UNICEF fordert Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz

"Kinder brauchen eine stärkere Rechtsposition"

Kinderrechte gehören ins Grundgesetz. Das fordern Kinderschutzorganisationen schon seit Jahren. Gerade in Corona-Zeiten sei es wichtig, die Rechte der Kinder nicht nur innerhalb der Familie zu stärken, betont das Kinderhilfswerk UNICEF.

UNICEF: Kinder haben eigene Rechte / © Kuttelvaserova Stuchelova (shutterstock)
UNICEF: Kinder haben eigene Rechte / © Kuttelvaserova Stuchelova ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. So findet man das im Moment in Artikel 6 des Grundgesetzes. Reicht das nicht für die Kinder? 

Dr. Sebastian Sedlmayr (Leiter der UNICEF-Abteilung Politik, Kinderrechte und Bildung): Die Kinder sind ja da nicht ausdrücklich erwähnt. Natürlich sind sie in der Regel Teil einer Familie. Aber die Kinderrechte beschränken sich nicht auf das Familienleben. Die UN-Kinderrechtskonvention gibt den Kindern Rechte in allen Lebenslagen, in denen sie sich befinden. Und da Kinder zwar ja immer die Kinder von Eltern sind, aber eben darüber hinaus beispielsweise auch Verkehrsteilnehmer, Kunden, Patienten oder Schülerinnen und Schüler und so weiter, reicht eben die momentane Formulierung nicht aus, um das klarzustellen.

DOMRADIO.DE: Gibt es in Sachen Kinderrechte denn nicht auch große Fortschritte, wenn man in die Vergangenheit zurückschaut? 

Sedlmayer: Es gibt definitiv große Fortschritte in den letzten 30 Jahren, seitdem die Kinderrechtskonvention verabschiedet wurde - natürlich auch in Deutschland. Es gibt beispielsweise seit 20 Jahren das Verbot der Gewalt in der Erziehung, und es gibt auch ein gewachsenes Bewusstsein darüber, dass Kinder eigene Rechte haben. Es gibt aber auch schon noch deutlichen Nachholbedarf. 

DOMRADIO.DE: Warum, würden Sie sagen, ist die Corona-Pandemie jetzt aktuell gefährlich für die Rechte der Kinder? 

Sedlmayer: Ich denke, gerade jetzt in der Zeit der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass die Belange und die Interessen von Kindern und damit auch ihrer Familien doch relativ weit hinten anstanden. Man hat sich natürlich große Gedanken gemacht, wie der Krankheitserreger einzudämmen ist. Und das ist auch sehr wichtig, natürlich auch für die Kinder.

Aber viele der Interessen, die eben auch extrem wichtig sind - wie beispielsweise die Fortsetzung der Bildungskarriere - wurden nicht so richtig bedacht. Da wäre es gut gewesen, wenn die Kinderrechte schon in einer stärkeren Rechtsposition gewesen wären. Denn dann wäre man daran nicht vorbeigekommen. 

DOMRADIO.DE: Hinter Ihrem Appell, die Kinderrechte im Grundgesetz explizit zu verankern, stehen nicht nur UNICEF und der Deutsche Kinderschutzbund, sondern auch zahlreiche Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Warum ist es Ihrer Ansicht nach so schwer, die Änderungen durchzubringen? 

Sedlmayer: Das liegt zum einen daran, dass das Grundgesetz eine sehr starke und anerkannte Verfassung ist, in der beispielsweise auch die Würde des Menschen direkt an erster Stelle steht. Da wird dann oft argumentiert, dass Kinder ja auch Menschen sind und deswegen alle Rechte, die im Grundgesetz stehen, auch für Kinder gelten. Das ist fast richtig. Kinder dürfen nicht wählen. Man kann sich auch schwer eine Versammlung von Dreijährigen vorstellen. Aber im Prinzip ist es natürlich richtig, dass Kinderrechte auch Menschenrechte sind und das Grundgesetz für sie gilt.

Nur ist eben noch nicht ausreichend klar geworden, dass Kinder darüberhinaus seit der Kinderrechtskonvention eigene Rechte haben. Und diese ausdrücklich im Grundgesetz zu verankern, würde bewirken, dass sie auch bei politischen Entscheidungen, bei Gerichtsentscheidungen, im Behördenhandeln, eine eigene und größere Rolle spielen könnten.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR
Mehr zum Thema