Opfer von sexuellem Missbrauch durch katholische Geistliche können künftig mit deutlich höheren Schmerzensgeldzahlungen als bisher rechnen. Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hat in Mainz einen entsprechenden Grundsatzbeschluss gefasst, den ihr Missbrauchsbeauftragter, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, an diesem Donnerstag in einer Pressekonferenz vorstellte.
Orientierung an zivilrechtlicher Schmerzensgeld-Tabelle
Demnach orientiert sich die katholische Kirche künftig an der geltenden zivilrechtlichen Schmerzensgeld-Tabelle und entsprechenden Gerichtsurteilen. Dies bedeutet für sexuellen Missbrauch derzeit Summen zwischen 5.000 und 50.000 Euro pro Fall. Dabei werde die Kirche stets die Summen "am oberen Ende des Ermessensspielraums" zahlen, betonte Ackermann. Wenn die Gerichte die Summen erhöhen, steigen auch die kirchlichen Zahlungen.
Das Verfahren zur Beantragung und Auszahlung soll laut Ackermann möglichst unbürokratisch gestaltet werden. Eine unabhängige Kommission aus Juristen, Psychologen und Medizinern soll die Schwere jedes gemeldeten Falls einschätzen und Empfehlungen aussprechen.
Ärmere Bistümer werden unterstützt
Das Geld wird von den betroffenen Bistümern und Ordensgemeinschaften gemäß ihren Fallzahlen und ihrer Finanzkraft auf ein zentrales Konto eingezahlt, von wo aus auch die Auszahlung erfolgt. Jedes Bistum kann selbst entscheiden, ob es auf Kirchensteuermittel oder auf andere finanzielle Reserven zurückgreift. Bistümer und Ordensgemeinschaften, die damit finanziell überfordert sind, sollen Unterstützung von reicheren Bistümern erhalten. Ackermann stellte in Aussicht, dass die neue Regelung noch in diesem Jahr in ein praktikables Verfahren umgesetzt werden soll. Dazu müssten aber noch die Zusammensetzung der Kommission sowie weitere verfahrenstechnische Details geklärt werden.
Mit dem neuen Verfahren reagiert die katholische Kirche auf die Kritik von Betroffenen und unabhängigen Beauftragten. Sie hatten das seit 2011 praktizierte kirchliche Verfahren für unzureichend erklärt, weil es in der Regel lediglich einen Pauschalbetrag von 5.000 Euro "in Anerkennung des erlittenen Leids" vorsah. Das neue Verfahren bietet deutlich höhere Summen sowie mehr Transparenz und Einheitlichkeit. Zudem ist es, wie Ackermann betonte "anschlussfähig" für andere Organisationen wie die evangelischen Landeskirchen, Sportvereine oder Internate.
Modell der Opferorganisation abgelehnt
Die Opferorganisation "Eckiger Tisch" hatte sich für ein grundsätzlich anderes Modell und höhere Summen ausgesprochen. Sprecher Matthias Katsch hatte die Bischöfe aufgefordert, ein Entschädigungsmodell zu wählen, bei dem pro Fall bis zu 400.000 Euro gezahlt werden sollte.
In weniger vermögenden Bistümern sowie in der evangelischen Kirche war dieses Modell auf Kritik gestoßen. Auch hatten einige Stimmen davor gewarnt, dass die katholische Kirche mit Entschädigungszahlungen in dieser Höhe ein exklusives Sonderrecht schaffen würde, das für Missbrauchsopfer in anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen unerreichbar wäre.
Bischöfe debattieren über verbessertes Kirchenrecht
Bei der Vollversammlung in Mainz diskutierten die katholischen Bischöfe unter anderem über die Einführung kirchlicher Verwaltungsgerichte sowie über ein verschärftes Straf- und Disziplinarrecht für Kleriker. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick leitet die zuständige Arbeitsgruppe. Auslöser für die Suche nach einer verbesserten Rechtskultur war unter anderem der Missbrauchsskandal. Der Vollversammlung lagen drei Textentwürfe für den Bereich der Deutschen Bischofskonferenz vor: "Kirchliche Strafgerichtsordnung", "Kirchliche Verwaltungsgerichtsordnung der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland" und "Disziplinarordnung für Kleriker".
Diese Entwürfe wurden, wie der Konferenzvorsitzende Georg Bätzing sagte, in Mainz diskutiert und sollen nun weiter beraten werden. Auch Klärungen mit den zuständigen römischen Stellen seien vorgesehen. Bätzing betonte, das kirchliche Straf- und Disziplinarrrecht stehe nicht in Konkurrenz zum staatlichen Recht, sondern solle dieses ergänzen. Beim künftigen kirchlichen Verwaltungsrecht gehe es darum, die Rechte der Gläubigen und Gemeinden angesichts von Verwaltungsentscheidungen von Bischöfen und Pfarrern zu stärken.
Urteil zu Suizidbeihilfe bedeutet Kehrtwende
Bei ihrer Vollversammlung haben die katholischen Bischöfe die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Suizidbeihilfe erneut heftig kritisiert. Das Urteil verabsolutiere die Selbstbestimmung und stelle damit eine Abkehr von der bisherigen, dem Lebensschutz sehr zugewandten Rechtsprechung des Gerichts dar, erklärte die DBK zum Abschluss ihrer Frühjahrsvollversammlung in Mainz.
Dem Gesetzgeber werde nur geringer Gestaltungsspielraum gelassen, kritisieren die Bischöfe weiter. "Die Politik wird prüfen müssen, ob es nach dem Urteil überhaupt noch sinnvolle Spielräume gibt, der Normalisierung von Suizidangeboten regulativ Einhalt zu gebieten."
Suizidbeihilfe könnte zunehmen
Obwohl die Gefahren für die Selbstbestimmung kranker und alter Menschen durchaus anerkannt würden, zählten sie in der Abwägung des Gerichts nicht, so die Bischöfe weiter. Es sei somit zu befürchten, dass die Suizidhilfe insbesondere durch die bereits in Deutschland agierenden Vereine nunmehr stark zunehmen werde. Zu rechnen sei mit Normalisierungstendenzen wie in der Schweiz, den Niederlanden oder Belgien. "Dies schwächt besonders die Angebote palliativer und hospizlicher Versorgung."
Für die Kirche sehen die Bischöfe nun die Aufgabe, Menschen in schwierigen Lebenssituationen noch bessere Unterstützung und Hilfe zuteilwerden zu lassen. Gerade vor wenigen Tagen hätten Caritas, Diakonie und der Deutsche Hospiz- und Palliativverband ein Handbuch für die stationäre Hospizarbeit vorgestellt, das der Sicherung der hohen Qualität der Betreuung dienen solle.
Zugleich sehen sich die Bischöfe in der Verantwortung, noch stärker über die "oftmals gar nicht bekannten vielfältigen Möglichkeiten der Selbstbestimmung auf dem letzten Weg zu informieren". Dazu zählen sie etwa Patientenverfügungen, den möglichen Behandlungsabbruch, Schmerztherapien und Seelsorgeangebote. "Die Erfahrung lehrt, dass Suizidwünsche oft nicht weiter verfolgt werden, wenn ernsthafte Angebote der Begleitung gemacht werden."
Kein gemeinsames Abendmahl beim Ökumenischen Kirchentag
Die katholischen Bischöfe streben beim Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt 2021 noch keine konfessionsübergreifenden Abendmahlsfeiern an. Dies erklärte der DBK-Vorsitzende Bischof Georg Bätzing zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung. Eine viel beachtete Empfehlung des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen (ÖAK) vom September 2019 ziele lediglich darauf ab, Feiern von Eucharistie und Abendmahl für einzelne Christen der jeweils anderen Tradition zu öffnen.
Bätzing, der das Papier selbst mit erarbeitet hat, erklärte dazu: "Das Dokument will einen theologischen Begründungsrahmen zur Verfügung stellen für den Respekt vor der individuellen Gewissensentscheidung einzelner Gläubiger, zur Eucharistie bzw. zum Abendmahl hinzuzutreten, nicht aber eine gemeinsame Feier des Herrenmahles ermöglichen."
Unterschiedliche Auffassungen des Abendmahls
Im Vorfeld des für 2021 geplanten Ökumenischen Kirchentags hatte es vereinzelt Erwartungen gegeben, dass es dort zu "ökumenischen Mahlfeiern" kommen könne. Die katholische Kirche und die protestantischen Landeskirchen haben unterschiedliche theologische Auffassungen darüber, was das Wesentliche bei Abendmahl und Eucharistie ist. Diese Unterschiede sind aber aus Sicht des ÖAK nicht so gravierend, dass sie den einzelnen Christen eine Teilnahme an der jeweils anderen Mahlfeier unmöglich machen.
Dafür beruft sich der ÖAK auf neuere theologische und insbesondere liturgiewissenschaftliche Erkenntnisse und kommt zu dem Schluss, dass es bei unterschiedlicher liturgischer Gestalt eine Übereinstimmung im Hinblick auf den Sinngehalt der Feier gibt und daher eine wechselseitige Teilnahme theologisch gut begründet ist.
Auf der Suche nach einer Einheit der Kirche
Der ÖAK sieht, wie Bätzing in Mainz erläuterte, in der wechselseitigen Teilnahme einen weiteren Zwischenschritt auf der Suche nach der Gestalt umfassender sichtbarer Einheit der Kirche Jesu Christi. Nachdem sich die Deutsche Bischofskonferenz bei ihrer Herbst-Vollversammlung 2019 nur kurz über den Text des ÖAK informiert hatte, habe es nun in Mainz "eine intensivere Aussprache" gegeben.
Der Text werfe Fragen auf, "die bei der weiteren theologischen und pastoralliturgischen Auseinandersetzung zu beachten sind", erklärte Bätzing. Sie markierten einen "Klärungsbedarf auf katholischer, aber auch auf evangelischer Seite". Bätzing kündigte an, dass sich die DBK-Kommissionen für Liturgie, Ökumene und Glauben vor dem Ökumenischen Kirchentag noch genauer mit der Studie befassen werden.
Bätzing zieht positives Zwischenfazit zu Synodalem Weg
Ein positives Zwischenfazit zum Synodalen Weg hat der neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz gezogen. Bei der ersten Synodalversammlung Ende Januar in Frankfurt sei spürbar gewesen, "mit welchem Ernst und welcher Nachdenklichkeit die aktuellen Themen angegangen wurden", sagte der Limburger Bischof Georg Bätzing zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der DBK in Mainz. "Unser leidenschaftlicher Appell, Kirche lebendig zu gestalten, ist von Laien und Priestern und Bischöfen gleichermaßen aufgenommen worden."
Die von Bischöfen und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) angestoßene Initiative zur Zukunft kirchlichen Lebens ist auf zwei Jahre angelegt und soll nach dem Missbrauchsskandal verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen. Erneut bekräftigte Bätzing, dass er voll hinter dem Dialog stehe.
Gute Arbeit zu zentrale Themen
"Auch nach dieser Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Mainz wünsche ich mir, dass die Kirche des Aufbruchs, wie sie Papst Franziskus fordert, weiter sichtbar in unserem Land ist." Der Bischof von Limburg fügte hinzu, dass die Arbeit in zwei der vier eingesetzten Arbeitsgruppen zu den zentralen Themen Macht, Sexualmoral, priesterliches Leben und Rolle der Frauen gut angelaufen sei.
Kritik an Flüchtlingspolitik
Mit Sorge blicken die katholischen Bischöfe auf die Lage in Syrien. Bischof Georg Bätzing rief zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der DBK die EU zu einer großzügigen Aufnahme von Flüchtlingen auf. "Wer die Aufnahme weiterer Bürgerkriegsflüchtlinge in Deutschland und Europa zum Tabu erklärt, der verschließt die Augen vor der Realität, einer schrecklichen Realität", sagte Bätzing in Mainz.
Der Bischof von Limburg fügte hinzu, bedauerlicherweise hätten die EU-Mitgliedstaaten die vergangenen Jahre nicht genutzt, um zu einer tiefgreifenden Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zu gelangen. Nun seien sie mehr denn je gefordert, Wege zu einer fairen und solidarischen Flüchtlingspolitik zu finden. Vor allem dürften die Staaten an den EU-Außengrenzen nicht mit dem Problem allein gelassen werden.
Leid der Bevölkerung in Syrien nicht verschärfen
Was Syrien anbelangt, so sei im zehnten Jahr des Krieges die Armut größer denn je, sagte der DBK-Vorsitzende. An die Adresse der Bundesregierung und der politisch Verantwortlichen in den übrigen EU-Mitgliedstaaten gerichtet, forderte der Konferenz-Vorsitzende, die gegen Syrien verhängten Sanktionen kritisch zu prüfen und so anzupassen, dass sie das Leid der Bevölkerung nicht verschärften.
Humanitäre Hilfe der katholischen Hilfswerke
Die Bischöfe seien sich darin einig, dass die Kirche in Deutschland auch weiterhin alles in ihren Möglichkeiten Stehende tun müsse, um die syrischen Christen in jeder Hinsicht und besonders auch in deren karitativer Arbeit zu unterstützen. In den Jahren 2017/2018 stellten die deutschen Bistümer und die katholischen Hilfswerke laut Bätzing über 104 Millionen Euro für humanitäre Hilfe und andere Projekte in Syrien und den umliegenden Ländern bereit.
Während der Vollversammlung hatten die beiden Kardinäle Reinhard Marx und Rainer Maria Woelki bereits den Umgang mit Flüchtlingen an der griechisch-türkischen Grenze angeprangert. Der Flüchtlingsbeauftragte der Bischofskonferenz, Erzbischof Stefan Heße, sagte: "Europa muss zeigen, dass es flüchtlingspolitisch mehr zu bieten hat als Stacheldraht und Tränengas."
Nächste Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe in Dresden
Die nächste Frühjahrsvollversammlung der katholischen deutschen Bischofskonferenz findet in Dresden statt. Die Bischöfe seien 2021 im Bistum Dresden-Meißen zu Gast, teilte die Bischofskonferenz am Donnerstag nach dem Ende des diesjährigen Frühjahrstreffens in Mainz mit. Das nächste Zusammentreffen der Konferenzmitglieder wird traditionell im Herbst in Fulda sein.