 18. April 2020 im Kiewer Höhlenkloster Petscherska Lawra, Hauptsitz der ukrainisch-orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats. / © Sergey Korovayny (KNA)
Das Heilige Feuer aus Jerusalem am 18. April 2020 im Kiewer Höhlenkloster Petscherska Lawra, Hauptsitz der ukrainisch-orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats. / © Sergey Korovayny ( KNA )
Quelle:
KNA