"Islamisten bedrohen Christen in Flüchtlingsheimen." - "Wir hatten Todesangst." - "Christliche Flüchtlinge werden schikaniert." Schlagzeilen wie diese erregten im Mai hohe Aufmerksamkeit. Auslöser war eine Studie des christlichen Hilfswerks "Open Doors", die von gehäuften Fällen von Gewalt und Drangsalierung gegenüber Christen in deutschen Flüchtlingsunterkünften berichtete. Zugleich warf "Open Doors" nach Medienberichten den Behörden und beiden großen christlichen Kirchen vor, das Ausmaß der Gewalt zu vertuschen.
Keine flächendeckende Diskriminierung
Die Kirchen reagierten zurückhaltend. Bistümer, Landeskirchen und Hilfsorganisationen wie die Malteser und Johanniter recherchierten in Unterkünften und eigenen Einrichtungen. Am Dienstag aber stellten der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, in einer gemeinsamen Erklärung klar: "Eine flächendeckende und systematische Diskriminierung von Christen und anderen religiösen Minderheiten in Asylbewerberunterkünften ist nicht festzustellen." An der von "Open Doors" vorgelegten Erhebung bestünden erhebliche Zweifel.
Zugleich warnten Marx und Bedford-Strohm vor politischer Instrumentalisierung: Vorfälle dürften weder vertuscht noch aufgebauscht werden. Für manche seien negative Ereignisse in den Unterkünften ein willkommener Anlass, um Propaganda gegen muslimische Flüchtlinge und den Islam zu machen. Und: "Nicht jede Auseinandersetzung zwischen Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit sollte als religiös motivierter Konflikt eingestuft werden."
Schwachpunkte bei der Unterbringung
Offen benennen die Kirchen Schwachpunkte bei der Unterbringung: Insbesondere in Berlin soll es immer wieder vorgekommen sein, dass muslimische Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste christliche Asylbewerber gezielt benachteiligten, heißt es. Muslime hätten Angehörige anderer Konfessionen gezwungen, am muslimischen Morgengebet teilzunehmen. Besonders gefährdet seien Asylbewerber, die vom Islam zum Christentum übergetreten seien. "Derartige Vorfälle dürfen keinesfalls bagatellisiert werden", so Marx und Bedford-Strohm. Vor allem Christen aus dem Mittleren Osten brächten eine große Angst vor religiöser Verfolgung mit. Die Flüchtlinge müssten von Anfang an sicher sein können, dass ihre Menschenrechte und ihr Recht auf Religionsausübung in Deutschland geschützt seien.
Zugleich aber sprechen sich die beiden großen Kirchen gegen eine allgemeine nach Religionen getrennte Unterbringung von Flüchtlingen aus. Nur wenn der Schutz von Angehörigen religiöser Minderheiten in einer Einrichtung nicht gewährleistet werden könne, sollte eine getrennte Unterbringung erwogen werden. Demgegenüber empfehlen Marx und Bedford-Strohm hohe Qualitätsstandards in den Unterkünften, gute Betreuung, die Ermöglichung von Privatsphäre und sinnvolle Beschäftigungsangebote. So könnten Konflikte zwischen Flüchtlingen unterschiedlicher Herkunft und Religion am besten verhindert werden, heißt es in der Erklärung.
Respektvoller Umgang angemahnt
Katholiken und Protestanten können dabei auf gute Erfahrungen in eigenen Flüchtlingsunterkünften verweisen. Hilfsorganisationen wie die Malteser oder die Johanniter achteten darauf, dass Mitarbeiter in den Unterkünften - vom Sozialarbeiter bis zum Dolmetscher - "eine grundlegende religiöse Sensibilität" aufwiesen und entsprechende Schulungen erhielten. Von ihnen werde zudem erwartet, einen respektvollen Umgang mit Angehörigen anderer religiöser Bekenntnisse vorzuleben.
Darüber hinaus empfehlen die Kirchen die Weiterentwicklung von Schutzstandards: So trage ein professionelles Konflikt- und Beschwerdemanagement zum frühzeitigen Abbau von Spannungen bei. In den Unterkünften müsse auf "eine kultursensible Zimmerbelegung" geachtet werden: Angehörige unterschiedlicher Religionen und Kulturen sollten nicht im selben Zimmer wohnen. "Insbesondere bei den Sicherheitskräften sowie bei Dolmetschern und Übersetzern ist darauf zu achten, dass ihr weltanschaulicher Hintergrund nicht zur Diskriminierung von religiösen Minderheiten beiträgt", heißt es.