Kirche in Polen informiert über Missbrauch

Unabhängige Studie geplant

Bei der katholischen Kirche in Polen sind 2022 nach eigenen Angaben 84 Anzeigen wegen sexuellem Kindesmissbrauch eingegangen. Die Vorwürfe beziehen sich auf die Jahre 1965 bis 2022. Jetzt soll es eine Studie zur Aufarbeitung geben.

Symbolbild Kindesmissbrauch / © Patrick Pleul (dpa)
Symbolbild Kindesmissbrauch / © Patrick Pleul ( dpa )

Das kirchliche Statistikinstitut habe die Daten bei den Bistümern und Ordensgemeinschaften erhoben. Elf Prozent der Anzeigen stufte die Kirche demnach als unglaubwürdig ein, wie Primas Erzbischof Wojciech Polak am Dienstag in Warschau sagte.

Von den 80 des Kindesmissbrauchs beschuldigten Priestern und Ordensbrüdern wurden laut Polak vier zweimal angezeigt. 2021 hatte die Kirche nach eigenen Angaben 155 Anzeigen erhalten. Polak ist in der Kirche für den Schutz von Kindern und Jugendlichen zuständig. 48 der mutmaßlich von sexualisierter Gewalt betroffenen Minderjährigen, die 2022 gemeldet wurden seien weiblich, 31 männlich, so der Erzbischof von Gniezno (Gnesen). In den übrigen fünf Fällen fehlten Angaben zum Geschlecht. Fast zwei Drittel der Missbrauchsmeldungen betreffen die Jahre 1965 bis 2018.

Suspendierung und Kontaktverbot

Die Vorgesetzten hätten 40 Prozent der Beschuldigten suspendiert, hieß es. Je 30 Prozent untersagten sie den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen oder verfügten, dass sie sich an einem bestimmten Ort aufhalten müssen. 

Angesichts des heftigen Streits in Polen um den Umgang von Papst Johannes Paul II. mit Missbrauchsfällen in seiner Zeit als Erzbischof von Krakau sprachen sich die Bischöfe auf ihrer am Dienstag zu Ende gegangenen Vollversammlung in Warschau für eine Untersuchung aus.

Bischofskonferenz für Untersuchung

Die Bischofskonferenz habe einstimmig entschieden, "ein Team unabhängiger Spezialisten zu berufen, das die staatlichen und kirchlichen Archive untersuchen soll, um die Fälle von Sexualverbrechen einiger Geistlicher an Minderjährigen aufzuklären", so Polak. Er drückte die Hoffnung aus, dass die Aufarbeitung durch das Team "eine echte Hilfe für die Geschädigten sein wird". Die Betroffenen bräuchten Wahrheit. "Es ist eine Richtungsentscheidung", so der Erzbischof.

Dem Untersuchungsteam sollen laut Polak Historiker, Juristen und Psychologen angehören. Namen nannte er nicht. Es gehe nicht nur um Krakau und Johannes Paul II., sondern um alle Bistümer und Ordensgemeinschaften. Bislang wurden die Kirchenakten in Polen weitgehend unter Verschluss gehalten.

Debatte um Papst Johannes Paul II.

Die aktuell hitzige Debatte über Johannes Paul II. in Polen wurde durch eine TV-Doku ausgelöst. Darin wird ihm vorgeworfen, er habe als Erzbischof von Krakau vor seiner Papstwahl von Anschuldigungen sexuellen Kindesmissbrauchs gegen drei Geistliche gewusst, habe sie aber trotzdem weiter in Pfarreien arbeiten lassen.

Für einen Priester schrieb Johannes Paul II. der Doku zufolge 1972 ein Empfehlungsschreiben an den damaligen Wiener Kardinal Franz König, um ihn in eine österreichische Kirchengemeinde schicken zu können. Über die Vorwürfe gegen den Priester habe er König nicht informiert.

Bischöfe verteidigen "guten Namen"

Polens Bischöfe sprachen in der Abschlusserklärung ihrer Vollversammlung von "noch nie da gewesenen Versuchen, die Person und das Werk des heiligen Johannes Paul II. zu diskreditieren". Die Bischöfe appellierten "an alle, das Andenken an einen unserer bedeutendsten Landsleute zu achten". Sie dankten jenen, die den "guten Namen" Johannes Pauls II. verteidigten. 

Katholische Kirche in Polen

Die römisch-katholische Kirche hat in Polen traditionell großen Einfluss. Ihr gehören knapp 90 Prozent der 33 Millionen Bürger an. In den vergangenen Jahren verlor die Kirche aber besonders in der jungen Generation an Ansehen. In der Hauptstadt Warschau wählten in diesem Schuljahr nur noch 29 Prozent der Schüler in der gymnasialen Oberstufe das Fach katholische Religion. Nach Angaben der Bischofskonferenz besuchten 2021 landesweit 28,3 Prozent der Katholiken die Sonntagsmesse.

Prozession in Polen / © Dariusz Banaszuk (shutterstock)
Prozession in Polen / © Dariusz Banaszuk ( shutterstock )
Quelle:
KNA