Miriam ist eine Frau in den Siebzigern und lebt in Aleppo. Sie ist Witwe. Ihr Mann wurde vor drei Jahren von einer Granate getötet. Drei Kinder hat sie – alle sind geflohen. Miriam wollte die Strapazen der Flucht nicht mehr mitmachen. Nun ist sie allein. "Ich habe den Lebenswillen verloren", erzählt sie. Das Leben sei unerträglich. "Die heulenden Sirenen, Gefechtslärm und Bombeneinschläge – und dann noch die ständige Dunkelheit." Denn die öffentliche Stromversorgung ist zusammengebrochen – und ein paar Stunden Strom von einem Privatanbieter zu beziehen, ist sehr treuer. Es gibt auch kein Wasser mehr. "Ich kann nicht einmal mehr duschen. Das ist doch so wichtig, um sich ein wenig wohler zu fühlen", sagt Miriam. Sie leidet unter Depressionen, bekommt Medikamente. "Mein Haus war früher ein harmonischer, warmer Ort – heute ist es eine dunkle, kalte Höhle."
Miriam ist Christin. Es ist bereits ihre sechste Advents- und Weihnachtszeit im Krieg. Augenzeugen berichten, dass sich die Kämpfe nun auf den Ostteil Aleppos konzentrieren – und an Härte zunehmen. Bis zu 300 000 Menschen sind eingekesselt. Insgesamt ringen im Stadtgebiet von Aleppo bis zu 1,5 Millionen Menschen um ihr Leben. Bilder schwerverletzter und traumatisierter Kindern gingen um die Welt. UN-Berichten zufolge sind alle Krankenhäuser zu einem Großteil zerstört. Das Personal arbeitet dort unter schwersten Bedingungen weiter. Andere versuchen, ihren Mitmenschen das Überleben zu sichern und die Last ein wenig leichter zu machen.
Im ständigen Einsatz für die Mitmenschen
So wie Annie Demerjian und ihre Mitschwestern. Sie gehören zu denjenigen, die trotzdem, oder besser gesagt, gerade deshalb geblieben sind. Ihre Gemeinschaft der "Schwestern Jesu und Mariens" arbeitet unermüdlich, um der verbliebenen christlichen Minderheit beizustehen. Sie haben dem weltweiten päpstlichen Hilfswerk "Kirche in Not" Miriams trostlose Situation geschildert – und wie sie ihr geholfen haben. "Wir haben sie besucht, ihr Haus saubergemacht und psychologisch geschulte Helfer beauftragt, während der Woche nach ihr zu sehen, mit ihr zu sprechen und sie beim Arztbesuch zu begleiten."
Die wirkungsvollste Sofortmaßnahme sei aber gewesen, mit einer kleinen Summe dafür zu sorgen, dass Miriam ein paar Stunden am Tag Strom beziehen kann. So kann sie kochen oder Wasser zum Waschen erwärmen. "Es sind wirklich oft die kleinen Dinge, die das karge Leben der Menschen im wahrsten Sinne des Wortes ein bisschen heller machen."
Insgesamt betreuen die Schwestern 917 Familien. Umgerechnet etwa 40 Euro pro Monat erhält eine Familie dank der Unterstützung von "Kirche in Not". Das sichert das Überleben. "Und wir haben 1900 Familien, die Gutscheine für Lebensmittel erhalten. Mit eurer Hilfe können wir unseren Leuten in ihrem Leid beistehen, nicht nur spirituell, sondern auch durch materielle Unterstützung", schreibt Schwester Annie. Die Familien würden dadurch erfahren, dass sie nicht alleingelassen sind und ihre Glaubensgeschwister in Europa an sie denken. So geht es auch Miriam. "Ich fühle mich jetzt trotz harten Bedingungen ein bisschen besser. Danke, dass Sie Hoffnung in mein Haus und mein Herz bringen."
Hilfe schenkt Hoffnung
Jimmy und Rose erleben dieses Jahr ihre ganz eigene Weihnachtsgeschichte. Sie haben vor kurzem ein Baby bekommen, Paul. "Ihn zu versorgen ist eine riesige Herausforderung", sagt Rose. "Natürlich geht das allen Eltern so, aber in Aleppo ist alles schwieriger. Windeln und Babynahrung besorgen, das erfordert mehrere Anläufe. Und wie sollst Du das Fläschchen warm machen ohne Strom?" Es ist die kleine griechisch-orthodoxe Gemeinde, die sie versorgt.
Jugendliche koordinieren die Beschaffung und Verteilung von Lebensmitteln und Medikamenten. "Kirche in Not" unterstützt sie dabei. "Obwohl wir fast abgeschnitten sind von der Außenwelt, finden sie immer wieder Mittel und Wege, um uns zu helfen", sagt Jimmy. Auch sie bekommen finanzielle Hilfen, um die Grundbedürfnisse für sich und den kleinen Sohn zu decken. "Natürlich denken wir oft an Flucht. Aber Aleppo ist unsere Heimat. Wir sind so froh, dass wir durch die Hilfe wenigstens einen Funken Hoffnung sehen – auch für unseren kleinen Sohn."
Spendenaktion von "Kirche in Not"
"Kirche in Not" startet eine Spendenaktion zur Advents- und Weihnachtszeit. Das Hilfswerk ruft dazu auf, den leidendenden christlichen Minderheiten in Syrien, dem Irak und dem Libanon beizustehen. Seit Beginn des Syrienkrieges und der IS-Eroberungen hat das Hilfswerk in diesen drei Ländern rund 43 Millionen Euro für Hilfsprojekte zur Verfügung gestellt.
Dazu zählen Lebensmittel- und Medikamentenhilfen, Anmietung von Wohnraum für Familien, Hilfen bei der Beschaffung von Strom und Wasser, Schulprogramme, die Versorgung der großen Flüchtlingscamps im Irak und die Flüchtlingsarbeit im Libanon sowie die geistliche wie psychologische Betreuung von Geflüchteten. Die Hilfe zielt darauf ab, den Menschen zu helfen, damit sie in ihrer Heimatregion bleiben können.
Tobias Lehner