Eine volle Kirche und ein laut geschmettertes "O du fröhliche" - das gehört für viele Gottesdienstbesucher an Heiligabend dazu. Corona macht beides unmöglich, bringt viele Gemeinden in Hamburg und Schleswig-Holstein aber zugleich auf ungewöhnliche Ideen. So kommt in Norderstedt am 24. Dezember die Kirche mit dem Traktor zu den Menschen. Fahrzeug samt Anhänger werden weihnachtlich geschmückt. Am Nachmittag fahren Mitarbeiter der katholischen Pfarrei Sankt Katharina von Siena, der evangelischen Kirchengemeinde Harksheide und der Christlichen Gemeinde Norderstedt mit der mobilen Kirche durch die Stadt und halten an verschiedenen Stationen jeweils eine kurze Andacht.
Feier mit Schafen
In Nusse bei Mölln planen katholische und evangelische Gemeinde einen "Gottesdienst auf dem Hirtenfeld". Gefeiert wird um 23.00 Uhr auf einer Koppel mit 150 Schafen. "Die Hirten waren die ersten, die die Botschaft von der Geburt Jesu gehört haben, und sind zur Krippe gelaufen", sagt Gemeindereferentin Monika Tenambergen von der katholischen Pfarrei Sankt Ansverus. Die Idee, Weihnachten auf einer echten Schafweide zu feiern, habe sie schon länger gehabt. Corona habe dafür gesorgt, dass es nun zur Umsetzung komme.
Ökumenische gebetet und gesungen wird auch im benachbarten Ratzeburg: Dort findet auf dem Marktplatz zwischen 14.00 und 18.00 Uhr stündlich jeweils ein kurzer Gottesdienst statt - abwechselnd vorbereitet von der katholischen Gemeinde Sankt Answer, der evangelischen Gemeinde Sankt Petri und der Gemeinschaft in der Evangelischen Kirche. Währenddessen sind - wie vielerorts - die örtlichen Kirchen zum stillen Gebet und zum Abholen des Friedenslichts aus Bethlehem geöffnet.
Die evangelische Gemeinde Sankt Markus in Hamburg plant ein Krippenspiel quer durch den Stadtteil Hoheluft. Auf mehreren Balkonen präsentieren Konfirmanden Szenen der Weihnachtsgeschichte. Die Teilnehmer können in Kleingruppen zwei unterschiedliche Rundkurse absolvieren und landen am Ende an einer Krippe.
In der Hamburger Gemeinde Meiendorf-Oldenfelde will sich Pastor Ulf Werner im Talar auf sein Lastenfahrrad schwingen und mit der Aktion "Klingel Bells" Weihnachten zu den Menschen bringen. Begleitet wird er von Mitgliedern des Gemeindechors, verkleidet als Rentiere. Auf seinen Stationen liest er jeweils etwa zehn Minuten aus der Weihnachtsgeschichte vor, bevor die Rentiere zum Abschluss "O du fröhliche" singen.
Zahl der Gottesdienste vervielfacht
Insbesondere die großen Kirchen vervielfachen die Zahl ihrer Gottesdienste. Am Hamburger Michel finden statt der sonst üblichen fünf, insgesamt acht Christvespern statt. Sie dauern nur 30 Minuten und werden abwechselnd drinnen und draußen auf dem Vorplatz abgehalten. Bei den Open-Air-Feiern wird es zwar kalt, aber es darf gesungen werden. Alle acht Gottesdienste sind bereits ausgebucht.
Am Hamburger Mariendom, der katholischen Bischofskirche der Hansestadt, werden an Heiligabend in der Mittagszeit zwei Krippenandachten für Familien auf dem Vorplatz angeboten. Zwei weitere Messen finden am Nachmittag in der Kirche statt, ebenso die Christmette der kroatischen Gemeinde um 21.00 Uhr und die Christmette um 23.00 Uhr mit Erzbischof Stefan Heße. Während normalerweise 500 Menschen im Mariendom Platz finden, sind es unter Beachtung der Abstandsregeln nur 80 bis 90. Wie in vielen anderen Gemeinden ist daher auch dort eine Anmeldung notwendig.
Veranstaltungen unter freiem Himmel
Ein ursprünglich angedachter Gottesdienst im Millerntor-Stadion des 1. FC St. Pauli ist dagegen abgesagt. "Eine solche Feier würde unter den jetzigen Bedingungen ein falsches Signal senden", sagt der Pastor der evangelischen St. Pauli Kirche, Sieghard Wilm.
Trotz aller Bemühungen um Hygiene und Sicherheitsbestimmungen - manch einer wird sich an Weihnachten nicht in die Kirche oder zu Freiluftgottesdiensten trauen. Für Menschen, die sich keinem Infektionsrisiko aussetzen möchten, geben die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) eine eigens angefertigte "Hausliturgie für Weihnachten" heraus. Darin enthalten sind das Weihnachtsevangelium, Weihnachtslieder und Gebete, um auch zu Hause feiern zu können. Ein Sprecher der Bischofskonferenz betont: "Weihnachten findet statt - in welcher Form auch immer."