Kirche in Goa stellt Gebeine des Jesuiten-Missionars Franz Xaver aus

Eine Erbschaft für Asien

Alle zehn Jahre werden in Goa die Gebeine des Jesuiten-Missionars Francisco de Xavier ausgestellt. Außer acht Millionen Pilgern kamen auch 200 Wissenschaftler. Ihr Thema: die Bedeutung des christlichen Pioniers im 21. Jahrhundert.

Autor/in:
Michael Lenz
Kathedrale in Goa / © Jan Willem van Hofwegen (shutterstock)
Kathedrale in Goa / © Jan Willem van Hofwegen ( shutterstock )

Neben Ignatius von Loyola der wichtigste Mitbegründer des Jesuiten-Ordens, erster päpstlicher Nuntius auf dem indischen Subkontinent, Pionier für christliche Mission im außereuropäischen Kontext - Francisco de Xavier, geboren am 7. April 1506 auf der Burg Javier bei Sanguesa im Baskenland, ist eine Schlüsselfigur für die Geschichte des Christentums in Süd- und Ostasien. Nach seiner ersten Station in der ehemaligen portugiesischen Kolonie Goa in Indien wirkte er im malaysischen Malakka, bevor er ins heutige Indonesien und nach Japan weiterreiste.

Unweit der Kathedrale do Bom Jesus in Goa, wo er seine letzte Ruhestätte fand, gab es Mitte Dezember eine dreitägige Konferenz über "das panasiatische Erbe des Heiligen Franz Xaver - zwischen Erinnerung und zeitgenössischen Aneignungen". Rund 200 Historiker, Soziologen und Theologen aus asiatischen Ländern tauschten sich über die "theologische, soziale und politische Bedeutung Franz Xavers im Asien des 21. Jahrhunderts" aus. Veranstalter war die "Initiative zur Studie der asiatischen Katholiken" (ISAC) mit Sitz in Singapur.  

Reliquienbüste des Heiligen Franz Xaver  / © Alexander Brüggemann (KNA)
Reliquienbüste des Heiligen Franz Xaver / © Alexander Brüggemann ( KNA )

Der französische Theologe Michel Chambon, einer der Koordinatoren vom ISAC, zeigte sich im Gespräch mit der KNA zufrieden mit der Tagung: "Das war eine wirklich engagierte Konversation aus sozialwissenschaftlichen Perspektiven und Diskursen." Eine Auswertung der Konferenz werde aber erst zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht.

Diplomatie für den christlichen Glauben

Pater Paulin Baitarwa vom vatikanischen Dikasterium für den Interreligiösen Dialog hob auf der Tagung Indien als Wiege großer Religionen hervor. Kardinal Filipe Neri Ferrao, Erzbischof von Goa und Daman, betonte in seiner Rede zur Eröffnung das Engagement Franz Xavers als Brückenbauer zwischen den Kulturen sowie sein Wirken als Diplomat. "Er hat diplomatisch mit Herrschern in Indien, Japan und China verhandelt, das Christentum predigen zu dürfen", sagte Ferrao.

Die christliche Botschaft im Kaiserreich China verkünden konnte er allerdings nicht mehr. Im Alter von 46 Jahren starb Francisco de Xavier am 3. Dezember 1552 an einer Krankheit auf der Insel Shangchuan Dao in der Bucht von Guangzhou, gut 150 Kilometer südwestlich von Hongkong. Dort wurde er zunächst auch begraben. Im Februar 1553 wurde der Leichnam exhumiert und in Malakka in der Kirche St. Paul bestattet, bevor er im Dezember 1553 in Goa seine endgültige Ruhestätte fand.

Unter dem Titel "Transozeanische Reisen und synkretistische Identitäten" versuchte Steven S. George von der staatlichen Jamia Millia Islamia Universität in Neu Delhi, die Nummer Eins unter Indiens Zentraluniversitäten, bei der Konferenz eine Neuinterpretation des Erbes des katholischen Heiligen Franz Xaver in Asien. Das Erbe Franz Xavers lade "zu modernen Überlegungen über koloniale Komplizenschaft, postkoloniale Identität und pluralistische Glaubenspraktiken ein", sagte George der KNA. Dies mache den Missionar "zu einer Schlüsselfigur für das Verständnis religiöser und kultureller Vernetzung in Asien".

Koloniale Hierarchien überwinden

Franciscos Wirken "im dualen Rahmen von Glauben und Imperium" sei einerseits mit dem Kolonialismus verbunden gewesen, habe sich aber auch davon unterschieden. Einerseite unterstreiche seine Ernennung zum päpstlichen Nuntius die institutionelle Verbindung zur Kolonialregierung, so George. "Andererseits deuten Xavers Engagement an der Basis, seine Übersetzungen in die Landessprachen und sein Fokus auf marginalisierte Gemeinschaften wie die Paravas auf ein Bemühen hin, koloniale Hierarchien zu überwinden und integrative soziale Räume zu schaffen."

Auf diese Weise stelle Franz Xavers Mission "vereinfachende Vorstellungen vom Christentum als rein kolonial in Frage". Dadurch werde sein Einfluss über religiöse Zugehörigkeiten hinaus bedeutsam. Die an den Küsten von Tamil Nadu, Goa und Kerala lebende Fischerkaste Paravas waren Perlentaucher und sind seit den Tagen Franz Xavers katholisch.

Der indische Jesuit und Menschenrechtler Cedric Prakash beschreibt Francisco de Xavier als "Produkt seiner Zeit". Der aus einer adeligen, reichen und frommen Familie stammende lebenslustige Mann sei ebenso ein Top-Sportler wie ein hervorragender Philosoph und Theologe gewesen. Durch seinen Studienfreund an der Universität von Paris Ignatius von Loyola überzeugt, trat er nach anfänglichem Zögern dem Orden der Jesuiten bei.

Leidenschaftlich und ambitioniert

Ebenso leidenschaftlich wie ambitioniert wie sein bisheriges Leben habe Xaver dann seine Missionstätigkeit gelebt. "Er war kompromisslos davon überzeugt, das Reich Gottes hier auf Erden zu verwirklichen und lebte es in vollen Zügen", sagte Prakash. Auch er zeichnet die Entwicklung des späteren Heiligen von einem Unterstützer desportugiesischen Kolonialismus zu dessen Kritiker hervor: "Seine zahlreichen Briefe an den König von Portugal und an seine Jesuitenoberen zeigen deutlich, dass er sich gegen die Behandlung der Einheimischen hier stellte."

Zudem, so Prakash weiter, war Francisco de Xavier maßgeblich an der Einführung einer Bildung für alle beteiligt. Was bis dahin ausschließlich der Kirche und dem Königshaus vorbehalten war. Heute gibt es in Australien, Kambodscha, Osttimor, Hongkong, Indonesien, Japan, Macau, Malaysia, Taiwan und auf den Philippinen rund 45 jesuitische Bildungseinrichtungen.

Franz Xaver, so George, habe gezeigt "wie unterschiedliche Traditionen in globalen Netzwerken koexistieren, sich anpassen und weiterentwickeln können, wodurch sein Einfluss über religiöse Zugehörigkeiten hinaus bedeutsam wird". Michel Chambon bilanziert das Leben des Missionars aus dem Baskenland so:  "Er war ein bisschen wie Jesus: Er zog los, tat Dinge und zog weiter. Er ist nie irgendwo geblieben."

Katholische Kirche in Indien

Unter den rund 1,38 Milliarden Indern sind die Katholiken mit etwa 18 Millionen nur eine kleine Minderheit. Im Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil von unter zwei Prozent ist ihr Einfluss im Land jedoch viel größer. Die Kirche stellt ein Fünftel der schulischen Leistungen, dazu ein Viertel aller Unterstützungsprogramme für Witwen und Waisen und knapp ein Drittel der Versorgung von Lepra- und Aidskranken. Indien ist auch das Land mit den meisten Priesterberufungen weltweit.

Christen in Indien  / © Jaipal Singh (dpa)
Christen in Indien / © Jaipal Singh ( dpa )
Quelle:
KNA