Kirche in Österreich leidet unter Hochwasserkatastrophe

"Zwischen Hoffnung und Verzweiflung"

Die Hochwasserlage trifft Österreich schwer. Niederösterreich wurde zum Katastrophengebiet erklärt. In Pottenbrunn bei St. Pölten ist der Damm der Traisen gebrochen. Ein Pfarrer und ein Diakon aus der Gemeinde erleben die Fluten mit.

Autor/in:
Johannes Schröer
Eine Hütte in Pottenbrunn im Gebiet St. Pölten ist von Hochwasser umgeben / © Helmut Fohringer (dpa)
Eine Hütte in Pottenbrunn im Gebiet St. Pölten ist von Hochwasser umgeben / © Helmut Fohringer ( dpa )

DOMRADIO.DE: Herr Iweadighi, Sie sind Pfarrer in Pottenbrunn und Herr Walzl, Sie sind Feuerwehrmann und Diakon und daher nun rund um die Uhr im Einsatz. Herr Iweadighi, können Sie beschreiben, wie es in Pottenbrunn zurzeit aussieht? 

Dr. Sabinus Iweadighi (Pfarrer in Pottenbrunn): Es regnet wieder seit Mittag. Wir hoffen, dass es bald mal aufhört, damit mit der Aufräumarbeit begonnen werden kann und wir den Keller auspumpen können. Denn im Pfarrhaus haben wir fast zwei Meter Wasser im Keller.

DOMRADIO.DE: Peter Walzl, wie erleben Sie das denn?

Peter Walzl (Diakon und Feuerwehrmann in Pottenbrunn): Na ja, zurzeit befinden wir uns so zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Ich war diese Nacht bei der Feuerwehr und hab Dienst gemacht und da hat es zu regnen aufgehört. 

Der Pegelstand der Flussläufe in unserer Gegend ist dann um fast einen Meter zurückgegangen und die Straßen waren wieder befahrbar. Jetzt hat es wieder zu regnen begonnen und das Ganze wird wieder ein bisschen intensiver. Also, wir sind zwischen Verzweiflung und Hoffnung. 

DOMRADIO.DE: Mussten auch Anwohner evakuiert werden?

Walzl: Ganze Siedlungen haben wir evakuieren müssen, mit Booten, teilweise mit den Feuerwehrfahrzeugen. Teilweise sind auch die Landwirte mit Frontladern gefahren und haben die Leute aus den Wohnungen oder aus den Häusern herausgeholt. 

Mancherorts steht das Wasser schon einen Meter tief im Erdgeschoss und manche sind derzeit nur im Keller betroffen, das ist sehr unterschiedlich. 

Peter Walzl

"Das Wichtigste, dass auch die Einsatzkräfte (...) positiv denken, obwohl die ja auch Betroffene sind." 

DOMRADIO.DE: Sie sind Feuerwehrmann und Diakon. Wie gelingt es da, die Leute auch als Seelsorger zu betreuen? 

Walzl: Momentan ist es das Wichtigste, dass auch die Einsatzkräfte immer bei Kräften bleiben und da positiv denken, obwohl die ja auch Betroffene sind. 

Die haben zu Hause auch ihre eigenen Häuser und die Keller sind überflutet, teilweise sind in manchen Wohnungen die Heizungen kaputt. Der Abwasserkanal in ganz Pottenbrunn ist ausgefallen. Die Leute können sich nicht duschen, können nicht auf die Toilette, es ist schwierig.

DOMRADIO.DE: Wie erleben Sie da den Zusammenhalt der Menschen? Erleben Sie auch, wie die Menschen zusammenrücken und zusammenhalten? 

Walzl: Zwei Feuerwehren sind aus Oberösterreich und Kärnten trotz einer Anreise von drei, vier Stunden gekommen. Die kommen hierher, um zu helfen. Auch die Anwohner selber versuchen zuerst einmal die Pegelstände im eigenen Haus unter Kontrolle zu bringen. Und dann versucht man, sich gegenseitig zu helfen. 

St. Pölten: Die Traisen ist durch anhaltenden Regenfälle zu einem reißenden Fluss angeschwollen / © Helmut Fohringer (dpa)
St. Pölten: Die Traisen ist durch anhaltenden Regenfälle zu einem reißenden Fluss angeschwollen / © Helmut Fohringer ( dpa )

DOMRADIO.DE: Kann die Kirchengemeinde auch etwas tun? 

Peter Walzl

"Wir versuchen zusammenzuhalten."

Walzl: Ja, wir können beten und helfen ja auch mit. Aber sonst ist jeder von uns auch betroffen. Wir haben im Pfarrgemeinderat eine Gruppe, wo wir miteinander schreiben. Der Pfarrer hat ein Bild von seinem Keller als erstes gepostet und alle glaubten, das sei schon das Schrecklichste was es gibt. 

Und dann schickt eine Frau vom Pfarrgemeinderat noch Fotos, wo das halbe Haus unter Wasser steht, der Wohnraum auch. Also, es gibt immer noch schlimmere Sachen, aber wir versuchen zusammenzuhalten. Was geht, das geht.

Iweadighi: Auch die Caritas hat Hilfe angeboten. Wenn jemand Hilfe braucht, dann ist auch das Angebot der Caritas da und wir sind dankbar für jede Hilfe, die von außen kommt. So wie eben die Feuerwehrleute aus anderen Bundesländern, die gekommen sind. Wir sind dankbar für jede Hilfe und Unterstützung. 

Dr. Sabinus Iweadighi

"Wir haben uns sehr gefreut, dass heute der Weihbischof (...) angerufen hat."

DOMRADIO.DE: Die materielle Hilfe ist entscheidend, aber auch Solidarität und das Gebet. Auch die österreichischen Bischöfe haben dazu aufgerufen, füreinander zu beten. 

Iweadighi: Wir haben uns sehr gefreut, dass heute der Weihbischof im Namen des Bischofs die Gemeinde angerufen hat und sein Mitgefühl und seine Solidarität und Verbundenheit ausgedrückt hat. Das hat uns sehr viel gegeben. 

DOMRADIO.DE: Das ist ja ein Ausmaß, wie Sie das wahrscheinlich in Pottenbrunn noch nie erlebt haben, oder? 

Iweadighi: Nie. 

DOMRADIO.DE: Im Moment geht es einfach nur darum, den Menschen zu helfen oder kann man schon über die Schäden irgendwas sagen? 

Peter Walzl

"Die, die nicht betroffen sind, nehmen (...) Angehörige oder Freunde auf."

Walzl: Nein, da kann man eigentlich nur sagen, dass ziemlich jeder Haushalt betroffen ist. Es gibt fast keinen Haushalt, der nicht betroffen ist. Und die, die nicht betroffen sind, nehmen dann teilweise Angehörige oder Freunde auf, die nicht mehr in ihre Häuser oder in die Wohnung zurück können. 

DOMRADIO.DE: So was haben Sie auch noch nie erlebt, oder? 

Walzl: Nein, das ist das erste Mal. Wir hatten so was ähnliches schon, auch mit einem Dammbruch. Vor einigen Jahren ist auch der Traisen-Damm gebrochen. Aber das war bei weitem nicht dieses Ausmaß, weil nicht diese Wassermenge gekommen ist. Wir haben jetzt, denke ich, annähernd 350 bis 400 Liter pro Quadratmeter. Das hat es in diesem Ausmaß hier bei uns so noch nicht gegeben. 

DOMRADIO.DE: Wie blicken Sie jetzt weiter nach vorne? Sie sagten, jetzt habe es wieder angefangen zu regnen.

Walzl: Ja, aber die Prognosen sagen, das es gegen Abend noch circa 50 Liter pro Quadratmeter regnen wird und dann soll es zumindest einen Tag mal relative Pause geben. 

Das Interview führte Johannes Schröer.

Studie: Hochwasserkatastrophen durch Klimawandel wahrscheinlicher

Der Klimawandel erhöht laut einer Studie die Wahrscheinlichkeit extremer Regenfälle und damit von Hochwasserkatastrophen, wie sie im Juli in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mindestens 180 Menschen das Leben gekostet haben. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Team von Wissenschaftlern unter anderem des Deutschen Wetterdiensts (DWD) in einer am 24. August veröffentlichten Untersuchung.

Die Flutkatastrophe im Sommer hat auch Kirchen und die kirchliche Arbeit getroffen / © Henning Schoon (KNA)
Die Flutkatastrophe im Sommer hat auch Kirchen und die kirchliche Arbeit getroffen / © Henning Schoon ( KNA )
Quelle:
DR