André lebt seit 30 Jahren auf Mallorca. Er ist einer der nicht wenigen Deutschen, die gekommen und abgestürzt sind. Er lebt teilweise auf der Straße. Erst seit zwei Monaten trinkt der 58-jährige keinen Alkohol mehr. Das hat auch etwas mit seinem immer stärkeren Glauben zu tun. Dieser wiederum erwachte durch den schleichenden Tod, der ihn in Form von Tumoren ereilt. Die deutschen Kirchengänger am Ballermann kennen ihn alle.
Balearen-Pfarrer Andreas Falow betreut ihn mit. Vor der San Fernando-Kirche, wo auch am Sonntag um 10.30 Uhr die deutsche Messe stattfindet, direkt gegenüber vom Münchner Kindl, sitzt André jeden Sonntag mit seinem Hund Piet. Heute am Sonntag mit schwarzem Anzug und weißer Krawatte.
Mit dem Ballermann hat er eigentlich nicht viel zu tun: "Ich bin hier nur, weil die Messe auf Deutsch ist." Rein geht er aber nicht, wenn Falow predigt, sondern wacht am immer offenen Eingang der Kirche, von wo er direkt aufs Meer blicken kann. Um seinen Hals baumelt ein Rosenkranz: "Mir gibt der Glaube Kraft."
Die Geschäfte am Ballermann machen vor allem Spanier
Die Auswüchse des sehr deutsch geprägten Massentourismus auf Mallorca produzieren Fälle wie André, der sogar Hilfen aus Deutschland bezieht, aber auch viele schwere Urlaubs-Alkoholvergiftungen und Gewaltverbrechen unter Einfluss von Drogen während der "schönsten Tage des Jahres". "Für mich bedeutet dieser Partytourismus vor allem sehr viel Seelsorge für Opfer und mögliche Täter", erzählt Falow, der alleine für die gesamten Balearen zuständig ist: "Mallorca macht die meiste Arbeit," gesteht er ein.
Die Kirchen auf den Inseln tauschen sich über die Auswüchse des Tourismus regelmäßig aus, berichtet er. Auch unter den Religiösen weiß man, dass viele Mallorquiner über die Billig-Urlauber schimpfen, sie aber enorme Geschäfte mit ihnen machen. Die Pandemie hat Caritas & Co. aber gezeigt, wie die Inseln ohne Tourismus dastehen: hilflos. Suppenküchen hatten Hochkonjunktur. Einige Bars haben nie wieder aufgemacht. Anders als viele denken, ist der Ballermann wirtschaftlich fest in spanischer und nicht in deutscher Hand.
Den ganzen Tag im Rettungseinsatz
Die kirchliche "Initiative Reach Mallorca" veranstaltet auch immer wieder Gottesdienste am Strand von Arenal und Magaluf, um grölende Party-Urlauber zu "bekehren". Auch Falow läuft gerne durch die Partymeile von Magaluf und Arenal, um mit seinen "Schäfchen" zu sprechen: "Ich freue mich, wenn mich Leute ansprechen und dadurch Gespräche entstehen." Langweile komme keine auf, sagt er lachend.
Falows Sonntag ist extrem vollgepackt. Nach der Messe am Ballermann um 10.30 Uhr, geht es um 12 Uhr in die Krypta von Santa Cruz in Palma. Danach lädt er immer wieder einige Gemeinde-Mitglieder nach Hause ein. Das deutsche Publikum in der mallorquinischen Hauptstadt ist komplett anders als in Arenal. Falow sieht den Ballermann mit einem lachenden und weinenden Auge: "Es sind junge Menschen, die einen Nachholbedarf haben nach der Pandemie und es kommt sicherlich auch zu Exzessen, aber die Deutschen schlagen sich zumindest viel weniger als die Briten und Iren in Magaluf."
Und in seiner Arbeit gibt es durchaus auch viel Positives: "Wir haben auf der Insel alle Arten von Touristen, das macht es interessant. In der Schweiz, wo ich vorher war, da ging es nur um Luxus. Hier richten wir zudem um die 40 Hochzeiten im Jahr aus, aber auch Taufen für Promis aus Deutschland, die das hier im unauffälligeren Rahmen machen wollen."
Dass er viel zu tun hat, liegt auch daran, dass hier einer der größten Gefängnisse des Landes angesiedelt ist. Wie viele Deutsche da genau sitzen, darf er nicht sagen: "Aber es sind einige." Die Bar-Besitzer berichten, dass es auf der Partymeile in den vergangenen Jahren mehr Diebstähle gibt. Es kommen zudem immer mehr Migranten auf die Insel, was für Spannung mit den Einheimischen sorgt. Jeder versucht, irgendwie von den Touristen zu profitieren.
Das Maß ist voll auf Mallorca
Aber das Maß ist langsam voll für viele Mallorquiner. Sie wissen, dass der Tourismus sie reich gemacht hat und sie erinnern sich daran, wie sie in der Pandemie gelitten haben, aber dass Deutsche und Briten mit nacktem Oberkörper durch die Stadt laufen und sich überall volllaufen lassen, regt immer mehr auf.
Am Sonntag nach dem Aus der deutschen Mannschaft bei der EM finden sich nur wenige in der Kirche am Ballermann. Es sind alles zivilisierte Menschen, ältere Deutsche mit ein paar ausländischen Gläubigen vermischt. Auf die Frage, ob ihnen der Tourismus hier nicht peinlich ist, sagen die meisten, dass sie damit nichts zu tun haben.
"Ich kann die Mallorquiner verstehen, dass sie genug haben davon, aber sie gehen auch nicht konsequent gegen die Störenfriede vor, was wiederum daran liegt, dass es ein Riesengeschäft ist. Sie könnten deutsche Ferienhausbesitzer für jeden Tag, den sie nicht hier sind und Wohnraum und Grundstücke "beschlagnahmen", "besteuern", sagt ein älterer Herr aus dem Rheinland auf die Frage, welche Lösungen er zur Verbesserung der prekären Wohnungslage und hohen Mieten vorschlägt. Er weiß, dass er davon selbst betroffen ist, weil er auch ein Haus auf Mallorca hat: "Aber es wäre doch nur gerecht. Es ist nicht unsere Insel. Ich würde es bezahlen."