In den vergangenen Jahren sind von Indien bis zu den Philippinen immer wieder Fälle von sexuellem Fehlverhalten von Priestern, Ordensfrauen und Patres bekannt geworden - aber auch von hinduistischen Gurus, muslimischen Imamen und buddhistischen Mönchen in Indien, Malaysia, Indonesien oder Thailand. Mit der Ausnahme der mehrheitlich katholischen Länder Osttimor und Philippinen sind Christen aller Konfessionen in den Ländern Süd- und Südostasiens kleine Minderheiten.
Vor allem in Indien kommen immer häufiger Sexskandale von Priestern ans Tageslicht. Ein katholischer Bischof ist gar wegen Vergewaltigung einer Ordensfrau im Bundesstaat Kerala angeklagt. Die Augen der Öffentlichkeit sind auch deshalb auf Indien gerichtet, weil Kardinal Oswald Gracias, Erzbischof von Bombay (Mumbai) und Vorsitzender der Indischen Bischofskonferenz, einer der beiden Vorsitzenden des bevorstehenden Anti-Missbrauchsgipfels im Vatikan ist.
Druck der katholischen und medialen Öffentlichkeit
Für den indischen Jesuiten und Menschenrechtler Cedric Prakash ist der Kardinal der richtige Mann am richtigen Platz. "Ich habe Kardinal Gracias erst vor kurzem gesprochen", sagte Prakash im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Er vertritt eine entschiedene Politik gegen Missbrauch." Prakash räumt aber auch ein, dass so manchen indischen Bischöfen noch der "spirituelle Wille" bei der Handhabung von Missbrauchsfällen fehle.
Unter dem Druck der katholischen und medialen Öffentlichkeit hat die Bischofskonferenz von Kerala in diesem Monat einen Erlass zum Schutz von Kindern in kirchlichen Einrichtungen veröffentlicht. Zudem wurde Mitte Februar in Kerala ein 51-jähriger katholischer Priester wegen Vergewaltigungen minderjähriger Mädchen zu 60 Jahren Haft verurteilt.
Die katholische Theologin Virginia Saldanha aus Mumbai ist nicht von den Maßnahmen der Indischen Bischofskonferenz und ihres Vorsitzenden gegen Missbrauch überzeugt. "Es wurden weder Rahmenbedingungen oder Strukturen für die Handhabung von Missbrauchsanzeigen geschaffen, noch wurde die Maßnahmen gegen Missbrauch den Menschen öffentlich zugänglich gemacht", sagte die 71-jährige Frauenrechtlerin der KNA.
Frauen und Kinder in asiatischen Gesellschaften mit schwerem Stand
In den anderen asiatischen Ländern haben sich Erzbischof Simon Poh Hoon Seng von Kuching in Malaysia sowie Erzbischof William Goh von Singapur am klarsten gegen Missbrauch positioniert. Auf den Philippinen weiß Schwester Mary John Mananzan von vielen Fällen des Missbrauchs von "Jungen, Mädchen, Nonnen und anderen Frauen". Die Bischofskonferenz reagiere darauf jedoch "nicht in angemessener Weise", zitieren katholische Medien die Aktivistin und ehemalige Ko-Vorsitzende des Verbandes der Ordensoberen.
Frauen und Kinder haben in asiatischen Gesellschaften einen schweren Stand. Die Philippinen gelten als Paradies für Pädophile und nehmen eine globale Spitzenstellung bei Online-Sex mit Kindern und Kinderpornos im Internet ein. In Indien sind Vergewaltigungen von Kindern fast trauriger Alltag. "Kinder und Frauen werden in asiatischen Gesellschaften nicht nur als sexuelle Objekte angesehen, sondern werden für minderwertiger gehalten als Männer", sagt Saldanha.
Mit einer Enthüllungsgeschichte wagte sich im Februar 2018 das im kambodschanischen Phnom Penh erscheinende Magazin "Southeast Asia Globe" an das Tabuthema sexueller Kindesmissbrauch in buddhistischen Klöstern - dessen Ausmaß es mit dem weltweiten Missbrauchsskandal der Kirche verglich.
Sexueller Missbrauch in Asien ein Tabuthema
Aus zwei kulturellen Gründen ist sexueller Missbrauch in Asien ein Tabuthema: Respekt vor Mächtigen und, wie es der philippinische Kardinal Luis Tagle 2012 in Rom sagte, der "Kultur der Schande". "In asiatischen Kulturen beschmutzt die Schande einer Person die Familie, den Clan und die Gemeinschaft. Schweigen wird daher als die einzige Alternative zur Wahrung von deren Ehre angesehen."
Virginia Saldanha ist inzwischen zusammen mit der Frauenorganisation Voices of Faith in Rom. Sie wollen die Kultur des Schweigens brechen, Bischöfe und Papst an ihre Verantwortung erinnern und konkrete "Strukturen zum Umgang mit Missbrauch" fordern.